Finance IT


Interview mit Vorstandschef Lammersdorf

Stuttgarter-Börse-Chef setzt auf neue IT-Konzepte

17.07.2013
Die Börsenbetreiber weltweit sind auf Sparkurs. Mit Fusionen oder Personalabbau versuchen viele, die Kosten zu verringern. Die Börse Stuttgart will andere Wege gehen.
Christoph Lammersdorf, Vorsitzender der Geschäftsführung der Boerse Stuttgart Holding GmbH
Christoph Lammersdorf, Vorsitzender der Geschäftsführung der Boerse Stuttgart Holding GmbH
Foto: Boerse Stuttgart AG

Die schlechte Stimmung an den Märkten zwingt Börsenbetreiber weltweit zum Sparen. Die auf Privatanleger spezialisierte Börse Stuttgart denkt deshalb nun darüber nach, sogar ihre sensible IT auszulagern, sagte Vorstandschef Christoph Lammersdorf im Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Die Handelsumsätze in Stuttgart sind 2012 um 18 Prozent dramatisch eingebrochen. Wie läuft es in diesem Jahr?

Christoph Lammersdorf: Derzeit laufen die Geschäfte im Plan - also auf Vorjahresniveau. Wir entwickeln derzeit Konzepte, die unser Geschäftsmodell langfristig erfolgreich machen, selbst wenn das Niveau der Handelsumsätze vorerst niedrig bleiben sollte. Das ist auch die Voraussetzung, unsere Mitarbeiter zu halten - unsere wichtigste Ressource.

Wenn sie keine Mitarbeiter entlassen, wo setzen Sie an?

Christoph Lammersdorf: Wir haben im letzten Jahr begonnen, Fixkosten steuerbar zu machen. Die großen Kostenblöcke bei uns sind Personal und IT-Infrastruktur. Unsere IT nutzt bereits heute intern flexible Serverstrukturen - die sogenannte Cloud. Das geschieht im Moment über kurzfristige Leasing-Verträge, aber wir denken darüber nach, externe Dienstleister zu beauftragen. Bei denen kann man morgens Serverkapazität buchen und sie abends wieder abbestellen.

Machen Sie sich keine Sorgen um die Sicherheit?

Christoph Lammersdorf: IT-Sicherheit ist für uns als Börse ein zentrales Thema. Wir arbeiten hier mit zwei Rechenzentren. Das macht uns extrem ausfallsicher, da wir jederzeit auf das andere System umschalten können. Die Diskussion um die Aktivitäten des US-Geheimdiensts NSA trägt dazu bei, die Anforderungen an die IT-Service-Anbieter noch weiter zu erhöhen.

Im ersten Halbjahr gingen die Handelsumsätze leicht zurück. Bleibt das Niveau im Jahresverlauf so niedrig?

Christoph Lammersdorf: Das zweite Halbjahr ist erfahrungsgemäß etwas schwächer als das erste, weil die Handelsaktivitäten in den Sommermonaten traditionell gering sind und die Marktteilnehmer im Dezember schon früh die Bücher schließen. Sollte sich die Marktlage nicht fundamental ändern, wird sich im zweiten Halbjahr gegenüber dem ersten nicht viel ändern.

An der Stuttgarter Börse werden vor allem verbriefte Derivate - dazu gehören auch Zertifikate - von Privatanlegern gehandelt. Läuft das noch - fünf Jahre nach der Lehman-Pleite?

Christoph Lammersdorf: Verbriefte Derivate haben sicherlich an Attraktivität verloren. Betrug der Handelsumsatz in Stuttgart im Jahr 2008 über 100 Milliarden Euro, so waren es 2012 rund 42 Milliarden Euro. Damit decken wir allerdings nach wie vor zwei Drittel des deutschen Gesamtmarktes ab und bieten Anlegern die höchste Liquidität.

Jüngst wurde berichtet, die Deutsche Börse in Frankfurt wolle ihren Präsenzhandel ankurbeln. Fürchten Sie, dass der größte deutsche Börsenbetreiber ihnen das Wasser abgräbt?

Christoph Lammersdorf: Ich sehe den Ankündigungen gelassen entgegen. Für eine Börse ist es grundsätzlich schwierig, den HandelHandel durch Werbung anzukurbeln. Stellen Sie sich vor, Sie geben Nachlass beim Transaktionsentgelt. Die Anleger werden deshalb ihre Depots nicht umschichten. Eine Börse hat nur dann eine Chance, wenn bei ihr gute Preise gestellt werden. Top-Firmen der Branche Handel

Eine ihrer jüngsten Initiativen - Bondm, das Börsensegment für Mittelstandsanleihen - lief aber zuletzt verhalten.

Christoph Lammersdorf: Ich bin überzeugt, dass es weiterhin viele mittelständische Firmen geben wird, die Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb der klassischen Bankfinanzierung suchen, ohne eine Aktiennotierung angehen zu müssen. Dabei gibt es Phasen, in denen drei Monate lang keine Emission stattfindet wie zu Beginn des Jahres. Und dann gibt es wieder Zeitfenster wie kürzlich, in denen kontinuierlich neue Emissionen kommen. Das hängt vom Zinsniveau und Marktumfeld ab.

In jüngster Zeit litt der Ruf der Mittelstandsanleihen wegen Problemen mittelständischer Firmen.

Christoph Lammersdorf: Bei Mittelstandsanleihen ist es sehr wichtig, die Chancen und Risiken abzuwägen. Es ist leider nicht immer auszuschließen, dass Anleger angesichts hoher Zinscoupons die Risiken aus den Augen verlieren. Hier kann eine kritische Berichterstattung einen erzieherischen Effekt haben.

Was planen Sie als nächstes?

Christoph Lammersdorf: Üblicherweise setzt die Branche ja auf Fusionen und Zukäufe, um die Auslastung zu erhöhen und Kosten zu senken. Oder aber die Wertschöpfungskette wird durch neue Services und Finanzprodukte ergänzt. Das ist die schwierigere Variante. Wir haben noch etwas in der Pipeline, aber da kann ich noch nicht drüber sprechen. (dpa/rs)

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