Gefahren der Digitalisierung

Wenn Hacker den Verkehr lahmlegen

17.08.2015
Von Ina Karabasz und Christof Kerkmann

Sicherheit hält nicht mit Vernetzung Schritt

Doch die Sicherheit hält mit der Vernetzung vielfach nicht Schritt. Wie brisant die Gefährdungslage ist, illustriert die Simulation von Sophos. Bei der Modelleisenbahn registrieren die Sicherheitsforscher schon eine Viertelstunde nach dem Start mehr als 700 Angriffe auf die Steuerungsanlage, bei denen die Hacker das Standardpasswort überwunden haben. Tausende ähnliche Systeme sind weltweit im Einsatz.

Sophos will mit der Simulation Erfahrungen sammeln. "Wir wissen, dass wir die Steuerungsanlagen schützen müssen, aber noch nicht genau, wie", sagte Chester Wisniewski, Sicherheitsberater der britischen Firma. Zum einen geht es darum, wie die Angreifer die Systeme auskundschaften, zum anderen darum, was sie nach einem erfolgreichen Einbruch tun. Fünf bis sechs Wochen ist das System online.

Betreiber und Hersteller von Industrie-Anlagen haben noch ein zusätzliches Problem zu lösen: Der Lebenszyklus der Steuerungen ist viel länger als der von IT-Systemen. "Selbst wenn wir morgen absolut sichere Weichen liefern würden, würde es 20 bis 25 Jahre dauern, bis sie im ganzen Land eingesetzt werden", sagte Wisniewski.

Der Schutz gegen digitale Gefahren ist ein einträgliches Geschäft. Durch die Vernetzung der Industrie 4.0 entstehe ein "enormer Bedarf" für die Absicherung, bemerkte Hans-Peter Bauer von Intel. Der Konzern will den Umsatz mit der Absicherung von Industrie-Anlagen in den nächsten zwei bis drei Jahren um 20 bis 30 Prozent steigern.

Intel hat kürzlich ein System für kritische Infrastrukturen vorgestellt. Die Grundidee: Es lässt nur Prozesse zu, die ausdrücklich erlaubt wurden und auf einer Whitelist stehen. Angreifer könnten so vielleicht schädliche Programmcodes einschleusen, aber nicht ausführen. "Mit unserem System wäre Stuxnet verhinderbar gewesen", ist Bauer überzeugt - also jenes Angriffsprogramm, mit dem mutmaßlich amerikanische und israelische Geheimdienste eine iranische Urananreicherung sabotierten.

"Im Bereich der kritischen Infrastruktur besteht Nachholbedarf, aber nicht überall", sagt Claudia Eckert, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit. Größere Energieversorger etwa seien sich der Gefahr durch Cyberangriffe bewusst, kleinere Stadtwerke nicht unbedingt. Dabei gebe es die Sicherheitstechnologien schon. Allerdings müssten die Firmen Prozesse verändern und bei den Mitarbeitern ein Verständnis für das Problem schaffen. Daran hapere es meist noch. Generell sei sowohl den Herstellern von Industrieanlagen als auch den Unternehmen, die sie einsetzen, klar: "Ohne Sicherheit werden wir langfristig verloren sein."

Doch bei aller Bedeutung der Sicherheit sei eines wichtig: "Wir müssen darauf achten, dass wir uns nicht selber im Weg stehen, weil wir uns zu viele Sorgen machen."

(Handelsblatt)

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