High Performance Computing

Supercomputer-Trends für 2017

19.01.2017
Von Barry Bolding
Was bringt das Jahr 2017 für das Supercomputing? Beim Supercomputer-Spezialisten Cray rechnet man mit vier wesentlichen Trends für das Hochleistungsrechnen.

Bedingt durch die wachsende Wettbewerbsfähigkeit Chinas und die allerorts drastischen Veränderungen der politischen Landschaften hält 2017 einige Unsicherheiten für den High-Performance-Computing (HPC)-Bereich bereit. Auch in diesem Umfeld beweisen bewährte Technologien ihre Stärke und bilden ein stabiles, gegen Erschütterungen weitgehend gefeites, Fundament.

Künstliche Intelligenz & Deep Learning

Obwohl künstliche Intelligenz (KI) ein Lieblingsthema der Marketingwelt und ein lohnendes Feld für Grundlagen- und angewandte Forschung ist, dürfte es sich auch in den kommenden 12 Monaten zu keinem wirklich dominierenden Faktor entwickeln. Wir sind noch weit von der technologischen Singularität entfernt, die so viele Hightech-Experten schaudernd heraufbeschwören. KI-Systeme werden in absehbarer Zukunft nicht aus den Laboren in unsere Alltagswelt gelangen, um dort in bester "Terminator"-Manier unkontrolliert ihr Unwesen zu treiben.

Sehr wohl gilt jedoch, dass maschinelles Lernen und Deep Learning enorme Fortschritte machen und von einigen Unternehmen bereits zur Verbesserung ihrer Prozessproduktivität eingesetzt werden. Obwohl sich die Presse in erster Linie von autonomen Fahrzeugen fasziniert zeigt, wird das Konzept einer Software, die lernt und aus dem Gelernten Schlussfolgerungen zieht, weit über unsere Straßen hinaus Anwendung finden. Ob als Post-sortierender Roboter, Optimierung der Lieferkette oder bei der Öl- und Gasexploration: Deep Learning ist aus unserer hochtechnisierten Welt nicht mehr wegzudenken.

Das marine Seismik-Unternehmen Petroleum Geo-Services (PGS) stieß in Neuland vor, als es 2016 einen Machine-Learning-Algorithmus einsetzte, um seismische Messungen und Analysen in nie gekannter Detailtreue durchzuführen. Erfolgreiche Anwendungen wie diese werden künftig zweifellos häufiger zu sehen sein.

China & die Bedeutung langfristiger Strategien

Auch wenn China bezogen auf die produktive HPC-Infrastruktur noch nicht das Niveau der USA oder Europas erreicht hat, dürfte der Vorsprung des Westens angesichts der chinesischen Aufholjagd bis Ende 2017 erheblich schrumpfen. Unternehmen wie Huawei, Sugon, Lenovo und andere entwickeln sich zu dynamischen Supercomputer-Playern. Schon jetzt werden die ersten zwei Ränge der Top 500 von Systemen aus dem Reich der Mitte gehalten. Und selbst wenn diese Spitzenplätze keine Aussage über die tatsächliche Produktivität erlauben, ist das Signal klar: China hat den Willen und das Wissen, um bei den Supercomputern ganz vorne mitzumischen.

Dabei ist die rasante Entwicklung nicht etwa dem Zufall geschuldet. Sie ist das Ergebnis einer langfristigen strategischen Planung, die über gezielte Investitionen Kompetenzen im HPC-Infrastrukturbereich erwirbt, um darauf aufbauend ein Geschäftsnetz zu knüpfen und neue Märkte zu erobern. Das strategische Modell der Chinesen ist auch in anderen Regionen nicht unbemerkt geblieben. So hat Indien erst kürzlich eine "Made-in-India"-Strategie verkündet, in deren Umsetzung erhebliche staatliche Mittel fließen.

Auch hinter der National Strategic Computing Initiative der US-Regierung und dem Exascale-Programm des amerikanischen Energieministeriums sowie hinter dem Horizon 2020-Programm der Europäischen Union stehen langfristig angelegte Strategien, die das Zusammenwachsen von Deep Learning und Supercomputing zum Ziel haben.

