CIO des Jahres


BASF - Bessere Zusammenarbeit zahlt sich aus

Wiebe van der Horst ist CIO des Jahres 2014

Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Einige hätten den Titel verdient, doch an der Spitze kann nur einer stehen: BASF-Manager Wiebe van der Horst ist "CIO des Jahres 2014" in der Kategorie Großunternehmen – der insgesamt zwölfte Preisträger seit 2003. Er setzte in seinem Projekt auf eine bessere Zusammenarbeit im Unternehmen, während viele seiner Wettbewerber Hand an die eigenen IT-Strukturen legten.

"CIO des Jahres" wird man nicht mit einer neuen App - es sollte schon richtig zur Sache gehen. Umfassende, übergreifende Projekte sind gefragt, am besten international und mit nachhaltigen Konsequenzen für die Strukturen. Bei der Bewerbung wird die Duftmarke nicht mit dem Zerstäuber gesetzt, sondern mit dem Druckschlauch. Ein CIO im Wettbewerb 2014 hatte allein 60 Mitarbeiter in seinem Steuerungsteam. Dabei ist absolute Größe kein Garant für den Sieg - zwei Wettbewerber setzten jeweils nur 15 Projektmitarbeiter ein und qualifizierten sich ebenfalls in den Top-Ten.

"Connected Enterprise"

Mit dem Titel "CIO des Jahres 2014" konnte Wiebe van der Horst die wohl renommierteste Auszeichnung der deutschsprachigen IT-Branche an Land ziehen. Der Manager der BASF-Gruppe überzeugte die Jury mit dem Projekt "Connected Enterprise" - eine integrierte Arbeitsumgebung, um die weltweite Zusammenarbeit im Konzern zu verbessern. Die Kollaboration bei BASF umfasst die Bereiche E-Mail, Social Networking, Dokumentenaustausch, Wissensaustausch, Telefonie, Videokonferenzräume, Web-Konferenzen sowie Videofunktionen.Besonderer Fokus wurde darauf gelegt, wie neue kollaborative Arbeitsformen im Enterprise 2.0 die Produktivität erhöhen und gleichzeitig Berührungsängste abgebaut werden können. Das Konzept des "Connected Teams" wurde zuerst im Kompetenzzentrum Information Services & Supply Chain Operations implementiert - hier bilden rund 5.000 BASF-Mitarbeiter in über 40 Ländern weltweit verteilte und fachlich orientierte Teams.

CIO des Jahres 2014 der Großunternehmen: Wiebe van der Horst, BASF
CIO des Jahres 2014 der Großunternehmen: Wiebe van der Horst, BASF
Foto: BASF

Darüber hinaus wird durch das Projekt die Komplexität der IT-Landschaft wesentlich reduziert. In diesem Zusammenhang wechselt der Konzern von einer bisherigen Best-of-Breed-Strategie zu einem standardisierten Ansatz. Moderne Desktops, Laptops, TabletsTablets und SmartphonesSmartphones sowie deren Infrastruktur sind ebenfalls im Projektbudget enthalten. Mit dem Umbau schafft BASF nicht nur die Voraussetzungenfür eine effiziente und effektive interne Zusammenarbeit, sondern öffnet seine Kommunikation auch für externe Partner wie Kunden, Lieferanten und Hochschulen, um gemeinsam Innovationen zu entwickeln. Darüber hinaus trägt das Programm signifikant zur Steigerung der IT-Sicherheit bei, etwa durch die konsistente Einführung von Digital Rights Management. Dieses erlaubt, Berechtigungen auf Dokumentebene zu vergeben, die Dokumente zu verschlüsseln und den Zugriff in Bezug auf die Dimensionen Person, Gruppe, Gerät oder Zeit einzuschränken. Alles zu Smartphones auf CIO.de Alles zu Tablets auf CIO.de

Kommentar von Jury-Mitglied August Wilhelm Scheer: "Van der Horst hat eine einheitliche, globale Arbeitsplatz-Infrastruktur geschaffen. Ein hochkomplexes Projekt, bei dem er neueste Technologien eingesetzt hat."

2. Platz für einen Wiederholungstäter

Den zweiten Platz belegte Rainer Janßen, CIO der Munich Re. Mit seinem Projekt "MITHRAS" ("Munich Re IT Heading for Strategic Alignment of Services") krempelte er innerhalb von drei Jahren die IT-Organisation gewaltig um - auch gegen starke Widerstände lokaler Manager. Ziel war eine grundlegende Harmonisierung und StandardisierungStandardisierung der IT, die nach Zukäufen sehr heterogen geworden und kaum für die globalen Herausforderungen der Fachabteilungen gewappnet war. MITHRAS umfasste verschiedene Felder, darunter eine weltweite Shared-Service-Organisation für Anwendungsentwicklung und Infrastruktur, gezieltes Offshoring von Commodity-Tätigkeiten, global einheitliche Methoden-Frameworks wie PMBOK, ITILITIL und COBIT, Vereinheitlichung und Vereinfachung der IT-Infrastruktur sowie Kosten- und Einspareffekte. Zudem sollten neue Perspektiven für Mitarbeiter durch Bündelung von Ressourcen und Know-how in sechs IT-Service-Centern weltweit geschaffen werden. Alles zu ITIL auf CIO.de Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Transparenz im Vordergrund

