Zu wenige Apps, zu viele GUI-Neuerungen

Windows 8 wird nicht Standard

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.

Es sei Microsoft nicht gelungen, sich mit Windows 8 als relevanter Anbieter in der Ära von SmartphonesSmartphones und TabletsTablets zu positionieren, lautet das harte Verdikt Oppermanns. "Die Positionierung als Windows-Company hat keine Zukunft", so der Analyst. Die Bekanntheit der Marke und die damit verbundenen Attribute seien gegenwärtig mehr Fluch als Segen. Alles zu Smartphones auf CIO.de Alles zu Tablets auf CIO.de

Windows 8 auf jedem vierten Neu-PC

Das einmal dahingestellt, geht Forrester-Analyst Johnson in seiner Studie davon aus, dass Windows 8 niemals auf der Hälfte aller Arbeitsplatz-Rechner zu finden sein wird. Das bedeutet auch, dass Vorgänger Windows 7 nicht zu überholen ist. Nach einer Umfrage unter knapp 1300 IT-Entscheidern in Europa und Nordamerika wird gegen Ende dieses Jahres auf 60 Prozent der neu gekauften Firmen-PCs Windows 7 laufen. Windows 8 wird demnach vorerst auf jedem vierten Rechner zu finden sein. Mac OS X von Apple hat laut Prognose einen Anteil von 6 Prozent, der Rest verteilt sich auf Windows XP, Windows Vista und Linux.

Die Gründe für die Zurückhaltung der CIOs bei Windows 8 sind laut Forrester jene, die seit Monaten diskutiert werden. Sie liegen zum Teil auch außerhalb des neuen Systems. So hat sich Windows 7 in den Augen vieler als solides und stabiles Betriebssystem bewährt, und es herrscht Unsicherheit über den Mehrwert einer Migration für die Unternehmens-IT. Ein Fluch für Windows 8 wurzelt also auch darin, dass Windows 7 so gut ist. Hinzu kommt, dass viele Firmen noch mittendrin sind in ihrem Umstieg von Windows XP auf Windows 7. Diese Anwender wollen zumeist ihr Projekt in Ruhe abschließen. Forrester diagnostiziert zudem eine gewisse „Migrationsmüdigkeit" in vielen Firmen. Der zackige Rhythmus an neuen Produkten überfordert offenbar manche Anwender, zumal für diesen Sommer ja schon die verbesserte Version von Windows 8 angekündigt ist.

Preview Ende Juni

Darauf ist die IT-Welt verständlicherweise höchst gespannt. Microsoft-Kommunikator Shaw hat eine öffentliche Preview für Windows 8.1 für die BUILD-Konferenz Ende Juni angekündigt. Nur ein weiteres Kapitel aus der Rubrik Kommunikationsprobleme sind die widersprüchlichen Informationen des Software-Riesen darüber, ob das Update für die Nutzer kostenpflichtig ist oder nicht. In jedem Fall verwies Shaw auch darauf, dass am ersten Windows 8-Release – immerhin ja ein technologischer Quantensprung – fieberhaft unter großen Zeitdruck gearbeitet werden musste. Es verwies auf die radikalen Neuerungen wie Touch-Screen, Verfügbarkeit auf ARM- und Intel-Geräten, das neue App-Modell und das neue hauseigene Hardware-Angebot. Kinderkrankheiten, so mag man zu Gute halten, können da eigentlich gar nicht ausbleiben.

Womöglich handelt es sich aber auch um chronische Leiden, wie die weitere Diagnose von Forrester Research nahelegt. Denn die Anwender haben zum Teil nicht trotz, sondern wegen der Neuerungen Bedenken. So sorgt man sich in den IT-Abteilungen, ob überhaupt und nach welcher Anlaufzeit die End-User mit dem neuen User Interface mit seinen touch-optimierten Kacheln warm werden. Zwar bietet Windows 8 neben diesem „Modern UI" auch eine klassische Version für die Arbeit mit Windows 7-Anwendungen. „Aber zwischen den beiden Interfaces gibt es kein reibungsloses Nutzererlebnis", moniert Analyst Johnson. Hinzu kommt im Augenblick auf der technischen Seite bekanntlich noch, dass von den End-Usern der Start-Knopf und die gewohnte Menüsteuerung vermisst werden. Man munkelt, dass Microsoft beides in der Version 8.1 wiedereinführen könnte.

