Gesellschaft

Strebt nach eurem Werk!

03.09.2013
Von Ferdinand Knauß

Erschöpfung kennt keine Grenzen

Wenn das Werk im Vordergrund steht, sorgt es selbst für Pausen - der Leim muss trocknen, die Gedanken müssen sich ordnen - und vor allem ist immer ein Ende absehbar. Das fertige Werk ist ein Ziel, nach dem Erholung wartet. Wenn Arbeiten bis zum pathologischen Ausgebranntsein zur Norm wird, droht das Pensum, das wir uns selbst zumuten, jedes Maß zu verlieren.

Denn die Erschöpfung kennt keine klar erkennbaren Grenzen. Grünewald: "Im Sinne der Erschöpfung sind Pausen keine Gelegenheiten der Regeneration und des Kräftesammelns, sondern Zeitlöcher, durch die das Gefu?hl der Ermattung entrinnen kann." Aus der gleichen Zeit, die man bekanntlich nicht verlängern kann, versucht der auf Effizienz getrimmte Berufstätige immer mehr herauszuholen. Das Ergebnis ist eine besinnungslose Betriebsamkeit, die auch die Freizeit erfasst. Die Wochenenden und Urlaube werden effektiv und bis zum Anschlag für Vergnügungs- und Erholungsprogramme genutzt. Zur Ruhe kommt man gar nicht mehr. Im Brainwash-Deutsch der Business Schools heißt das dann "Zeitmanagement". Ein Wort, das auch die Kanzlerin beim Demografie-Gipfel verwendete. Der Zeitforscher Karl-Heinz Geißler spricht sehr viel treffender von "Zeitverdichtung".

Vielleicht ist die Ablösung des Schöpferstolzes durch den Stolz der Erschöpfung ein Indiz der Dominanz des Finanzsektors im gegenwärtigen Wirtschaftssystem. In der Finanzwirtschaft gibt es kein abgeschlossenes Werk, auf das man stolz sein könnte, sondern nur einen theoretisch unendlich maximierbaren Profit. Geld ist flüssig und bekanntlich hat man nie genug davon. An der Börse "zocken" kann man, wie Uli Hoeneß es nach eigener Aussage tat, "Tag und Nacht".

Lassen sich aus der so genannten Krise möglicherweise grundlegende Lehren für das Arbeitsleben ziehen? Hat sie nicht ihren Ursprung auch in dieser Entgrenzung des Arbeitens zur dauernden Maximierung eines Profits?

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