Online-Fachhochschulen mit anerkannten Abschlüssen

Studenten mit Festgehalt

Holger Eriksdotter ist freier Journalist in Hamburg.
Sechs deutsche Fachhochschulen bieten Grund- und Aufbaustudien auch komplett im Internet an - vor allem für Berufstätige. Auf dem lukrativen Markt für "lebensbegleitendes Lernen" konkurrieren sie mit einer Vielzahl privater Anbieter.

"Das virtuelle Studium ist zwar flexibler - leichter wird es dadurch nicht", stellt sich Rolf Granow dem Vorurteil entgegen, Online-Abschlüsse würden geringere fachliche Anforderungen als Präsenzstudiengänge stellen. Granow, Professor an der FH Lübeck und Leiter des Bundesleitprojekts "Virtuelle Fachhochschule", weiß, wovon er spricht: Er hat den ersten virtuellen FHStudiengang von Anfang an mitentwickelt.

Im letzten Oktober haben die ersten 170 Studenten an sechs Standorten in Deutschland (Berlin, Brandenburg, Bremerhaven, Emden, Lübeck, Wolfenbüttel) das virtuelle Grundstudium "Medieninformatik" aufgenommen. Der international anerkannte Abschluss Bachelor of Computer Science (BSc) kann nach einer Regelstudienzeit von sechs Semestern frühestens im Jahre 2003 erworben werden. Dann soll auch das Aufbaustudium zum Master of Science (MSc) online sein.

Mit allzu vielen Examenskandidaten rechnet Granow bis dahin allerdings nicht. Grund: Das virtuelle Studium richtet sich besonders an Berufstätige, die nur wenig Zeit fürs Studieren aufwenden können. Die Kursbelegungen der Erstsemester bestätigen das: Die Mehrzahl wählte nur einen Teil der angebotenen Module. Die angehenden Akademiker schätzen dabei vor allem die Unabhängigkeit von Zeit und Ort. Rund 80 Prozent des Studiums leisten sie am heimischen PC ab; der Rest (Vertiefungsseminare, Laborzeiten, Prüfungen) findet an der Hochschule statt - ganz im Sinne der Beteiligten fast nur am Wochenende.

Lebensbegleitendes Lernen

"Grundständige" Studiengänge sind hierzulande kostenlos, so will es das Gesetz. Selbst eine "Medienbezugs-gebühr", die die Fachhochschulen für das virtuelle Studium erheben, wurde erst nach Gesetzesänderungen in den sechs beteiligten Bundesländern möglich. Drei bis sechs Module zu derzeit 65 Euro belegt ein Student pro Semester. In den wieder verwendbaren Modulen sieht Granow einen guten Einstieg in den lukrativen Wachstumsmarkt für lebensbegleitendes Lernen.

Es sind vor allem Management- und Business-Schulen, mit denen die öffentlichen Hochschulen um zahlende Kundschaft konkurrieren. Mit der internationalen Anerkennung von Bachelor- und Master-Abschlüssen, ortsunabhängigem Online-Lernen und Englisch als Business-Sprache ist das Angebot gewachsen. Neben privaten Anbietern drängen ausländische Hochschulen und Fern-Unis auf den Online-Bildungsmarkt. Die Gebühren, die gelegentlich auch Unternehmen übernehmen, liegen nicht selten bei einigen Tausend Euro pro Semester.

Die Fachhochschulen, davon ist der Hochschullehrer überzeugt, brauchen beim Werben um Business-Kunden den Vergleich nicht zu scheuen: "Mit unserem Humankapital, der vorhandenen Infrastruktur und der Erfahrung bei der Wissensvermittlung haben wir im Markt für berufsbegleitendes Lernen eine ausgezeichnete Position", sagt Granow. Zudem bestehe eine Kernkompetenz im Vergleich zu anderen Bildungsanbietern darin, Studiengänge mit anerkannten akademischen Abschlüssen bieten zu können.

Deshalb ist für ihn auch klar, dass die Inhalte der WebStudien denen der Präsenz-seminare entsprechen müssen. Für die virtuellen Lernmodule wurde das Curriculum des bestehenden Studiengangs mediendidaktisch aufbereitet und eins zu eins umgesetzt. Die Prüfungsanforderungen sind mit denen des Präsenzstudiums identisch. Neben Chats und News-Foren gehören Audio-Konferenzen und die Online-Betreuung durch die Professoren ebenso zum Angebot wie Treffen vor Ort.

Zwar fürchtete Granow, dass "die Arbeitsbelastung durch ein virtuelles Studium leicht unterschätzt wird". Die Rückmeldezahlen bestätigen das jedoch nicht: Nach dem ersten Semester liegt die Zahl der Studienabbrecher niedriger als beim zeitgleich begonnenen Präsenzstudium.



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