Projektmanagement


Freigabe, Rollout, Patches

Software richtig einführen

28.06.2013
Von Samuel Moser und
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Sie wollen in Ihrem Unternehmen eine neue Software einführen? Dann sollten Sie nichts dem Zufall überlassen, rät BSI-Experte Samuel Moser. Wir haben die wichtigsten Schritte zusammengefasst.
Samuel Moser ist Softwarespezialist bei BSI.
Samuel Moser ist Softwarespezialist bei BSI.
Foto: Samuel Moser BSI

Die neue Software ist fertig, sie steht kurz vor der Einführung. Der Zeitpunkt ist kritisch: Fehler, die jetzt noch auftreten, können das ganze Projekt ins Wanken bringen. Daher planen Sie die Einführung gut. Erst hier werden Sie feststellen, wie gut Ihre Software wirklich ist. Samuel Moser, Spezialist beim Softwareanbieter BSI AG, hat sich für das Arbeitsbuch des Anbieters einige Gedanken gemacht, wie man eine Software am besten einführt. Wir stellen Ihnen heute die wichtigsten Punkte vor, die Sie beachten müssen.

1. Drehbuch

Nach dem Umsetzen ist vor dem Planen. Für jede Einführung einer neuen Software gilt es, ein Drehbuch zu schreiben, in dem alles Schritt für Schritt festgelegt ist. Die Bestandteile des Drehbuchs sollten sein:

  • Die Planung: Die Verantwortung und Kommunikation zu jedem Zeitpunkt wird geregelt. Sie liefert grobe Zeitpläne und enthält Systemübersichten und -abgrenzungen.

  • Die Aktivitätenliste: Sie ist das Herzstück der Einführung, sozusagen der Regieplan. Auf die Minute genau ist der kritische Pfad der Einführung beschrieben. Vergessen Sie nicht, Ruhezeiten und ab und an Zeit fürs Mittagessen einzuplanen. Ihre Mitarbeiter werden es Ihnen danken.

  • Die Checklisten: Sie stellen die Qualität in der Einführungshektik sicher. Falls Sie einmal nicht weiter wissen, werfen Sie einen Blick in die Checklisten. Abgabe-Checklisten, Hardware-System-Checklisten und Konfigurations-Checklisten machen Ihnen während der Hektik der Einführung das Leben leichter. Vergessen Sie nicht Telefonlisten, auf denen auch die Stellvertreter verzeichnet sind.

  • Der Roll-Back: Er ermöglicht es, bei einem überraschenden Ereignis auf die Altsysteme zurückzugreifen. Entwerfen Sie verschiedenen Szenarien, wann ein Ereignis Sie dazu zwingt. Legen Sie auch einen "point of no return" fest: Ab hier muss das neues System laufen.

  • Der Smoke-Test: Er stellt die Lauffähigkeit der wichtigsten Prozesse sicher und verifiziert damit die erfolgreiche Installation des Systems.

2. Art der Einführung

Auf die Art der Einführung müssen sich alle Beteiligten schon sehr früh im Projekt einigen. Sie können zwischen dem "Big Bang" und der iterativen Einführung wählen. Wird die Software an einem einzigen Wochenende für alle Nutzer eingeführt, spricht man von einem "Big Bang". Diese Art der Einführung eignet sich vor allem bei Web-Applikationen, die keine Schulung erfordern. Gleichwohl besteht das Risiko, dass das System der Volllast nicht gewachsen ist. Müssen doch Nutzer geschult werden, sollten Sie sicherstellen, dass zum Stichtag so viele Anwender wie möglich mit der Anwendung vertraut sind. Der Organisationsaufwand ist im Vorlauf des "Urknalls" recht hoch.

Wird die Software pro Anwendergruppe freigeschaltet, spricht man von einer iterativen Einführung. Das beinhaltet erheblich mehr Planung, denn altes und neues System laufen unter Umständen parallel. Allerdings birgt diese Art der Einführung weniger Risiken, denn Nutzer können noch auf das alte System zugreifen. Experten raten dazu, eine Art Testeinführung mit etwa 50 bis 100 Anwendern zu machen. Die Erfahrungen aus dieser ersten Einführung können Sie auf die gesamte Firma anwenden.

