Bosch-Geschäftsführer Kübel
"Wer zehn Stunden im Büro ist, muss nicht der Leistungsstärkere sein"
Was bedeutet maximaler Freiraum für IT-Mitarbeiter?
Christoph Kübel: Wir bekennen uns zu einer flexiblen und familienbewussten Arbeitskultur, in der mobiles Arbeiten einen hohen Stellenwert hat. Das liegt auch bei IT-Spezialisten hoch im Kurs. Die meisten Mitarbeiter in Deutschland können Arbeitsort und -zeit selbst festlegen, sofern es ihre Aufgabe zulässt - egal ob zu Hause, im Zug oder Café. Es steht die Ergebnisorientierung im Mittelpunkt, so dass es keine Rolle spielt, von welchem Ort aus die Mitarbeiter arbeiten.
Mobiles Arbeiten
Es hat sich so eingespielt, dass viele Mitarbeiter im Schnitt rund einen Tag von zuhause aus arbeiten. Dass doch die meiste Zeit in Büros gearbeitet wird, kann an der attraktiven Büroumgebung liegen, aber auch daran, dass die persönliche Kommunikation eine zentrale Rolle spielt. Mobiles Arbeiten geht für deutlich mehr Bereiche, als man auf den ersten Blick annimmt. Auch in der Fertigung gibt es schon erste Ansätze.
Wie gehen die Führungskräfte mit der veränderten Arbeitskultur um?
Christoph Kübel: Auch für die Führungskräfte war es eine längere Reise. Ich selbst bin seit 30 Jahren Führungskraft und in einer Präsenzkultur groß geworden: Man kam morgens möglichst früh ins Büro und verließ es erst wieder möglichst spät. Heute sind wir der Überzeugung, dass Anwesenheit und Ergebnisse nicht direkt etwas miteinander gemein haben. Wer zehn Stunden im Büro ist, muss nicht besser sein als sein Kollege, der in sieben Stunden extrem effizient arbeitet. Das heißt nur, dass er vielleicht ausdauernder, aber nicht zwingend der Leistungsstärkere ist.
Gehen flexibles Arbeiten und Führung im klassischen Sinn zusammen?
Christoph Kübel: Mittlerweile schon. Anfangs war es für viele Vorgesetzte und auch für mich ein Lernfeld: Ich sehe meine Mitarbeiter nicht, wie soll ich sie steuern? Wir haben bereits früh verschiedene Programme für Führungskräfte initiiert, um flexibles Arbeiten selbst auszuprobieren. So haben wir 2011 ein Pilotprogramm für Führungskräfte gestartet, die mindestens einen halben Tag pro Woche nicht an ihrem Arbeitsplatz verbrachten. Viele haben das Modell im Anschluss beibehalten und standen den Wünschen der Mitarbeiter nach Home Office offen gegenüber. Führungskräfte konnten als Vorbilder so helfen, Vorbehalte abzubauen. Anfangs starteten wir mit 200 Führungskräften, heute ist das Arbeitsmodell in der Breite etabliert.
- Christoph Kübel, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Robert Bosch GmbH
Der studierte Betriebswirt begann als Trainee bei der Robert Bosch GmbH und ist bis zum Personalgeschäftsführer aufgestiegen. Seit vier Jahren ist Kübel als Arbeitsdirektor für 375 000 Mitarbeiter verantwortlich. Der Konzern will in diesem Jahr weltweit rund 14.000 Hochschulabsolventen einstellen, davon 2100 in Deutschland. Fast jede zweite offene Position hat einen Bezug zu IT oder Software. Vor allem steige der Bedarf an Softwareentwicklern für IT-Systeme (etwa Web-Applikationen) oder für Embedded Systems (etwa Sensorsysteme). - Vernetzte Lösungen als Jobmotor
Für gute Arbeitsbedingungen baut Bosch seine weltweit 240 000 Bildschirmarbeitsplätze mit moderner Bürosoftware aus. Ziel ist es, mobiles Arbeiten auch mit aus dem privaten Umfeld vertrauten Social-Media-Anwendungen weiter zu erleichtern. - Bosch-Forschung
Dr. Lutz Bürkle sorgt mit seiner Forschungsarbeit in Renningen für mehr Sicherheit von Fußgängern. Lässt sich ein Zusammenstoß mit einem plötzlich auftauchenden Passanten allein durch Bremsen nicht mehr verhindern, berechnet der von Bürkles Team erdachte Assistent blitzschnell eine Ausweichroute. - Bosch-Forschungscampus Renningen
Viel Raum für spontane Treffen bietet der Bosch-Forschungscampus in Renningen. Dort können sich Mitarbeiter abseits der Schreibtische austauschen. - Unter dem Namen "Inspiring Working Conditions" ...
... entwickelt Bosch Konzepte für die Arbeitswelt der Zukunft. In Feldtests erprobt Bosch neue Arbeitsmodelle, Arbeitsplatzausstattungen und beschäftigt sich mit neuen Anforderungen in Sachen Führung und Zusammenarbeit. Eine zentrale Rolle für das Arbeitsklima spielt auch die Bürogestaltung. Sie soll Rückzugsmöglichkeiten bieten, aber auch den Austausch und die Zusammenarbeit fördern. Mobiles Arbeiten erleichtert es, dass die Mitarbeiter für sich den richtigen Arbeitsort wählen. Dabei gibt es viele Möglichkeiten – etwa im Büro an Stehtischen oder in Lounge-Zonen, genauso wie am Schreibtisch Zuhause. - Bosch Gesundheitsmanagement
Christoph Kübel (erste Reihe, 2.v.l.) ist begeisterter Hobby-Läufer und joggt in der Mittagspause gern auch mit sportinteressierten Mitarbeitern am Konzernsitz Gerlingen-Schillerhöhe. Flexible Arbeitszeitmodelle schaffen bei Bosch entsprechenden Freiraum, den viele Mitarbeiter nutzen. Im Rahmen des Bosch Gesundheitsmanagements bietet das Unternehmen für seine Beschäftigten bundesweit Fitnessangebote zum Erhalt der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit.
Welche Veränderungen zieht die digitalisierte Arbeitswelt bei Ihnen nach sich?
Christoph Kübel: Digitalisierung ist für uns nicht neu, wir gestalten sie vielmehr aktiv mit - etwa mit der Vernetzung von Produkten und Lösungen über das Internet der Dinge. Das erfordert immer mehr Zusammenarbeit über Fachdisziplinen und Geschäftsbereiche hinweg. Dazu fördern wir bereichsübergreifende, hierarchiefreie Teamarbeit. Das verändert Führung. Heute muss ein Vorgesetzter eher ein Leader sein, der seinen Mitarbeiter mehr selbst bestimmen lässt und weniger kontrolliert. Oft gilt es auch, etwas auszuprobieren statt nur zu planen. Andererseits erfordert mehr Selbstbestimmung auch mehr Eigenverantwortung, stärkere Entscheidungsfähigkeit und Selbstorganisation der Mitarbeiter.