Ein Konzern sucht den Befreiungsschlag

ThyssenKrupp braucht Geld

15.07.2013
Unruhige Zeiten beim hoch verschuldeten Industriekonzern ThyssenKrupp: Der künftige Kurs des Essener Traditionsunternehmens erscheint ungewisser denn je.

Der größte deutsche Stahlhersteller braucht dringend Geld - wie viel ist ungewiss. Alles hängt vom geplanten Verkauf der Stahlwerke in Brasilien und den USA ab. Wie viel Geld bringt das in die leere Kasse? Außerdem braucht das Unternehmen einen Durchbruch bei der Abwicklung der zahlreichen Kartellfälle. Je länger Lösungen auf sich warten lassen, desto mehr steigt der Druck auch auf Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Spekulationen haben Hochkonjunktur.

Die Zeit drängt. Das Eigenkapital ist zuletzt stark geschrumpft - auf nur noch 9,5 Prozent Ende März. "Das ist der mit Abstand niedrigste Wert unter den Unternehmen, die im Dax vertreten sind", schrieb Hiesinger damals den Mitarbeitern.

Besonders bedrohlich: das Verhältnis der Nettofinanzschulden zum Eigenkapital liegt mittlerweile nahe an der Marke von 150 Prozent, ab der BankenBanken einige milliardenschwere Kreditverträge kündigen können. ThyssenKrupp-Sprecher geben sich bei dieser Frage bislang noch betont gelassen. Sie verweisen darauf, dass bei einem Überschreiten die Kündigung keineswegs ein Automatismus sei. Top-Firmen der Branche Banken

Eine Kapitalerhöhung könnte helfen, die Löcher zu stopfen. ThyssenKrupp schließt einen solchen Schritt inzwischen nicht mehr aus. Doch dabei könnte die klamme Krupp-Stiftung um den 99 Jahre alten Stiftungschef Berthold Beitz als Haupteigentümerin aller Voraussicht nach nicht mitziehen. Sie hält mit 25,3 Prozent der Anteile bislang eine Sperrminorität, die den Konzern vor Übernahmen schützt. Sollte diese Hürde wegfallen, befürchten viele, dass Hedgefonds den Traditionskonzern in seine Einzelteile zerlegen könnten.

Als Retterin in der Not wird in diesen Tagen die RAG-Stiftung heiß gehandelt. Zwar versichern alle Seiten unablässig, dass es bislang gar keine Gespräche zu diesem Thema gegeben habe. Allerdings zeigte Stiftungschef Werner Müller bei einem Besuch der Düsseldorfer SPD-Fraktion in dieser Woche auch keine Berührungsängste. Ein solches Engagement sei mit der Satzung der Stiftung durchaus vereinbar, ließ er die um ThyssenKrupp besorgten Landespolitiker wissen. Die unbestätigten Spekulationen rund ums Thema reichen von einer Beteiligung bis zu einer Geldspritze per Darlehen.

Die RAG-Stiftung war 2007 vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen gegründet worden, um Milliarden-Folgeschäden nach dem Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau zu finanzieren. Derzeit ist die Kasse der Stiftung nach dem Börsengang der Chemie-Tochter Evonik prall gefüllt.

Bei Aktionärsschützern stoßen die Spekulationen auf wenig Gegenliebe. "Dann haben wir zwei Stiftungen, die auf laufende Kapitaleinnahmen angewiesen sind", sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Das klingt nach alter Ruhrgebiets-Seilschaft."

ThyssenKrupp dementiert einstweilen heftig, dass an einer Blitzaktion für ein kleine Kapitalerhöhung gearbeitet wird, mit der zumindest die ärgsten Löcher gestopft werden könnten. Vor diesem Hintergrund wird in Finanzkreisen spekuliert, wie ThyssenKrupp alternativ an Geld kommen könnte.

Besonders beliebt ist dabei die Diskussion über zumindest einen Teilverkauf der europäischen Stahlaktivitäten - eine Horrorvision für viele Beschäftigte im Ruhrgebiet und bislang offiziell ein Tabu für Hiesinger. Zudem wird das Gerücht gehandelt, dass Hiesinger sich von einer der Ertragsperlen im Technologiegeschäft trennen könnte. Beim Konzern werden solche Überlegenen zurückgewiesen.

Zunächst muss ohnehin der Verkauf der Übersee-Stahlwerke gelingen. Eigentlich wollte ThyssenKrupp schon im Mai einen Käufer präsentieren. Doch die Verhandlungen sind schwierig. Und es drohen weitere Abschreibungen in Milliardenhöhe. Weitere Belastungen drohen durch neue Kartellstrafen und durch Schadenersatzforderungen. (dpa/rs)

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