3. Schulung

Das beste System bringt keinen Mehrwert, wenn niemand damit umgehen kann. Führen Sie eine vernünftige Schulung durch. Das kann in einem kaskadenartigen System geschehen. Als erstes werden Kleingruppen gebildet, die aus den Key Usern bestehen. In einer Mischung aus Frontalunterricht und Übungen erlernen sie den Umgang mit dem System. Die Key User wirken als Multiplikatoren für weitere Schulungen und den laufenden Betrieb, denn sie bilden selbst weiter aus und sind die Anlaufstellen bei Fragen. Nehmen Sie sich Zeit für die Key User. Die Schulungen sollte kurz vor der Einführung erfolgen, damit nicht zu viel Zeit verstreicht. Führen Sie auch regelmäßig Nachschulungen durch und sammeln Sie Fragen im Intranet, rät der Experte.

4. Migration

Möglichst rasche Datenmigration ist wichtig. Die Migration muss minutiös geplant und getestet werden. Alles, was von Hand gemacht wird, muss noch vor der Einführung übertragen werden. Dazu gehören vor allem unstrukturierte Daten: Sie sollten schon frühzeitig im Projekt isoliert und gemeinsam mit den Anwendern für die Migration optimiert werden. Strukturierte Daten aus Altsystem sollten einfach zu migrieren sein, wenn da die Dubletten, veraltete Adressen und fehlende Stammdaten nicht wären. Die Migration bietet dabei eine gute Gelegenheit, veraltete Daten zu korrigieren oder rauszuwerfen.

5. Rollout

Endlich ist es so weit: Die Software wird in der Praxis eingesetzt. Zwar dauert die Einführung selbst nur kurz, aber die Gefahr, Fehler zu machen, ist äußerst groß. Fach, IT, Projektleitungen und Management dürfen sich keine Fehltritte leisten. Sie können die gesamte Einführung gefährden.

Halten Sie sich daher an die "Magic 7" der Einführung:

  1. Freigabe: Qualitätssicherung und Management geben den Startschuss, sobald die Testergebnisse es erlauben und der Rollout-Status erreicht ist.

  2. Installation: Die Software wird auf den Systemen eingespielt. Erstellen Sie eine Datenbank oder bringen Sie sie auf den neuesten Stand.

  3. Migration: Ein Datenumzug dauert meist das gesamte Einführungswochenende. Während dieser Zeit ist der operative Betrieb unterbrochen.

  4. Smoke-Test: Die zentralen Prozesse und Funktionen des Systems werden auf dem Produktivsystem System geprüft. Ist der Test erfolgreich, kann es endlich losgehen.

  5. Übergabe: Das Projektteam übergibt die Verantwortung an die Betriebsorganisation. Der Regelbetrieb startet.

  6. Pilotphase: Zu Beginn müssen Datenqualität, Performance und vieles mehr überwacht werden. Entwickler, Support und Management dürfen sich nicht entspannt zurücklehnen, denn ihre Dienste werden noch gebraucht.

  7. Patches: Kritische Fehler müssen in der ersten Phase des Betriebs sofort behoben werden. Im Idealfall haben Sie diese Patches schon eingeplant und können so schnell reagieren.

6. Betrieb und Support

Scheiden tut weh: Das Projektteam löst sich nun auf, der Applikationsverantwortliche ist nun dauerhaft für den Betrieb verantwortlich. Stellen Sie sicher, dass Sie drei verschiedene Support-Level eingerichtet haben.

7. Messung und Auswertung

Die neue Software ist eine gläserne. Sie muss ständig überwacht werden, damit Sie schnell auf Probleme reagieren können. Systemauslastung, Speicherverbrauch und Netzwerklast müssen permanent beobachtet werden, genau wie das Anwenderverhalten, die Durchlaufzeiten der Prozesse und die Datenqualität. Die Messungen und Auswertungen sind den Applikationsverantwortlichen eine wichtige Hilfe, um durch Nachschulungen sowie Optimierungen von Prozessen, Ergonomie und Performance das Anwenderverhalten zu verbessern.

Wer das alles beachtet, für den sollte der Rollout eigentlich kein Problem mehr darstellen.

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