Das Zentralisierungsprojekt erzeugte große Reibung, vor allen in der Peripherie. Hier standen der Verlust an Autonomie und Entscheidungsbefugnis sowie die geforderte Transparenz im Vordergrund. Folglich musste Janßen auch eine globale IT-Governance- und Management-Struktur etablieren. Steuerung und Zielvorgaben für das gesamte IT-Management weltweit und für alle wesentlichen Projekte erfolgen zentral aus München. Lokale und globale Business-Anforderungen werden in einem transparenten Prozess priorisiert sowie abgestimmt. Die wohl größte Herausforderung im Rahmen des Projekts MITHRAS bestand allerdings darin, die Hindernisse, die aus unterschiedlichen Management- und Firmenkulturen erwuchsen, beiseite zu räumen und ein internationales IT-Management-Team zu etablieren.

Kommentar von Jury-Mitglied Friedrich Wöbking: "Rainer Janßen hat eine überzeugende Neuaufstellung der IT erreicht und dem Haus Munich Re die Erschließung neuer strategischer Geschäftsfelder ermöglicht."

3. Platz für die Deutsche Bahn Netz AG

Die Bronze-Medaille ging an Holger Ewald für sein ambitioniertes Transformationsprogramm zur strukturellen Erneuerung der IT-Landschaft der DB Netz AG. Zwangsläufiger Name: "IT-Masterplan". Ewald begann mit dem ersten Bebauungsplan der fachlichen und technischen Gesamtlandschaft der DB Netz. Parallel startete der CIO die Konzeption des "IT-Baukastens", die mit einem weiteren Meilenstein, der produktionsreifen Bereitstellung der technischen Plattformen, im Januar 2013 abgeschlossen wurde. Rund zehn Millionen Infrastrukturelementen wie Gleisen und Weichen wurden digital vereinheitlicht, um eine Basis für Anwendungsprojekte wie den Aufbau des Trassenportals und die Integration mit Systemen der europäischen Nachbarländer zu legen. Inzwischen läuft die zweite Phase, in der weitere Leuchtturmprojekte umgesetzt werden.

Kommentar von Jury-Mitglied Arnold Picot:"Die Digitalisierung physischer Infrastruktur gilt als eines der tiefgreifendsten Infrastrukturprojekte des 21. Jahrhunderts. Die DB Netz AGDB Netz AG übernimmt dabei eine Vorreiterrolle." Top-500-Firmenprofil für DB Netz AG

Plätze vier bis zehn ohne Ranking

Auch auf den Plätzen vier bis zehn ging es zur Sache, wobei die Jury im Verfolgerfeld keine Unterscheidung im Ranking vornahm. Hier sticht als erste Ursula Soritsch-Renier hervor, CIO der Sulzer Management AG - die Österreicherin arbeitet schließlich in der Schweiz und ist die einzige Frau unter den Top-Ten. Sie musste viel Durchsetzungsvermögen beweisen, denn es galt, zwei dezentral organisierte IT-Gruppen in einem zentral geführten, global agierenden IT-Team zusammenzuführen. Ziel war es, dessen Fokus auf Serviceorientierung und Effizienz zu legen und die neue Einheit als Partner der Geschäftsbereiche zu einem "Enabler" der Organisation zu machen.Dass die divisionalen IT-Gruppen kaum Interesse daran hatten, ihre Unabhängigkeit zu verlieren und sich einer zentralen IT-Organisation unterzuordnen, machte den Umbau zu einem Projekt mit einem großen kommunikativen Part.

Ebenfalls herausragend waren die Projekte von Robert Leindl, Infineon, sowie Bernhard Winkler von Automotive Lighting, denn in beiden Fällen ging es um klassische Anwendungen im Dunstkreis der Produktion: bei Infineon um eine Planungsplattform, bei Automotive Lighting um eine weltweit standardisierte Angebotskalkulation. Winklers Projekt "Worldwide TCTP" ("Target Costing, Target Pricing") erstreckte sich von Mitte 2012 bis Mitte 2014 und war Folge der zunehmenden Komplexität in den Steuergeräten und der Produktion - schließlich stecken in intelligenten Lichtsystemen bis zu 400 Einzelteile. Standardisierte Angebote und Kalkulationen sollen die Produktprofitabilität gewährleisten. Dies beinhaltet schnellere Aussagen zu Preisen sowie die Optimierung und Transparenz der Kosten, einschließlich der Werkzeuge, welche von den geplanten Absatzmengen und unterschiedlichen Standorten des Produktionsnetzwerks abhängen.

