Diversity als Wettbewerbsvorteil

Wer fremde Märkte verstehen will, braucht "fremde" Mitarbeiter

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
In der globalen Wirtschaftswelt können Unternehmen nicht bestehen, wenn sie nur von älteren weißen Männern aus der Mittelschicht geleitet werden. Wer sich neue Märkte erschließen will, hat mehr Erfolg, wenn er deren Vertreter in der eigenen Belegschaft hat. Diese Thesen vertritt der Berater und Autor Edgar Geffroy.
  • Die Angst vor dem Unbekannten beginnt schon bei der Frage Rechts- oder Linkshänder
  • Die Arbeitsplätze sollten die Märkte spiegeln, die das Unternehmen bedienen will
  • Die Frauenquote ist Chance, nicht Strafe
Consultant Edgar Geffroy fordert, Mitarbeiter zur "Herzenssache" zu machen.
Consultant Edgar Geffroy fordert, Mitarbeiter zur "Herzenssache" zu machen.
Foto: Edgar Geffroy

"Lasst uns froh und bunter sein" - diesen Appell schickt Edgar Geffroy in die deutschen Unternehmen. Der Consultant und Autor widmet Diversity in seinem neuen Buch "Herzenssache Mitarbeiter" ein eigenes Kapitel. Darin untersucht Geffroy die Hemmnisse für Diversity und gibt Anregungen fürs Gelingen.

Zunächst interessiert sich Geffroy für die üblichen Lippenbekenntnisse: "Auf Unternehmensebene wird gern betont, dass man über Vorteile statt Vorurteile nachdenken soll, wenn es um das Miteinander geht", beobachtet er. Gleichzeitig gesteht er Entscheidern zu, Bewerber und Partner vorzuziehen, die ihnen selbst ähnlich sind. Das beginnt schon bei der Frage Links- oder Rechtshänder - und ist einfach menschlich.

Aber in einer sich globalisierenden Welt können Unternehmen nicht bestehen, wenn sie ausschließlich von älteren weißen Männern aus der Mittelschicht geleitet werden. Schließlich darf der Kunde ja alles sein. Herkunft und Hautfarbe, Religion und Geschlecht spielen keine Rolle, wenn es um den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen geht. Wer sich also neue Märkte erschließen will, hat mehr Erfolg, wenn er deren Vertreterinnen und Vertreter in der eigenen Belegschaft hat. Geffroy sagt: "Je mehr Vielfalt in einem Unternehmen, desto größer die Zahl der Märkte, die verstanden werden." Entscheider sollten sich zum Ziel setzen, dass die Arbeitsplätze die Märkte spiegeln, die das Unternehmen bedienen will.

Der neue Königsweg zu Diversity

Der Consultant verdeutlicht das an einem Beispiel. Ein Konzern, der eine Vertriebsstruktur in Korea aufbauen will, kann mehrere Manager dorthin schicken. Diese brauchen während ihres Aufenthalts mindestens einen Dolmetscher, der sich "hoffentlich mit den fachspezifischen Termini auskennt". Vertriebsexperten mit Praxis-Erfahrung in Korea und sehr guten Sprach- sowie Kulturkenntnissen sind rar. Gibt es aber jemanden im Haus, der jahrelang dort gelebt hat, mit einer Koreanerin verheiratet ist und seine Kinder zweisprachig erzieht, so ist dieser Mitarbeiter von sehr hohem Wert.

Von so hohem Wert, dass er sich möglicherweise gar nicht von einem einzelnen Unternehmen einspannen lassen möchte, wie Geffroy betont. Independent Professionals (kurz "iPro") nennt er Menschen mit so raren Kenntnissen. Der Consultant glaubt, dass Outsourcing an solche unabhängigen Experten ein neuer Königsweg zur Diversity sein kann. Diese iPros wissen ihre gefragten SkillsSkills zu vermarkten und ziehen die selbstbestimmte Existenz der klassischen Festanstellung vor. Geffroy schätzt, dass "in den letzten zehn Jahren EU-weit einige Millionen iPros die Selbstständigkeit gewählt haben", wobei der Begriff in Deutschland noch nicht gängig ist. Alles zu Skills auf CIO.de

Ein weiteres Stichwort ist die Geschlechterfrage. Der Consultant spricht offen über den "Erfolgsfaktor Frau", weil er Frauen nicht für eine stille Reserve hält, sondern für eine "Geheimwaffe". Bestückt ist diese Waffe mit Fähigkeiten wie Empathie, Besonnenheit, Kommunikationsfähigkeit, Konsensbereitschaft und Kontaktfreude. Geffroy: "Sind das nicht genau die Charaktereigenschaften, die hohe Führungskompetenz garantieren?"

Die Angst der Männer

Dass Deutschland vergangenes Jahr eine 30-Prozentquote für weibliche Aufsichtsräte einführen musste, will der Berater nicht als Strafe verstanden wissen, sondern als Chance. Den Widerstand gegen die Quote kommentiert Geffroy so: "Mir scheint, als hätten die Männer in Führungspositionen Angst um ihre eigenen Aufstiegsmöglichkeiten."

Der Consultant kennt die Argumentation gegen diese Regelung. Die Quote führe nicht nur in Kontrollgremien, sondern unternehmensübergreifend zu Problemen. Eine Position müsse an eine Frau vergeben werden, auch, wenn sich mehrere, besser qualifizierte Männer bewürben. Geffroy: "Diese Meinung steht allerdings auf wackligen Füßen." Denn hätten qualifizierte Frauen solche Positionen früher bekommen, wäre die ganze Quoten-Diskussion überflüssig. "Männer halten in solchen Fragen nun einmal nicht viel von Selbstverpflichtung", seufzt Geffroy.

Nicht das "Fremde", sondern das Unbekannte

Treiber der Diversity müssen auf jeden Fall die Führungskräfte sein, fordert der Berater. Diese brauchen den Mut zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Psychologie. Für Geffroy geht es dabei gar nicht um die Angst vor "dem Fremden". "Schließlich vertrauen wir in allen Fragen auf Wikipedia, dem gebündelten Wissen von Fremden", sagt er. Sondern es geht um die Angst vor dem Unbekannten. Und um solche Fragen: Wie wird sich unsere Gesellschaft oder auch unser Unternehmen unter neuen Aspekten verändern? Muss ich Opfer bringen, obwohl ich es gar nicht möchte?

Früher musste ein Unternehmen dem Wettbewerb einen Schritt voraus sein - heute muss es den Bedürfnissen der Kunden einen Schritt voraus sein, wie die Erfolge von Facebook und Apple beweisen. Dazu Geffroy: "Genau an diesem Punkt setzt Diversity an. Man ist anders, man denkt anders - und wird bereits dadurch zum Gewinn. Wenn möglichst viele unterschiedliche, subjektive Weltanschauungen miteinander kollidieren, kann durch sanfte Explosion Neues entstehen."

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