Schwierige Mitarbeiter überzeugen

So funktioniert Führen mit System

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
In der Sache mag der Chef Recht haben, doch die Mitarbeiter blockieren – diese Situation erfordert systemisches Führen. Das sagen zumindest die Führungskräfte-Coaches Heike Cobaugh und Susanne Schwerdtfeger.
  • Systemisches Führen betrachtet das eigene Team sowie jede andere Abteilung im Unternehmen als eigenes System
  • Die Regeln eines Systems sind nicht immer rational
  • In jedem System müssen Geben und Nehmen ausbalanciert sein
Beim systemtischen Führen geht es darum, jede Abteilung des Unternehmens als System mit eigenen Regeln zu begreifen.
Beim systemtischen Führen geht es darum, jede Abteilung des Unternehmens als System mit eigenen Regeln zu begreifen.
Foto: vege - Fotolia.com

Der alte Chef ist im Ruhestand und der neue erklärt schon nach drei Tagen, dass die Dokumentation ganz anders laufen muss. Offenen Widerspruch bekommt der Neue nicht. Kooperation aber auch nicht. Ergebnis: der neue Chef verbeißt sich in die Frage, warum die Mitarbeiter denn so inkompetent sind. Und die dringend nötige Erneuerung der Dokumentation liegt erstmal auf Eis.

Unlösbar? Nicht, wenn man Heike Cobaugh und Susanne Schwerdtfeger fragt. Sie coachen und trainieren Führungskräfte und schreiben in dem Buch "Vorsicht: Führungsfallen!" über ihre Erfahrungen. Darin geht es auch um systemisches Führen.

Das bedeutet, das eigene Team wie auch das Unternehmen als System mit eigenen Regeln zu begreifen. Kurz gesagt: Wer glaubt, es gehe beim Führen beziehungsweise überhaupt im Arbeitsleben nur um die Sache, wird scheitern.

Der Rat der Trainerinnen an Führungskräfte lautet: "Jedes System hat ein besonderes Bewusstsein, eine Nutzenerwartung, ein ganz besonderes Interesse, das nur darauf wartet, von Ihnen entdeckt zu werden." Im Fall der Neuerungen in der Dokumentation kann der Widerstand einzelner Teammitglieder beispielsweise darin liegen, dass sie zu viel zu tun haben, um sich in ein neues Dokumentationssystem einzuarbeiten. Der neue Chef erkennt aber möglicherweise, dass der Eine oder Andere sehr qualitätsbewusst ist. Er kann diese Mitarbeiter auf seine Seite holen, indem er ihnen aufzeigt, wie die neue Dokumentation die Qualität der Arbeit dieser Abteilung steigern wird.

Führungskräfte sollten sich folgende vier Fragen stellen:

  1. Welche Mitglieder befinden sich in welchem System? (Die eigene Abteilung ist ein anderes System als etwa der Vorstand.)

  2. Wie reagiert das jeweilige System auf mein Handeln?

  3. Welche Gründe haben die Systemmitglieder für ihr Handeln?

  4. Wie muss mein Handeln aussehen, damit das jeweilige System in meinem Sinne reagiert?

Im geschilderten Fall der neuen Dokumentation hilft es, sich eine Befürworter-Gegner-Matrix anzulegen. Dabei geht es nicht nur darum, die Teammitglieder einzuordnen, sondern auch, die Gründe für ihre Haltung zu erfragen.

Hier ist der neue Vorgesetzte selbst gefordert. So mag sich einer der Mitarbeiter besonders massiv gegen das neue Dokumentationssystem sträuben. Die Trainerinnen raten, diesen beiseite zu nehmen und direkt zu fragen: "Was erwarten Sie von mir?" Möglicherweise stellt sich heraus, dass eben dieser Kollege sich selbst immer als heimlichen Experten auf dem Gebiet Dokumentation empfunden hat. In diesem Fall kann ihm die Auswahl der neuen Dokumentations-Software übertragen werden. Er wird sich nicht mehr dagegen sperren, sondern die Anerkennung seiner Kenntnisse zu schätzen wissen und die neue Lösung verfechten.

Manchmal muss es der graue Kittel sein

Ein weiterer Punkt sind die Spielregeln, denen die jeweiligen Systeme folgen. Diese sind zu beachten - und das ist manchmal ganz handfest zu nehmen. So sollte ein Business-Manager, der eine Versuchswerkstatt betritt, einen grauen Kittel überziehen. Andernfalls wird er missmutig als "Schlipsträger" beäugt. Hat er eine Vorstandssitzung, kleidet er sich ja auch entsprechend.

In jedem System muss ein Ausgleich zwischen Geben und Nehmen herrschen, erklären Cobaugh und Schwerdtfeger. Schickt ein Chef seine Mitarbeiter zum Beispiel in Wochenendseminare, muss er einen Ausgleich bieten. Der muss nicht zwingend in Geld oder Zeit erfolgen, je nach System reicht ein deutlich ausgesprochenes Dankeschön.

Folgende Checkliste gibt Orientierung:

  1. Im System auf ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen achten.

  2. Der Austausch des Empfangenen und Gegebenen muss gleichwertig sein.

  3. Niemand braucht sofort etwas zurückzugeben, aber das Konto sollte auf absehbare Zeit ausgeglichen sein.

  4. Ein Ausgleich ist, was als Ausgleich akzeptiert wird - hier gibt es keinen allgemeingültigen Maßstab.

  5. Ausgleich bezieht sich nicht immer auf Geld. Auch freie Zeit, Vergünstigungen, Sonderrechte oder schlicht Anerkennung können als Ausgleich gelten.

  6. Oft wird nichtmonetärer Ausgleich sogar höher bewertet als Geld allein.

Die Trainerinnen warnen vor einem Grundsatz-Irrtum beim systemischen FührenFühren: zu glauben, ein funktionierendes System bedeute Ruhe. Ihre Antithese: "Ein ruhiges System ist ein totes System." Möglicherweise haben sich die Mitarbeiter innerlich schon verabschiedet. Alles zu Führung auf CIO.de

Daraus folgt: ein gesundes System ist etwas Dynamisches. Tauchen Störungen auf, dürfen diese nicht ignoriert werden. Dazu Cobaugh und Schwerdtfeger: "Wer diese Dynamik nicht aushält, hat ein Führungsproblem und sollte seine systemische Kompetenz auffrischen."

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