Umbau ohne neue Unruhe

Siemens-Chef muss Spagat schaffen

02.12.2013
Joe Kaeser muss Siemens nach einem weiteren schwierigen Geschäftsjahr wieder auf Trab bringen. Vorsicht ist dabei geboten. Denn noch mehr Unruhe kann Siemens jetzt nicht gebrauchen.

Siemens-Chef Joe Kaeser geht mit einer langen Aufgabenliste ins neue Jahr. Teure Projektpannen abstellen, mehr Rendite und eine schlagkräftigere Konzernstruktur heißen nur einige der Herausforderungen für den neuen Konzernlenker. Und das Ganze muss Kaeser auch noch möglichst geräuschlos stemmen. Denn nach dem ganzen Tohuwabohu um Chefwechsel, Stellenstreichungen und Vorstandsumbau kann der Technologieriese mit seinen rund 370.000 Beschäftigten nichts weniger gebrauchen als neue Unruhe und Querelen.

Dass Kaeser diesen Spagat schaffen kann, damit rechnen einige. Schon zum Amtsantritt Anfang August startete er mit viel Vertrauensvorschuss der Kapitalmärkte, und seither habe er schon einige Weichen richtig gestellt, meint Christoph Niesel von Union Investment. Dazu gehört die Neuordnung der regionalen Organisation, die Siemens mehr Nähe zu den Märkten und Kunden verschaffen soll. Mehr Effizienz und eine straffere FührungFührung aus der Münchner Konzernzentrale soll zudem eine neue Eingreiftruppe bringen, die unterhalb des Vorstands angesiedelt sein wird. Alles zu Führung auf CIO.de

Über die nächsten Schritte darf nun bis Mai kommenden Jahres spekuliert werden, denn dann will Kaeser Details zur künftigen Konzernstruktur vorstellen. Fondsmanager Henning Gebhardt von der DWS geht das etwas zu langsam. "Herr Kaeser ist ja nicht neu im Unternehmen." Bereits zur Siemens-Hauptversammlung Ende Januar dürfte das Thema ohnehin wieder auf den Tisch kommen, erwartet Gebhardt. Mehr Fokussierung auf renditeträchtige Geschäfte und eine "neue Art der Unternehmenssteuerung" mit sinnvollen Zielvorgaben wünscht sich der Fondsmanager für den breit aufgestellten Elektrokonzern.

Niesel geht davon aus, dass Kaeser die "Politik der kleinen Schritte" erst einmal fortsetzen und große Umbauarbeiten noch etwas hinausschieben wird, auch um jetzt nicht zu viel neue Unruhe ins Unternehmen zu bringen. In ein bis zwei Jahren dürfte sich dann aber herauskristallisieren, welche Geschäfte im Konzern bleiben, welche über die Börse abgespalten oder verkauft und welche zugekauft werden, erwartet Niesel. Kaesers Vorteil dabei: Er kenne die Schwächen und Stärken jedes einzelnen Bereichs, habe eine hohe Kapitalmarkt-Affinität und sei ein glänzender Kommunikator. "Das alles ist eine gute Mixtur, um den Wert des Unternehmens zu steigern."

Die guten Voraussetzungen sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, wie turbulent die ersten Monate seit Kaesers Amtsantritt waren. Nicht nur der Vorstandsumbau mit dem überraschenden Abgang von Personalchefin Brigitte Ederer sorgte für einiges Knirschen im Getriebe, sondern auch die Gehaltsaffäre um Siemens-Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler, der sich im Tauziehen um seine Vertragsverlängerung schließlich geschlagen gab.

Aus dem Konzept bringen ließ sich Kaeser von den Querelen bisher aber nicht. Wo er auftritt, zeigt sich der drahtige Manager selbstbewusst und gelassen, fast staatsmännisch. Sein neuer Job, der ihn in den vergangenen Wochen unter anderem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammenbrachte, macht dem 56-Jährigen sichtlich Freude.

Dabei kann der Niederbayer auch von seiner pragmatisch-bodenständigen und direkten Art profitieren. Bei kritischen Mitarbeiter-Mails soll er schon mal selbst zum Telefonhörer greifen und das Gespräch mit dem Absender suchen. Auch bei seinem Amtsantritt nach dem Wirbel um die Ablösung seines Vorgängers Peter Löscher machte Kaeser nicht viele Umschweife: Gleich an seinem ersten Arbeitstag versuchte er, seine Vorstandskollegen auf seinen Weg einzustimmen, wie er der "Süddeutschen Zeitung" kürzlich erzählte. "Ich habe die Kolleginnen und Kollegen eingeladen zum Gespräch und habe gesagt, das ist jetzt so, wie es ist. Und dann gefragt: Seid ihr denn mit dabei?" (dpa/rs)

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