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Linux-Projekte

Triumph in München - Kehrtwende in Freiburg

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Außer Spesen nichts gewesen?

Auch in München kann von einer 100-prozentigen Linux-Landschaft keine Rede sein. Es gebe Spezialanwendungen unter Windows, zudem schrieben gesetzliche Vorgaben an manchen Stellen das Microsoft-System vor, berichtete Hofmann. Beispielsweise setzten die Verfahren der Bundesdruckerei für den elektronischen Reisepass bestimmte Produkte und Verfahren voraus. Fingerabdruck-Scanner und das Verschlüsselungsverfahren liefen nur unter Windows. Gleiches gelte für eine Software im Veterinärwesen. Hier sei München verpflichtet, die Anwendung des Landes Bayern zu verwenden: "Das sind Dinge, denen wir uns nicht entziehen können, weil wir nicht Herr der Verfahren sind."

Die Herausforderungen rund um die Arbeit mit Dokumenten, Formularen und Vorlagen habe man in München aber bewältigt - auch wenn es nicht einfach gewesen sei, wie Hofmann einräumt. Schließlich habe sich das komplette Arbeitsumfeld der Nutzer verändert. Im Zuge der Umstellung sei das Projektteam auf so manche Überraschung gestoßen. "Viele Fachbereiche haben das Office-System als Baukasten benutzt", schilderte der Projektleiter. Speziell die Verwendung von Excel als Datenbankersatz sei sehr beliebt gewesen. Diesen Wildwuchs habe man im Zuge von LiMux aufgeräumt. Anwender könnten heute in aller Regel keine Makros mehr programmieren. Außerdem gebe es mit WollMux eine Zentralstelle im System für Vorlagen und Formulare.

Unter dem Strich hat sich der Linux-Umstieg für die Stadt München eigenen Angaben zufolge gelohnt. In einer Vergleichsrechnung wurden die Kosten für ein Windows/Microsoft-Office-Szenario auf 34 Millionen Euro, der Aufwand für Windows und OpenOffice auf knapp 30 Millionen Euro beziffert. Dagegen habe die 2002 beschlossene Linux-Umstellung insgesamt weniger als 23 Millionen Euro gekostet.

Für Freiburg hat sich dagegen das 2007 begonnene Linux-Abenteuer als finanzielles Desaster entpuppt. Zwar seien nach der letzten Lizenzrunde für Microsoft Office rund 800.000 Euro an Lizenzgebühren eingespart worden. Dem ständen jedoch Kosten von 730.000 Euro für die Einführung von OpenOffice gegenüber. Dazu kämen dem Gutachter zufolge Effektivitätsverluste in Höhe von etwa 2,5 Millionen Euro. Die Rückkehr zum Office-Paket von Microsoft werde in den kommenden Jahren zirka 900.000 Euro für Lizenzen, Schulungen und Anpassungen von Vorlagen kosten.

Auch wenn in beiden Städten jetzt ein vorläufiger Schlussstrich unter die Linux-Vorhaben gezogen scheint, werden die Diskussionen mit Sicherheit weitergehen. In München werde es sich 2013 darum handeln, den Linux-Betrieb im IT-Alltag effizient zu etablieren, so die Vorgabe Hofmanns. Dass dabei alles reibungslos verläuft, ist längst nicht ausgemacht.

Die CSU-Opposition im Münchner Stadtrat hat bereits einen IT-Gipfel gefordert, um die LiMux-Nutzung, dabei auftretende Hemmnisse und Probleme insbesondere in der Kompatibilität und Kommunikation mit Behörden außerhalb des Hoheitsbereichs zu analysieren. Seit der Einführung von LiMux habe es immer wieder Probleme gegeben, so der Vorwurf. Der Ausfall von Systemen führe regelmäßig zur "vollständigen Arbeitsunfähigkeit". "Die ist den Mitarbeitern und den Kunden nicht mehr zuzumuten."

Im Breisgau schimpfen vor allem die Linux-Befürworter. Nachdem sich Linux-Verbände bereits im Vorfeld vehement gegen eine Rückkehr zu Microsoft-Produkten ausgesprochen hatten, kritisierten sie die Entscheidung als "Rückschritt hin zu proprietärer geschlossener Software". Viele der Thesen im Gutachten seien bereits im Ansatz falsch. Zudem sei kein Experte für freie Software und Open Source zu Rate gezogen worden. Freiburg habe die Chance verpasst, lokale Wirtschaft und Unternehmen zu stärken, kritisierte die Freiburger Piratenpartei. André Martens, deren Direktkandidat für die Bundestagswahl 2013, sagt:"Diese Entscheidung ist haarsträubend, die politische Signalwirkung verheerend."

(Computerwoche)

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