Carve-out

Was der CIO bei der Abspaltung eines Geschäftsbereichs beachten muss

15.07.2016

Abspaltung in acht Schritten

In der Umsetzungsphase sollte der CIO sein Augenmerk besonders auf die folgenden acht Bereiche legen:

  • Asset-Aufstellung und Applikations-Baselining: Welche Hard- und Software ist vorhanden und welche kommt tatsächlich zum Einsatz im jeweiligen Geschäftsbereich?

  • Netzwerk-Segregation: Wie lässt sich das Netzwerk teilen, ist es sinnvoll, ein neues Netzwerk aufzubauen?

  • Programm-Management: Aufsetzen eines Carve-out-Projekts der Tochter, damit die Konzernmutter nicht die Aufgaben der Tochtergesellschaft übernimmt und letztere in den eigenständigen Betrieb überführt wird.

  • Testing: Aufbau einer Testumgebung und Durchführung von Test Cases für die neue Tochter. Der CIO sollte darauf achten, dass keine zusätzlichen Testszenarien hinzukommen, die nichts mit dem Carve-out zu tun haben.

  • Cloud & Server Build: Schaffung einer Server- und Storage-Basis für die Applikationen der neuen Tochter. Gegebenenfalls Cloud-Lösung abweichend von No-Betterment-Maxime favorisieren.

  • Cutover Tracking und Orchestrierung, um den Überblick über den Status und die Abfolge der Aktivitäten zu behalten.

  • Cloning/Bereinigung des ERP-Systems und weiterer Applikationen: Differenzierung zwischen Fachapplikationen, die nur der auszugliedernde Geschäftsbereich einsetzt, und gemeinsam genutzten ("Shared") Applikationen. Während Fachanwendungen einfach in das neue System übergehen, sind Shared Applications aufwändiger aus dem gewachsenen System herauszutrennen. Für SAP-Anwender gibt es zur Trennung der Systeme Werkzeuge von Drittanbietern wie SNP Schneider Neureither & Partner. Bei Kernapplikationen wie E-Mail hat sich als Best Practice bewährt, den Mitarbeitern der neuen Tochter parallel zu ihren Bestandskonten neue E-Mail-Konten und -Adressen einzurichten.

  • Security & IAM: Ausstattung der neuen Tochter mit einer neuen IT-Sicherheitsinfrastruktur.

Möglichkeiten, einen Carve-out durch Innovationsschritte zu optimieren

Auch wenn es von der oben beschriebenen Maxime des "No Betterment" abweicht, sollte der CIO in jedem Fall prüfen, ob eine Innovation für ein Carve-out-Projekt besser und günstiger ist als die Replikation des Bestehenden.

Das "No Betterment"-Konzept, das noch aus dem 20. Jahrhundert stammt, berücksichtigt nicht das inzwischen extrem hohe Fortschrittstempo in der IT und gilt zunehmend als überholt. So kann aufgrund technischer Fortschritte und eines rapiden Kostenverfalls beispielsweise durch Cloud-Angebote heute eine Innovation nicht nur angeraten, sondern sogar gegenüber dem "No Betterment" kostenneutral sein.

Welchen Weg der CIO beim Carve-out schlussendlich verfolgt, hängt stark vom jeweiligen Ziel ab: Soll der auszulagernde Bereich an einen anderen Konzern verkauft und die IT somit integriert werden oder wird ein selbstständiger Betrieb mittels Private-Equity-Kapital oder durch einen Börsengang angestrebt. In beiden Fällen kann die Nutzung von Cloud-Services sinnvoll sein, um Dis-Synergiekosten zu senken.

So ist es beispielsweise denkbar, eine bestehende Office-Installation in eine Office-365-Anwendung zu überführen. Das hat den Vorteil, dass der neue Betrieb die Leistung komplett von Microsoft bezieht und bei der Einführung und Integration der gewünschten Cloud-Services von seinem Cloud-Dienstleister unterstützt wird.

Auch bei SAP-Umgebungen ist es sinnvoll, über Innovationsschritte nachzudenken. Häufig stehen SAP- Anwenderunternehmen vor der Optimierung gewachsener Strukturen, Prozesse und IT-Systeme. Der Carve-out ist eine Gelegenheit, innerhalb kurzer Zeit eine standardisierte, harmonisierte und konsolidierte Prozess-, Daten- und Systemlandschaft zu realisieren.

Kraft Foods, einer der größten Lebensmittel-Konzerne weltweit, beschloss vor vier Jahren die Aufspaltung in zwei Teile: Das reine Lebensmittelgeschäft im amerikanischen Heimatmarkt fungierte fortan unter der Bezeichnung Kraft Foods Group, das Geschäft mit Snacks und Süßwaren (u.a. Milka-Schokolade) unter dem neu gegründeten Unternehmen Mondeléz.

HPE unterstützte die Planung und Umsetzung einer Next-Generation-Infrastruktur für die beiden Unternehmen. In weniger als neun Monaten wurden folgende Innovationen realisiert:

  • Aufstellen von mehr als 1000 neuen Servern und Einrichtung von 300 Terrabyte Speicherkapazität

  • Installation von fünf SAP-Landschaften und 350 Anwendungen

  • Schaffung von zwei dedizierten private Clouds

  • Aufbau einer Sicherheitsinfrastruktur und eines Disaster Recovery Services für das Rechenzentrum

  • Einrichtung von zwei neuen Microsoft-Lync-Collaboration-Infrastrukuren, zwei Active-Directory-Domains und zwei Software-Distributions-Infrastrukturen

  • Einrichtung von 40.000 neuen E-Mail-Accounts für Mondeléz-Mitarbeiter und Transfer von Kraft-Food-E-Mail-Accounts in die Cloud.

Virtualisierung und der Einsatz von Cloud-Services trugen maßgeblich zu einer zeit- und budgetgerechten Umsetzung der Transformation bei. Mondeléz verfügt heute über eine äußerst flexible Infrastruktur, die es ermöglicht, weitere Konzernbereiche einzubinden oder Teilbereiche bei Bedarf auch wieder auszulagern.

Fazit

Ein Carve-out ist für den CIO stets eine große Herausforderung, da er die IT des auszulagernden Bereichs nicht nur wirtschaftlich bewerten, sondern sie auch technisch so vorzubereiten muss, dass sie abgespalten funktionsfähig ist. Je nach dem vorgegebenen Szenario hängt es davon ab, auf welche Weise sich Dis-Synergiekosten möglichst gering halten lassen. Innovation beispielsweise durch die Nutzung von Cloud Services können für den CIO heute - der "No Betterment"-Doktrin zum Trotz - ein probates Mittel sein.

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