Noch ist nicht ersichtlich, wie schnell die Akteure auf diesem Weg vorankommen, und auch das nächste Jahr steckt voller Ungewissheiten. Werden nationale und regionale Strategien 2017 Fahrt aufnehmen oder eher ins Stocken geraten? Angesichts des dramatischen politischen Wandels in den USA und der anstehenden Wahlen in Europa ist noch unklar, welche Politik die Staaten heute in einem Jahr verfolgen werden und ob der Wille und die klare Ansage zugunsten einer zwingenden HPC-Strategie vorhanden sein werden. Eines jedoch ist klar: Staaten und Regionen mit sorgfältig konzipierten High-Perfromance-Computing-Strategien wie beispielsweise China werden sich bis Ende 2017 einen geschäftlichen und technologischen Vorsprung erarbeitet haben, der nur noch schwer einzuholen sein könnte.

Das Mooresche Gesetz & seine Grenzen

2016 war das Jahr innovativer Prozessortechnologien von etablierten Branchenriesen wie Intel, Nvidia, ARM oder AMD, aber auch von Newcomern aus China. Dieser Trend wird auch 2017 anhalten. Infolge der vom Markt geforderten Performancesteigerung und der Probleme, die sich daraus für CMOS-Komponenten ergeben, wird der Energiebedarf der Prozessoren immer weiter ansteigen. Die klassische Skalierung nach Dennard besagt, dass die Leistung pro Watt zunimmt und dabei dem Mooreschen Gesetz folgt.

In einer Phase, in der die Mooresche Wachstumskurve flacher wird, werden die Chiphersteller Produkte auf den Markt bringen, die mehr und mehr Wärme erzeugen. Der anhaltende Zwang zur Leistungserhöhung wird Innovationen bei der Prozessor-, der Energie- und Kühltechnologie hervorbringen und auch die Systemanbieter dazu bringen, ihre Plattformkonzepte zu optimieren. Das Energiemanagement im Halbleitersektor dürfte somit 2017 - und darüber hinaus - eine der größten Herausforderungen im Bereich der Supercomputer sein.

Der Energiebedarf der HPC-Prozessoren steigt unaufhörlich.
Der Energiebedarf der HPC-Prozessoren steigt unaufhörlich.
Foto: Carol Gauthier - shutterstock.com

Die Cloud der Zukunft: Gemeinsam sind wir stärker

Ein Blick auf die weltweiten Umsatzzahlen zeigt, dass die Cloud-Revolution in vollem Gange ist. Dieser Boom wird auch 2017 anhalten, denn die flexible Reaktion auf Nachfragespitzen im Computingbereich und die einfache Bereitstellung neuer Features sind unschätzbare Vorteile für Entwickler und kleine Unternehmen. Am Supercomputer-Horizont ist die Cloud hingegen noch nicht aufgezogen.

Bei optimaler Ausgestaltung sorgt High Performance Computing im besten Falle für die perfekte Abstimmung von Anwendung und zugrundeliegender Architektur, so dass eine maximale Skalierbarkeit, Produktivität und Performance bei minimalen Gesamtbetriebskosten erzielt wird. Mit Supercomputern lassen sich scheinbar unlösbare Aufgabenstellungen bewältigen und bahnbrechende Erkenntnisse gewinnen. Die Frage lautet nun: Können Cloud und Supercomputing gekoppelt werden, um gemeinsam noch bessere Resultate zu erbringen?

Als Antwort darauf wird es 2017 zu einem Paradigmenwechsel bei der Art und Weise kommen, wie Cloud- und Plattformanbieter die Bedürfnisse einer gerade erst entstehenden Kundenbasis befriedigen. Denn genau wie die Wolken am Himmel stetig ihre Form ändern, bleibt auch ihr technologisches Pendant niemals gleich. 2017 wird das Jahr sein, in dem vermehrt hybride Technologien entwickelt werden. Sie sind die Antwort auf den Wunsch der Wirtschaft nach einer Mischung aus Cloud- und On-Premise-Lösungen und nach einer Möglichkeit, ihre Produktivitätsziele durch die gemeinsame Nutzung von Daten und Ressourcen zu realisieren.

Die Wettervorhersage für das Supercomputing 2017 lautet daher: Teilweise wolkig… (fm)

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