IT-Branche sucht Frauen

"Wir verlieren die Mädchen schon früh"

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Frauen in der IT brauchen Vorbilder. Und möglicherweise hängt die "gläserne Decke" an unerwarteten Orten. Zwei von vielen Erkenntnissen eines Round-Tables der Computerwoche zum Thema "Frauen in der IT". Vier Expertinnen und zwei Experten diskutierten über Stolpersteine in der Karriere wie Kinderbetreuung und Kultur in der Arbeitswelt.

"Meine Kindheit habe ich bei IBM verbracht. Ich bin durch die Gänge des Rechenzentrums gelaufen und habe noch mit Lochkarten Vokabeln gelernt", schmunzelt Simone Funke. Es scheint sie geprägt zu haben: Heute arbeitet Funke bei der IT-Managementberatung Lexta Consultants Group. Sie legt wenig Wert auf einen Exotinnenstatus. Die engagierte Beraterin hat das Frauennetzwerk CIO (f) gegründet, um mehr Frauen in die IT-Branche zu locken. Wie das gelingen kann, ist Thema eines Round-Tables der Computerwoche Ende Januar in München.

Die Diskussion kreist schnell um zwei Aspekte: Kultur und Kinderbetreuung. Letzteres ist nicht nur eine Frage des "ob", sondern auch des "wie". Konkret: mit dem Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesstätte oder dem Kindergarten ist es nicht getan. Kommt das Kind in die Grundschule, stehen die Eltern - und das heißt meist eben doch die Frauen - wieder vor dem Problem der fehlenden Ganztagsbetreuung. Beim Übertritt in die weiterführende Schule genauso. "Und schließlich wollen die Frauen ihre Kinder ja nicht nur einfach untergebracht wissen", sagt Frank Schabel von der Personalvermittlung Hays, "die Qualität der Kinderbetreuung muss stimmen."

Ein Problem, das manche Frauen karrieretechnisch auf die Bremse treten lässt. Sie wollen sich nicht zerreißen lassen, wie Funke beobachtet. Manche Frau allerdings löst es unkonventionell, wie Annette Glaser von Deloitte berichtet: Eine Kollegin etwa nehme ihr Kind samt Kinderfrau mit auf Geschäftsreise. Dieser Ansatz ist sicherlich zeitlich begrenzt, muss zum Geldbeutel passen und nicht jedermanns Geschmack.

Klischees sind noch weit verbreitet

Angesichts des Fachkräftemangels in der IT aber können sich Unternehmen den Verzicht auf Frauen schon lang nicht mehr leisten. Dass die IT-Branche noch so wenig attraktiv ist für Mitarbeiterinnen, berührt den zweiten großen Aspekt: die Kultur. "Unser HR-Report zeigt Ernüchterndes", berichtet Schabel, "männliche Führungskräfte pflegen noch immer Klischees im Umgang mit Frauen. Und Führung heißt für sie oft Kontrolle."

Glaser kann das bestätigen. "Heutige Führungskräfte entstammen typischerweise der Baby-Boomer-Generation. Damit einhergehend wird noch oft eine Anwesenheitskultur präferiert", sagt sie. Allerdings erwartet ihre Deloitte-Kollegin Hanna Brekenfeld in diesem Punkt einen Wandel. Die jüngeren Generationen machen das nicht mehr mit, beobachtet sie. "In Vorstellungsgesprächen erleben wir, dass Home Office und flexibles Arbeiten zur Selbstverständlichkeit geworden sind."

Die Sache mit dem Bindestrich

Brekenfeld führt einen weiteren Aspekt an: die fehlende Begeisterung vieler Frauen für IT. Von ihrer eigenen Ausbildung her weiß sie, dass Frauen in Studiengängen wie Wirtschafts-, Medien- oder anderer "Bindestrich-Informatik" stärker vertreten sind als in der reinen Informatik. Da hakt Herbert Wittemer von der Beratungsfirma msg ein. "Man kann jetzt sogar Kultur-Informatik studieren", erzählt er. Das Fach verbindet Kunstgeschichte und Informatik. Was Wittemer begrüßt: "Die IT braucht insgesamt ein besseres Image." Anke Anderie von Dimension Data bestätigt: Gerade Frauen sei die IT oft zu artifiziell.

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