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Baader Bank

Wenn das System die Nachricht versteht

Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Die Börsenhändler der Baader Bank nutzen eine Anwendung, die standardisierte Handelsnachrichten automatisch bewerten kann.
Börsenhändler der Baader Bank in der Börse Stuttgart.
Börsenhändler der Baader Bank in der Börse Stuttgart.
Foto: Baader Bank AG

Auf einen Börsenhändler stürzen tagtäglich mehr als eine halbe Million Nachrichten ein - allein von professionellen Diensten wie Bloomberg und Reuters. So viel kann ein Mensch unmöglich verarbeiten. Und das muss er auch nicht. Denn es reicht, wenn er auf die News reagiert, die wirklich wichtig für ihn sind.

Im Falle eines Börsenhändlers sind das solche Nachrichten, die eine Auswirkung auf das Marktgeschehen haben. Dazu gehören beispielsweise Gewinnwarnungen, Fusionen oder große Aufträge. Darüber hinaus interessiert sich der Händler vor allem für Unternehmen, deren Aktien in seinem Portfolio sind. Und je rascher er die relevanten Nachrichten findet, desto eher kann er reagieren. Wie diese Reaktion ausfällt, hängt selbstredend vom Inhalt der Nachricht ab, aber schnell sollte es gehen. Optimal wäre es, wenn er zumindest die Tendenz einer neuen Nachricht in Sekundenschnelle erfassen könnte.

Computer reagieren in den meisten Fällen unmittelbarer als Menschen. Allerdings sind sie nur in eng begrenztem Maße in der Lage, Inhalte wirklich zu "verstehen", also semantisch zu erfassen. Ihre Domäne sind eher quantitative Beurteilungen, nicht qualitative. Trotzdem gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Versuche, Software für ein wie auch immer geartetes "Verständnis" von Textinhalten anzubieten. Meistens handelte es sich um probabilistische Ansätze, bei denen quasi Wörter gezählt werden, erläutert Volker Stümpflen, Vorstandsvorsitzender der Clueda AG, München. Er selbst propagiert eine Alternative namens Shallow Semantic Role Labelling.

Erfahrungen aus der Medizin

Clueda ist ein Spin-off des Helmholtz-Zentrums München. Zehn Jahre lang hatten der studierte Chemiker Stümpflen und sein Team bereits an Softwarelösungen zur semantischen und assoziativen Wissensverwertung im medizinischen und chemopharmazeutischen Bereich geforscht, als sie 2010 auf die Idee verfielen, ihre Ergebnisse auf die Finanzwirtschaft zu übertragen. In Uto Baader, dem Vorstandsvorsitzenden der auf den Börsenhandel spezialisierten Baader Bank aus Stuttgart, fanden die Ideen der Wissenschaftler gleichzeitig einen Investor und einen künftigen Kunden.

2012 gründeten Stümpflen und seine Mitstreiter die Clueda AG. Sie beschäftigt heute 22 Mitarbeiter. Über eine zehnprozentige Beteiligung ist sie mit der Baader Bank verbunden. "Eine höhere Beteiligung hätte die Unabhängigkeit von Clueda beeinträchtigt", erläutert deren Vorsitzender. "Zudem wollen wir ja nicht Software verkaufen, sondern anwenden."

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