Virtuelle Hardware: Server und Telefonanlagen simulieren

Software mit Sparpotenzial

Reppesgaard studierte in Hannover und arbeitete danach als Reporter und Moderator bei Hörfunk von Radio Bremen zu innen- und jugendpolitischen Themen und in den Bereichen Technologie und Wissenschaft. Seit dem Jahr 2000 lebt er in Hamburg, seit 2001 arbeitet er mit Christoph Lixenfeld im druckreif Redaktionsbüro zusammen.
Geringere Kosten und höhere Flexibilität: Das versprechen Software-Produkte, die Hardware simulieren können. Vor allem bei Servern und Telefonanlagen winken Einsparungen.

Popsängerin Sarah Connor hat eine süße Ballade aufgenommen, die Klavierbegleitung ist schon im Kasten; was noch fehlt, sind die Streicher. In modernen Aufnahmestudios ist dann der Griff zur Computermaus die Regel. Synthesizer-Programme machen aus digitalen Tonfolgen, die über ein Midi-Keyboard auf die Festplatte gebannt werden, große Klänge: Sie simulieren eine Flöte, eine Geige oder ein ganzes Symphonieorchester.

Software statt Hardware - dieses Prinzip machen sich nicht nur Musikprofis zunutze. Schließlich sind Rechner teuer. Systemadministratoren, Entwickler und SoftwareTester setzen darum immer öfter auf virtuelle Maschinen. Beispiel: "GSX-Server 1.0." von VM-Wares. Auf Windows oder Linux-Systemen installiert, simuliert das Programm verschiedene Hardware-Umgebungen. Auch beim Zugang zu vielen Internet-Angeboten helfen virtuelle Server. Rasant wachsende Nutzerzahlen drohen die Zentralrechner erfolgreicher Netzseiten zu überlasten. Der Einsatz virtueller Server verhindert, dass man im Monatstakt den Server-Park erneuern muss, um den Ansturm zu bewältigen. Die Software verteilt die Anfragen an Rechner in dahinter liegenden Computerverbünden, so genannten Clustern. Auf ihnen werden die eigentlichen Aufgaben erledigt und Daten generiert.

Flexibilität bei steigendem Leistungsbedarf

"Linux Virtual Server" (LVS), ein unter anderem vonRed Hat angebotenes Paket, ist eines der bekanntesten Produkte aus der entsprechenden Software-Familie. LVS unterstützt beispeilsweise Audiostreaming, Mail oder Remote-Zugriffe. Real Networks simuliert mit LVS einheitliche Anlaufadressen für Daten von Unterhaltungsangeboten, die auf 20 Knotenrechnern verteilt sind. Das Urlaubsportal Tiscover.com, Österreichs drittbeliebtestes Internet-Angebot mit mehr als 500000 Besuchern täglich, setzt ebenfalls auf einen LVS-Web-Cluster. "Bei steigendem Leistungsbedarf lassen sich leicht neue Server in den Cluster aufnehmen. LVS-Cluster erlauben es, mit massenproduzierter Billig-Hardware ziemlich große Systeme aufzubauen", sagt Henrik Klagges, Partner beim Münchener Technologie-Beratungsunternehmen TNG Tech. "Man profitiert, weil die ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten als der Kauf immer neuer, leistungsstärkerer Einzel-Server."

Auch beim Telefonieren hilft die Computersimulation. Stichwort: Computer Telephon Integration (CTI).Ein handelsüblicher PC ersetzt bei der Verknüpfungvon Telefon und Computer die Telefonanlage. Spezielle Telefonhörer und Headsets etwa von 54 Mitarbeitern bei Q-Marketing in Mülheim sind direkt an die Soundkarte der jeweiligen Computer angeschlossen. Ein internes Netzwerk verknüpft sie mit einem Windows-2000-Server. Er wird durch die CTI-Software von Swyx Communications zum Telefon-Server und verteilt die Sprachdaten.

Telefon-Hardware durch Software zu ersetzen kann sich rechnen - nicht nur, weil sich bestehende Anlagen auf diese Weise erweitern lassen, selbst wenn dieeigentliche TK-Anlage an ihre Grenzen stößt. 18000 Euro hat Q-Marketing für die CTI-Lösung bezahlt; eine vergleichbare TK-Anlage hätte rund 50000 Euro gekostet. Auch die Total Cost of Ownership sinkt. Nach Berechnungen von 3Com, einem Hersteller von Computer-Telefonie-Lösungen, fallen für eine klassische Telefonanlage im Laufe ihrer Nutzung pro Telefon zwischen 1750 und 2500 Dollar Kosten an. Die ließen sich um beinahe die Hälfte reduzieren, weil man auf teure Besuche von Servicetechnikern verzichten kann, wenn sich dieAnlagen-Software von der CD aufrüsten lässt; und bei Inhouse-Umzügen sind keine langwierigen Rufnummer- umstellungen erforderlich. Frank Tinla, IT-Leiter bei Q-Marketing: "Ich habe keine klassische Telefonverkabelung mehr. Da, wo ich meinen Computer einstöpsele, ist mein Arbeitsplatz."

Der Bremer CTI-Anbieter Mioco hat bereits eine virtuelle Telefonanlage im Programm, bei der die Anwender nicht einmal mehr selbst Software installieren müssen. Fünf Bremer Unternehmen, darunter die Lloyd Dynamowerke und der Computernetzwerkspezialist Axolit, testen derzeit das erste Telefonsystem auf ASP-Basis.

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