Strategien


Aus wenig mach viel

Wie die IT der SOS Kinderdörfer funktioniert

Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Sparsamkeit, Improvisationstalent und langer Atem: Das Leben als CIO einer NGO ist nicht einfach. Doch der Einsatz wird mit mehr belohnt als bloßen Boni.

Wie macht man IT, wenn man kaum Infrastruktur hat, kein geschultes Personal und jeden Cent zweimal umdrehen sollte? Der IT-Chef des Dachverbandes von SOS-Kinderdorf International, Thomas Rubatscher, erzählt von seinem Alltag und den Herausforderungen - und den schönsten Seiten seines Berufs.

Muss sparen können: Thomas Rubatscher, CIO der SOS Kinderdörfer.
Muss sparen können: Thomas Rubatscher, CIO der SOS Kinderdörfer.
Foto: SOS Kinderdörfer

Die IT der Kinderdörfer ist global: Insgesamt koordinieren Rubatscher und sein Team mehr als 1500 Einrichtungen in 133 Ländern, von Lateinamerika bis weit nach Asien, kulturelle Unterschiede inklusive. Die Aufgaben der IT sind vielfältig: Einerseits wird IT-Graswurzelarbeit betrieben. Alle Büros der Verwaltung in den nationalen Vereinen und im internationalen Dachverband und jede Einrichtung - dazu gehören auch Kindergärten, Grundschulen, Krankenhäuser und Berufsausbildungsstätten - brauchen heutzutage eine IT-Ausrüstung. "Wir helfen auch dabei mit, wenn es etwa darum geht, in Uganda ein Büro mit IT auszustatten", erzählt Rubatscher. Das alles muss mit so wenig Mitteln wie möglich geschehen.

Kaum Budget

Das IT-Budget ist bei wohltätigen Organisationen wie SOS-Kinderdorf deutlich niedriger als in "normalen" Firmen: Bei zwei bis maximal zweieinhalb Prozent des Gesamtbudgets liegt es, statt der in der Industrie üblichen vier bis fünf Prozent. "Wir müssen schon sparsamer mit den Geldern umgehen", sagt er. "Das Geld ist immer knapp. Aber man lernt, damit zu leben", sagt der CIO. Manchmal müsse er wegen des geringen Budgets improvisieren: So werden in Asien schon mal Internet-Cafés als Außenstationen für "mobile Datenerfassung" verwendet.

Genügsamkeit gehört zu den Qualitäten eines NGO-CIOs, Abstriche müssen gemacht werden: "Wir verwenden Videokonferenzen intensiv zum Sparen von Reisekosten", sagt er. "Damit schonen wir das Budget und die Umwelt." Auch an der Bild- und Tonqualität werden Abstriche gemacht: Die Einsteiger-Programme seien gut genug. "Wir kommen damit durch", sagt er lachend. Angesichts solcher Hürden, die sich auf jeden Aspekt des Arbeitslebens erstrecken, ziehen sich die Roll-out-Zeiten schon mal hin. Das wird in Kauf genommen: "Die technische Infrastruktur ist in vielen Entwicklungsländern noch so bescheiden, da braucht man viel Geduld", sagt der CIO. "Man lernt auch, sich damit abzufinden."

Für die Sache

Die Sparsamkeit erstreckt sich nicht nur auf die Ausstattung: "Spitzengehälter können wir keine zahlen", sagt Rubatscher. Dennoch gelingt es ihm, Talente anzulocken. "Allein im internationalen Dachverband in Innsbruck habe ich zwanzig Mitarbeiter. Sie sind alle von unserer Mission getrieben und wollen ihren Beitrag leisten, die Lebensumstände unserer Kinder zu verbessern", sagt er. Seine Mitarbeiter seien motiviert - auch wenn sie eher unterdurchschnittlich bezahlt würden. "Aber wer sich bei uns bewirbt, weiß das."

Neben der Motivation, für eine gute Sache zu arbeiten, kann Rubatscher aber noch mit einem anderen Argument punkten: "Wir arbeiten in einem sehr internationalen Umfeld. Bei uns gibt es kaum Firmen in der Nähe, die das bieten können", erklärt er. Dazu gewähre er den Mitarbeitern viel Eigenverantwortung.

Geringere Lizenzgebühren

Gespart wird nicht nur in der Ausrüstung und bei den Gehältern: Als Nichtregierungsorganisation (NGO) haben die SOS Kinderdörfer zudem den Bonus, dass große Unternehmen ihnen schon mal unter die Arme greifen. Häufig gebe es gute Rabatte auf Lizenzgebühren, erzählt Rubatscher. "Viele Firmen unterstützen uns mit Software, Know-How und Beratung zu reduzierten Stundensätzen. Das ist ein großer Vorteil", meint er. Günstigere Konditionen bestimmen auch den Anbieter: "MicrosoftMicrosoft ist zum Beispiel eine Firma, die wohltätige Organisationen großzügig unterstützt, aber auch Firmen wie British Telecom oder Siemens haben schon viel für unsere IT getan", sagt der CIO. Schon schmerzt das kleine Budget nicht mehr so stark. Alles zu Microsoft auf CIO.de

Wissen auslagern

Als wichtigsten Beitrag des Sparens sieht Rubatscher eine ganz starke StandardisierungStandardisierung und Integration der Systeme - weltweit. "Das ist aus der Sicht der Landesvereine nicht immer populär, aber es hilft, die IT Budgets im Rahmen des Möglichen zu halten. Einheitliche, durchgängige Systeme sind einfach billiger zu betreiben und insgesamt einfacher handzuhaben", erklärt der CIO. Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Das Ziel, so wenig Kosten wie möglich zu verursachen, erreicht Rubatscher auch mit Kreativität. Kurzerhand verlagerte er IT-Wissen in die Fachbereiche. "Wir bilden in den Fachbereichen so genannte Business Analysts aus", führt er aus. Vor zwei Jahren hat er das Programm gestartet: "Projektmanager werden von uns geschult, welche Form Requirements haben müssen." So können die Business Analysts besser mit der IT kommunizieren. "Sie liefern uns die Requirements genauso, wie wir sie brauchen. Dadurch läuft die Kooperation zwischen den Fachabteilungen und der IT sehr gut." Zwar braucht man dafür einen langen Atem: Bis alle Fachbereiche einen Kommunikator haben, dauert es. Aber die Zusammenarbeit funktioniere gut.

Weniger Konkurrenz

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis beim Kostensparen ist der intensive Austausch mit anderen NGOs - sie stehen bezüglich IT kaum in Konkurrenz zueinander und ziehen auch sonst oft am gleichen Strang. "Wir haben vor fünf Jahren angefangen, mit anderen Nichtregierungsorganisationen zu kooperieren", sagt Rubatscher. Nun arbeiten die SOS Kinderdörfer über das IT-Konsortium Nethope mit anderen NGOs, Unternehmen und IT-Herstellern zusammen. "Der Wissensaustausch ist sehr wichtig", sagt er. "Zum Beispiel tauschen wir uns in bestimmten Ländern über Erfahrungen mit Internet-Providern aus. In einigen afrikanischen Ländern ist es gar nicht so einfach, einen kostengünstigen Internet-Anschluss zu bekommen." Inzwischen schafften mehrere NGOs auch zusammen Geräte an - die Skaleneffekte wollen auch sie sich zunutze machen, und so bilde man schlicht Einkaufsgemeinschaften, erzählt der CIO.

Doch mit den Alltagsproblemen ist Rubatscher allein.

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