IT-Konsumerisierung schafft Nische

In jedem Fall begründen diese seit Monaten bekrittelten Aspekte laut Forrester die Zurückhaltung gegenüber Windows 8. Gleichwohl arbeitet Analyst Johnson auch Mutmacher heraus, die für die Diät-Cola unter den Betriebssystemen sprechen. Im Kern sind es zwei Argumente: erstens die Potenziale von Windows 8 im Tablet-Bereich, wenngleich Johnson hierzu auf dem Soll-Konto die limitierten Kontrollmöglichkeiten für die IT und die Nichtkompatibilität von Windows 7- und Windows XP-Applikationen in Windows RT – der Windows 8-Variante für ARM-basierte Geräte – vermerkt; zweitens der wachsende Einfluss von Endanwender-Wünschen in der Unternehmens-IT, der auch für Windows 8 eine Nische schaffen dürfte.

Nun steht auch nach Forrester-Einschätzung die Dominanz von Android und vor allem iOS bei den mobilen Endgeräten momentan nicht wirklich in Frage. Unverkennbar ist aber, dass sich Microsoft hier mit Windows 8 – möglicherweise die Start-Schwierigkeiten bewusst einkalkulierend – vielversprechend positioniert hat. Forrester hat unter anderem an die 10.000 Wissensarbeiter aus Europa und den USA danach gefragt, welches Betriebssystem sie auf ihrem nächsten Arbeits-Tablet haben möchten. Quer durch alle Einkommensgrößen kommt Windows 8 hier stabil auf einen Anteil von einem Fünftel. Apples iOS liegt durch die Bank vorne, allerdings sinkt die Präferenz von kleinen hin zu größeren Einkommen von 41 auf 29 Prozent ab. Googles Android liegt zumeist bei Werten von unter zehn Prozent, nur unter der Gehaltsgrenze von 50.000 US-Dollar etwas darüber.

Beachtet man, dass es eine vergleichbare große Präferenz für Windows 7 und andere Windows-Systeme gibt, befindet sich Microsoft bei den Tablet-Anwenderwünschen im Grunde auf Augenhöhe mit Apple-iOS. Das ist ein beachtliches Pfund. Wegen des hohen Interesses der Mitarbeiter auch an Windows 8 kann der Support auch dafür laut Forrester auf Dauer kaum verweigert werden. Deshalb stimmt auch die Überschrift unserer Schwesterpublikation, so komisch sie klingt: „Wie man sich auf Windows 8 vorbereitet, auch wenn es nicht ins Unternehmen kommt". Analyst Johnson merkt aber auch an, dass die hohen Life Cycle-Kosten für PCs die Unternehmen ohnehin in Modelle wie Selbstbedienung der Mitarbeiter, Enterprise App Stores und Bring Your Own Device (BYODBYOD) treiben. Weil Windows 8 aber gegenüber Windows 7 keine Kostensenkung verspricht und iOS sowie AndroidAndroid sowieso günstiger in der Wartung sind, stehe das neue Betriebssystem eben nicht oben auf der Prioritätenliste. Alles zu Android auf CIO.de Alles zu BYOD auf CIO.de

Andererseits haben sich fast doppelt so viele IT-Entscheider nach eigenen Angaben vor dem Release überhaupt nicht mit Windows 8 befasst als seinerzeit vor der Windows 7-Markteinführung. Wie ebenfalls Forrester ermittelt hat, glauben nur 29 Prozent daran, dass Windows 8 ein gutes Betriebssystem sein wird. Vielleicht ist es ja wirklich wie am Getränke-Buffet: Man greift zum Apfelsaft, weil er gesund ist und schön süß, zum Rotwein, weil er edel und vollmundig ist, zum Sekt, weil er schön prickelt, oder zum Tafelwasser ob seiner Reinheit. Diät-Cola macht zwar nicht dick – aber was spricht eigentlich für diese Wahl?

Die Übersicht zeigt, welche Attribute IT-Entscheider den verschiedenen mobilen Betriebssystemen zuschreiben.
Die Übersicht zeigt, welche Attribute IT-Entscheider den verschiedenen mobilen Betriebssystemen zuschreiben.
Foto: Forrester Research

Nicht so wirklich viel, wie die mitunter spannendste Forrester-Statistik zeigt. Die Analysten wollten wissen, welche Attribute für verschiedene mobile Betriebssysteme sprechen. Apples iOS hat in diesem Spiel eine Reihe von Trümpfen: die Mitarbeiter-Präferenz, das User-Erlebnis, die Verfügbarkeit nativer Applikationen, der einfache Support, damit auch die Gunst der IT-Abteilung. Android gewinnt in der Kategorie der Gesamtbetriebskosten klar, sogar RIMs BlackBerry triumphiert hier noch – nämlich bei der Sicherheit. Und immerhin in einem Wettbewerb hat sogar Windows 8 die Nase vorn: 43 Prozent der IT-Entscheider sehen in der Kompatibilität mit PC- und Legacy-Anwendungen den großen Wettbewerbsvorteil des Betriebssystems.

Die Studie „IT Will Skip Windows 8 As The Enterprise Standard" ist bei Forrester Research erhältlich.

Zur Startseite