Deutsche Gründerszene

Unmut bei Startups

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Die Gründerszene in Deutschland wird weiblicher, internationaler und weniger Berlin-lastig. Doch Startups fordern weniger Hürden und ein Wagniskapitalgesetz.
  • Gründerkompetenz wird nur FDP-Chef Lindner zugeschrieben
  • 15 Prozent der Startups sind in der IT- und Softwareentwicklung tätig
  • Aufsteigerregion des Jahres ist Hannover/Oldenburg
  • 1,1 Milliarden Euro an externem Kapital flossen in diesem Jahr
  • Kickern und Mate sind nur Klischees
Die Grafik zeigt, dass deutsche Startups deutlich stärker im B2B-Bereich aktiv sind als im Geschäft mit Endverbrauchern.
Die Grafik zeigt, dass deutsche Startups deutlich stärker im B2B-Bereich aktiv sind als im Geschäft mit Endverbrauchern.
Foto: BVDS/KPMG

Der Bundesfinanzminister platziert sein Grußwort dieses Mal nicht auf Freundespapier. Das dürfte ungewohnt sein für ihn und unterstreicht die Besonderheit einer Szene des Wirtschaftslebens, deren Wirklichkeit zwischen Mate, Kicker, Sweaters und der mühseligen Suche nach Wagniskapital oszilliert. Einer Szene, die geprägt ist von einer immensen Begeisterung für Christian Lindner. Und in der Wolfgang Schäubles CDU kaum glänzt.

Obwohl dieser in seinem Grußwort doch auch gute Nachrichten über ein "Eckpunktepapier Wagniskapital" hinaus zu verkünden weiß: "Dazu haben wir 2016 zwei neue Fonds aufgelegt: den Coparion-Fonds und die ERP/EIF-Wachstumsfazilität", schreibt der Minister. "Mit EXIST, INVEST und dem High-Tech-Gründerfonds verfügen wir bereits über recht erfolgreiche Programme für Startups."

Nur 12 Prozent billigen Merkel Gründerkompetenz zu

Schäubles Grußwort steht also dem "Deutschen Startup Monitor" voran, der zum vierten Mal erschienen ist und nach eigenen Angaben 1224 Startups und 14.513 Mitarbeiter repräsentiert. Initiator der Studie ist der Bundesverband Deutsche Startups (BVDS), Herausgeber sind die Analysten von KPMG, Autoren ein Forscherteam der Universität Duisburg-Essen um Professor Tobias Kollmann, dessen Forschungsschwerpunkt E-Entrepreneurship ist.

Zufrieden mit den von der Politik gebotenen Rahmenbedingungen sind die befragten Startups offensichtlich nicht, was sich in der Wahlumfrage unter Gründern widerspiegelt. Nur 20,7 Prozent würden die Union wählen, gar nur 11,2 Prozent die SPD; dafür 28,6 Prozent die FDP und 22,1 Prozent die Grünen. Gründerkompetenz sprechen 47,4 Prozent dem FDP-Chef Lindner zu, 26 Prozent gar niemandem und 12 Prozent Bundeskanzlerin Angela Merkel. Alle anderen Politiker schneiden schlechter ab.

Venture-Capital-Gesetz muss her

"Wir müssen unbedingt die Investitionsbedingungen verbessern, damit der Investitionstrend langfristig bestehen bleibt und somit zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Startups führen kann", fordert BVDS-Chef Florian Nöll in der Studie. "Hierfür brauchen wir ein Venture-Capital-Gesetz." Eine klare Ansage an die Bundesregierung, die zum Selbstverständnis von Verband und Studie passt. Diese soll nämlich laut Nöll folgendes sein: "ein Kompass, der der Politik eine Orientierung gibt, was sie tun kann, damit Gründen in Deutschland einfacher und erfolgreicher wird".

Die Forderungen der Startups an die Politik in der Übersicht.
Die Forderungen der Startups an die Politik in der Übersicht.
Foto: BVDS/KPMG

Jeder Fünfte der Befragten erwartet von der Politik einen Abbau von regulatorischen und bürokratischen Hürden. Jeweils gut 13 Prozent fordern weniger Steuern und eine Unterstützung bei der Kapitalbeschaffung. Gut 11 Prozent hätte gerne Unterstützung im Bereich Wagniskapital. Aktuelle Herausforderungen sehen die Startups im Vertrieb beziehungsweise bei der Kundengewinnung (20,2 Prozent), bei der Produktentwicklung (18,2 Prozent) und beim Wachstum (15,5 Prozent). Die Kapitalbeschaffung nennen 12,4 Prozent.

Weniger Gründungen von Startups

Offensichtlich ist, dass derzeit von einer "Gründerzeit" in Deutschland keine Rede sein kann. Im Startup-Monitor wird hierzu auf den aktuellen Gründungsmonitor der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verwiesen, der die Gründungsquote im Jahr 2015 mit 1,5 so niedrig ausweist wie sonst nur im Jahr 2012. Zum Vergleich: 2002 und 2003 lag der Wert, der den Anteil der Existenzgründer an der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren misst, bei fast 3 Prozent.

Drei Merkmale definieren Startups

Demgegenüber ist der Befund für die Gründer-Untergruppe der Startups im Monitor deutlich positiver. Definiert werden Startups in der Studie anhand dreier Merkmale: jünger als zehn Jahre, innovativ hinsichtlich Technologie oder Geschäftsmodell, signifikantes Mitarbeiter- oder Umsatzwachstum. Von dieser Definition abgedeckt wird ein breites Spektrum an Unternehmen. Gleichwohl überwiegt in der Studie der auf digitale Geschäftsmodelle fokussierte Bereich.

15 Prozent der befragten Startups sind in der IT- und Softwareentwicklung tätig, 10,2 Prozent im Bereich Software-as-a-Service (SaaS). Der industriellen Technologie respektive Produktion widmen sich 8,9 Prozent, dem E-Commerce 8,7 Prozent. 6 Prozent agieren im Segment Consumer Mobile/Web Application. Neben diesen IT-lastigen Gefilden sind auch Unternehmen aus der Bio-, Nano- und Medizintechnologie, aus der Beratung und aus der Medien- und Kreativwirtschaft stark vertreten.

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