Angriff auf Microsoft

VMware will Betriebssysteme abschaffen

25.11.2010
Von Hartmut  Wiehr

Eduard Glatz, Schweizer Professor an der ETH Zürich und Autor des Buchs "Betriebssysteme" (dpunkt Verlag), resümiert: "Betriebssysteme und Virtualisierungssoftware leisten nur im übertragenen Sinn das Gleiche. Während Virtualisierungssoftware die Hardware auf konkurrierende Gastbetriebssysteme aufteilt, macht dies das Betriebssystem auf konkurrierende Applikationen." Virtualisierungssoftware und Betriebssysteme seien architekturmäßig verschiedene Schichten, wie bei IBM-Großrechnern seit Längerem ersichtlich. Allerdings könne es sinnvoll sein, diese zwei Schichten optimal aufeinander abzustimmen und sie, so gesehen, auch zu einem Produkt zu verschmelzen.

Bei VMware ist man der Ansicht, dass die Bedeutung der Betriebssysteme weiter abnehmen werde. Schon jetzt habe ja der Hypervisor komplett die Kontrolle der physikalischen Infrastruktur der Rechner übernommen, meint Jörg Heske, Geschäftsführer von VMware Deutschland. Gerade Windows-Betriebssysteme schleppten viele überflüssige Funktionen mit. So habe der durchschnittliche Windows-Service-Manager etwa 150 Dienste laufen, die von 90 Prozent der Anwendungen nicht benötigt würden. Überdimensionierte Betriebssysteme stellen laut Heske auch ein Sicherheitsrisiko dar, da sie Hackern zu viel Angriffsfläche bieten.

Im Sinne der Anwender sei es deshalb, die klassischen Betriebssysteme langfristig abzulösen. Heske verweist auf die zunehmende Zahl von Virtual Appliances, bei denen einer Applikation gerade mal die Betriebssystemfunktionen, meistens auf Linux-Basis, mitgegeben würden, die unbedingt erforderlich sind. Solche vorfabrizierten, möglichst schlanken Anwendungen plus etwas Steuerungssoftware bietet die VMware-Homepage auf dem "Marketplace Virtual Appliances" an. Mehr als 1000 Stück sollen es bereits sein, auch einsetzbar für Cloud-Umgebungen.

Bei Microsoft sieht man naturgemäß die Rolle eines Betriebssystems ein wenig anders. Auf Basis einer Hardware-Plattform gehe es darum, sie so umfassend wie möglich für Endbenutzer und Administratoren beziehungsweise für Applikationen nutzbar zu machen. Für Ralf Schnell, der bei Microsoft Deutschland den schönen Titel eines "Technical Evangelist" trägt, ist eine Virtualisierungsschicht eine Ergänzung zum Betriebssystem, die es erlaubt, dass mehr als eine Betriebssysteminstanz auf die gleiche Hardware zugreift. Konsequent hat Microsoft den Hypervisor "Hyper-V" als eine Extension zu Windows Server 2008, Release 2, organisiert - letztlich allerdings mit den identischen Aufgaben, wie sie die Hypervisoren von VMware und anderen Anbietern ausführen.

Hyper-V für Windows

Hyper-V ist mit etwa 100 Megabyte noch schlanker als das Pendant bei VMware. Das geht aber nur, weil die Verzahnung mit dem Betriebssystem extrem eng ist. Schnell betont denn auch im Gespräch immer wieder, dass Hyper-V keine Funktionen von Windows übernehme. Anwendungen ließen sich nun mal nur auf Basis eines Betriebssystems zum Laufen bringen. Das sei "Stand heute" so. In Zukunft könne sich das aber durchaus ändern.

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