Cloud Computing


Problematische Cobol-Altlasten

So bringen Sie Altanwendungen in die Cloud

Bernhard Steppan arbeitet als IT-Chefarchitekt bei DB Systel GmbH (Deutsche Bahn) in Frankfurt am Main. Er hat 100+ Artikel und zahlreiche Bücher über C++ und Java verfasst. Er betreibt mehrere Blogs, unter anderem http://steppan.net, http://artouro.org und http://tourbine.com

Ernüchternde Machbarkeitsstudie

Im Fall des fiktiven Touristikunternehmens zeichnet die Studie folgendes Bild: Das besonders geschäftskritische Buchungskernsystem (rot markiert in Abbildung 3) für die Cloud anzupassen, wäre teurer, als es mit heutiger Technologie komplett neu zu entwickeln. Aufgrund der unzureichenden Dokumentation, der schlechten Modularisierung und den wenigen verfügbaren Mitarbeitern, die die Anwendung genau kennen, stehen die Kosten einer Ablösung in keinem Verhältnis zum Nutzen und den Risiken.

Beim Internet-Buchungssystem (orange markiert in Abbildung 3) erbringt die Studie, dass eine Modernisierung der Anwendung ohnehin ansteht und außerdem prinzipiell sinnvoll wäre. Die Anwendung ist jedoch ebenfalls schlecht dokumentiert und hängt stark mit dem Buchungskernsystem zusammen. Da dieses Buchungssystem über keine Services verfügt, müsste entweder ein Serviceadapter für das Buchungskernsystem eingeführt oder ein spezieller Zugang zwischen Cloud und Kernsystem geschaffen werden.

Bei den gelb und hellgrün markierten Java-Anwendungen sieht die Situation anders aus. Die gelb markierten Java-Anwendungen könnten mit hohem Aufwand migriert werden. Aber auch hier überwiegen die Kosten den zu erzielenden Nutzen. Besser sieht die Situation bei den hellgrün markierten Anwendungen aus. Durch ihren modularen Aufbau können sie relativ leicht an eine neue Topologie und Infrastruktur angepasst und mit Services erweitert werden. Da sich die Investitionen in vergleichbar kurzer Zeit amortisieren, beschließt der Reisekonzern, die Cloud-Migration zunächst nur an diesen beiden Anwendungen vorzunehmen, auch um Erfahrung in der Cloud-Technologie mit diesen nicht so kritischen Anwendungen zu sammeln.

Wie im Vorgehensmodell festgelegt, geht es nun darum, die Anwendungen noch genauer als in den vorhergehenden Phasen zu analysieren. Das geschieht unter dem Blickwinkel der wichtigsten Designkriterien für eine Cloud-Umgebung: Unabhängigkeit von Topologien, Serviceorientierung, Unabhängigkeit vom Dateisystem, zustandslose Sessions und Services, Infrastrukturunabhängigkeit und Portabilität. In dieser Phase wird möglichst genau geschätzt, was geändert werden muss, um diese Hauptkriterien zu erfüllen. Zudem kalkuliert das Projektteam, welcher Aufwand sich daraus ergibt. Danach stellt der Projektleiter in Zusammenarbeit mit den Architekten eine Zielarchitektur sowie einen Zeit- und Ressourcenplan auf.

Diese Phase kann weitere Erkenntnisse liefern, die in der Machbarkeitsstudie übersehen wurden. Gegebenenfalls müssen die Erkenntnisse der Studie dann nochmal angepasst werden. Im Fall des Reisekonzerns gehen wir davon aus, dass die Analyse und Planungsphase keine neuen Erkenntnisse bringt und die eigentliche Transformation beginnen kann. Hier bietet sich für jedes Projekt ein iteratives Verfahren an, bei dem die Anwendung nach der Maßgabe der Analysephase in überschaubare, fachlich getrennte Bestandteile zerlegt und qualitätsgesichert wird.

Vier wichtige Unternehmensanwendungen (dunkelgrün) sind bereit für die Cloud (Abbildung 4).
Vier wichtige Unternehmensanwendungen (dunkelgrün) sind bereit für die Cloud (Abbildung 4).

Im Rahmen des Projekts werden die zwei bestehenden Anwendungen mit ihren Nachbarsystemen um Serviceschnittstellen erweitert. Das Design der Schnittstellen orientiert sich hierbei an den Geschäftsprozessen. Die neuen Schnittstellen ersetzen alte Cloud-untaugliche Datei- und Datenbankschnittstellen. Des weiteren werden alle topologischen und infrastrukturbezogenen Abhängigkeiten beseitigt. Nachdem die neuen Schnittstellen implementiert und getestet sind, hat sich die IT-Bebauung bereits erheblich verändert (Abbildung 4). Als Ergebnis der Sanierung sind nun vier wichtige Unternehmensanwendungen bereit für die Cloud. Eine weitere Anwendung ist als Folge der neuen Services ein zusätzlicher Kandidat für die Cloud-Transformation.

Fazit

Cloud Computing kann die Flexibilität der IT deutlich erhöhen. Der Weg zu dieser flexiblen IT kann je nach Unternehmen und Anwendungslandschaft allerdings steinig sein. Das Migrationsverfahren, das hier vorgestellt wurde, zeigt einen Weg auf, wie man Altanwendungen strukturiert überprüft, Kosten und Nutzen bewertet sowie die Anwendungen für den Betrieb auf einer Cloud vorbereitet.

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