Lean Planning bei Infineon

Infineon-CIO Robert Leindl hingegen zog gleich seine gesamte Lieferkette stramm. "Lean Planning" sorgt beim Chipkonzern dafür, dass Spitzen und Dellen in der Nachfrage früh erkannt werden. Die Halbleiterproduktion bei Infineon hat typische Durchlaufzeiten von vier Monaten, Investitionen in die Kapazität dauern 18 bis 24 Monate, und die Kunden genießen eine tagesgenaue Anlieferung - das passt nicht wirklich bequem zusammen. Alte, eigenentwickelte Planungs-Tools wurden durch eine einheitliche Lösung ersetzt, erstmalig können Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionen, Abteilungen und Regionen in einem Planungsprozess an einer Software zusammenarbeiten. Dadurch verkürzen sich die Planungszeiten, und aus dem Puffer der Produktion kann geldwerter Output werden.

72 Wochen lang "Mach 1"

Jan Bock, CIO von Unitymedia KabelBW, kam schnell zur Sache: Mit dem Projekt "Mach1" integrierte er in 72 Wochen die Prozesse und Systeme der fusionierten Unternehmen Unitymedia und Kabel BW. Dahinter stand der Wunsch nach weniger Doppelentwicklungen, weniger Komplexität und weniger Kosten. In einem Big Bang wurden alle wichtigen Systeme wie ERP, CRM/Billing, Operations Support und Logistik zusammengeschaltet. Intern galt Mach1 ohnehin als "alternativlos", denn das Projekt sollte die Firmen, Abteilungen und Mitarbeiter enger zusammenführen. In einem zweiten Schritt werden Prozesse und Systeme optimiert - getreu dem Integrationsansatz: "Integrate first, optimize later."

Als CIO des Logistikunternehmens Lekkerland lief Michael Müller-Wünsch ebenfalls unter den Top-Ten ein: Er hat mit seiner Mannschaft eine Arbeitsplatz-Infrastruktur aufgebaut, die unabhängig vom Endgerät das effektive Zusammenarbeiten in der Organisation über Landesgrenzen hinweg ermöglicht. Über zwei Jahre lief die Umsetzung neben dem Tagesgeschäft und brachte eine hohe Belastung des IT-Teams der Lekkerland-Gruppe mit sich. Ziele waren Standardisierung und Harmonisierung. Der Antrieb erfolgte über die Vision, "als sehr gute IT-Abteilung in der Handels- und Logistik-Industrie" anerkannt zu werden - ein vorbildlicher, wenn auch leider selten geäußerter (und bis zum Ende verfolgter) Anspruch.

Die CIOs Daniel Keller (Axel Springer SE) und Klaus-Hardy Mühleck (ThyssenKrupp AG) schließlich widmeten die vergangenen Jahre der Neu- beziehungsweise Reorganisation. Bei den Medienmachern stand die Transformation der Zentralbereiche an, während die Ingenieure die eigene IT transformierten. Hier hatte es in den Jahren zuvor einige Verwerfungen gegeben - gegenläufige Interessen bremsten die Weiterentwicklung aus. Ziel des Projektes "IT-Transformation" war die Einführung eines neuen "Operating Models" für die IT bei ThyssenKrupp. Konzernweite Strukturen und Standards zu IT-Templates, zur Architektur und der Infrastruktur wurden festgelegt. Die Harmonisierung erstreckte sich auch auf die Ebene der Geschäftsbereiche und der Regionen, wo ebenfalls Standards für Prozesse beispielsweise in den Feldern Engineering, Vertrieb, Produktion sowie den Produktionsstätten definiert wurden. Eine große Herausforderung für Mühleck bestand darin, Transparenz über alle Konzerngesellschaften und Organisationseinheiten hinweg zu schaffen.

Axel-Springer-CIO Keller kämpfte ebenfalls an mehreren Fronten. Er musste die IT des Konzerns für die digitale Transformation neu aufstellen, die Zentralbereiche reorganisieren und eine Einheit für die Entwicklung digitaler Produkte aufbauen. Strategie war, die Kompetenzen für die Digitalisierung des Kerngeschäftes sowie die Entwicklung und den Betrieb von neuen digitalen Angeboten im Konzern anzusiedeln. En passant sollte die Grundlage für einen Kulturwandel geschaffen werden, der es ermöglicht, Innovationen im digitalen Umfeld voranzutreiben. Schließlich mussten viele Mitarbeiter mit neuen Skills eingestellt und integriert werden, ohne die bestehenden IT-Mitarbeiter und die Fachbereiche auf der Strecke zu lassen.

Digitalisierung versus Beharrung

Summa summarum hat der diesjährige Wettbewerb zum "CIO des Jahres" wieder gezeigt, dass sich die Enterprise-IT nicht nur evolutionär entwickelt, sondern gelegentlich auch mal reiner Tisch gemacht werden muss. Dies liegt nicht nur an den Zwängen des Marktes wie der allgegenwärtigen Digitalisierung, sondern auch am Beharrungsvermögen einiger IT-Manager und Organisationen. Daraus bezieht die Branche aber auch ihre besondere Spannung: Was gestern noch Best Practice war, kann morgen schon der Worst Case sein.

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