Retail IT


Retourenmanagement

Paket-Rücksendungen zerbröseln den Gewinn

Karsten Fellbaum ist Manager bei Bearingpoint.
Schon mit kleinen Maßnahmen lassen sich teure Rücksendungsquoten verringern. Mit intelligenten IT-Lösungen bekommen Händler die Retourenflut in den Griff.
"Im Zentrum eines erfolgreichen Retourenmanagements steht die Einbettung verschiedener Einzelmaßnahmen aus den Bereichen Marketing, Einkauf, Technik und Logistik", sagt Karsten Fellbaum von Bearingpoint.
"Im Zentrum eines erfolgreichen Retourenmanagements steht die Einbettung verschiedener Einzelmaßnahmen aus den Bereichen Marketing, Einkauf, Technik und Logistik", sagt Karsten Fellbaum von Bearingpoint.
Foto: BearingPoint Deutschland GmbH

Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Bearingpoint unter 30 führenden deutschen Onlinehändlern hat gezeigt: Nahezu die Hälfte der befragten Unternehmen mit eigener Logistik (inklusive Retourenabwicklung) sehen erheblichen Bedarf in der Reduzierung ihrer Retourenquote. Denn diese Quote stellt einen enormen Kostenfaktor dar und schwächt somit die Profitabilität empfindlich.

Auf der anderen Seite ist der zielgerichtete Umgang mit Rücksendungen aber auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das eigene Unternehmen, denn er sorgt für zusätzlichen Umsatz, der ohne entsprechende Rücknahmeregelungen sicher ausbleibt. Die Möglichkeit, ein proaktives Retourenmanagement zu seinem Vorteil zu nutzen und damit den Internet-Vertrieb effizienter zu gestalten, ist vielen Onlinehändlern jedoch noch nicht bewusst.

Maßnahmen aus Marketing, Einkauf, Technik und Logistik

Im Zentrum eines erfolgreichen Retourenmanagements steht die Einbettung verschiedener Einzelmaßnahmen aus den Bereichen Marketing, Einkauf, Technik und Logistik in ein ganzheitliches Retourenmanagement als integralen Bestandteil der Logistik. So haben viele der befragten Unternehmen bereits Maßnahmen etabliert oder planen, dies mittelfristig zu tun.

Dazu gehören beispielsweise Produktbeschreibungen, die kundengerecht und nicht datenlastig sind wie die Zusatzangabe bei Fernsehern „für Kino-Enthusiasten“ oder als „Basisvariante“ sowie Kleider-Kategorien wie „figurbetont“ oder „sportlich, bequem“. Angaben bezüglich notwendigen Zubehörs (zum Beispiel Batterien bei Elektrogeräten) sowie Systemvoraussetzungen und Kompatibilität dürfen ebenso wenig fehlen wie Vergleichstabellen bei ähnlichen technischen Produkten.

Augmented Reality und Avatare

Im Modebereich bieten technische Zusatzanwendungen wie der Upload eigener Fotos oder der individuelle Abgleich von Körper- und Kleidermaßen via Webcam die Grundlage für eine virtuelle Anprobe (Augmented Reality) und damit die Möglichkeit, Kleidungsstücke noch anschaulicher und vor allem kundenbezogen darzustellen. Avatare können zusätzlich helfen, dem Kunden ein Produkt oder ein Produktdetail anhand eines Erklärvideos näherzubringen.

Ein Ansatz zur Senkung der Retourenquote im Schuh- bzw. Bekleidungsbereich könnte die 3D-Vermessung des Schuh- bzw. Kleidungsstück-Innenraums sein mit dem Ziel, eindeutige Kennzahlen zur Passform zu generieren, die über die reine Größenangabe des Herstellers hinausgehen. Nach Aussage der Onlinehändler in diesem Bereich sind die Größenangaben des Herstellers ohnehin oftmals ungenau und stimmen nicht mit den deutschen Größen überein.

IT-System verknüpft Kundeninformationen

Die neu ermittelten Kennzahlen werden dann in einem IT-System mit Kundeninformationen verknüpft. Auf diese Weise würde das System bei jedem Kauf dazulernen, und zwar sowohl beim Kauf eines passenden Schuhs bzw. Kleidungsstückes als auch bei falscher Passform.

Produktbewertungen von anderen Kunden sowie Erfahrungs-Blogs sind weitere wichtige Hilfsmittel, die für alle Produktbereiche geeignet sind und die durch die Verknüpfung mit sozialen Netzwerken noch einen zusätzlichen Multiplikatoreffekt erfahren können. Unsicherheiten bei der Kaufentscheidung und damit bewusst eingeplante Doppelbestellungen werden durch multilinguale Kundenberatungen per Telefon oder Web-Call Center weiter reduziert. Über das Warenwirtschaftssystem sind sämtliche Produktzusatzinformationen und Kundenfeedbacks abrufbar und Informationen zum Bestellstatus können in Echtzeit angezeigt werden.

Wie sich einzelne Maßnahmen im Retourenmanagement auf die Rücksendungsquote und den Gewinn auswirken.
Wie sich einzelne Maßnahmen im Retourenmanagement auf die Rücksendungsquote und den Gewinn auswirken.
Foto: BearingPoint Deutschland GmbH

Die Verpackung machts

Zur Verringerung des Risikos von beschädigungsinduzierten Retouren werden Verpackungen mit hohem Beschädigungsschutz verwendet und ein gewissenhafter Qualitätsprüfungsschritt an Produkt und Verpackung vor dem Versand eingebaut. Zudem sollten Verpackungen möglichst hochwertig wirken, da fabrikneue Kartonagen und ordentlich angebrachtes Klebeband zum positiven Einkaufserlebnis gehören.

Da Produkte im Internet oftmals aus einem Impuls heraus gekauft werden, sollte die Lieferung des Produktes im Rahmen der ausgewiesenen Lieferzeit erfolgen, denn lange Lieferzeiten können dazu führen, dass der Kauf möglicherweise hinterfragt und die Ware retourniert wird oder der Kunde die Ware zusätzlich bei einem anderen Händler mit kürzerer Lieferzeit kauft.

Anreiz- und „Bestrafungsmodelle“

In der Abrechnung helfen kombinierte Anreiz- und „Bestrafungsmodelle“, die Retourenquote zu reduzieren. So werden Kunden, die ihre Waren nur selten retournieren mit Gutschriften auf das Kundenkonto belohnt, während Kunden mit vielen Retouren mit einer Verwarnung oder sogar einer Kontosperrung rechnen müssen. Abschließend lässt sich feststellen, dass Retouren zwar hohe Kosten verursachen, auf der anderen Seite aber der Onlinekauf ohne entsprechende Rücknahmeregelungen ziemlich sicher ausbleiben würde.

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