Konsum

Besitz macht glücklich

22.11.2023
Von Christopher Schwarz

Überbewertetes Besitzgefühl

Die Orientierung an dem, was wir im greifbaren Sinn haben können, ist tief verwurzelt in unserer Psyche. Das zeigt die vergleichende Ethnologie, die, von den Inuit bis zu den Ureinwohnern Neu-Guineas, das magische Band zwischen Menschen und Dingen beschreibt, ebenso wie die Psychologie: Der Kognitionspsychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann, einer der Erfinder des "Endowment-Effekts", nach dem wir den Besitz einer Sache immer überbewerten und ihn deshalb nur widerstrebend abgeben, erinnert an das Verhalten von Säuglingen: Sie klammern sich fest an ihr Spielzeug und zeigen "eine starke motorische Unruhe, wenn es ihnen weggenommen wird".

Der britische Psychoanalytiker Donald W. Winnicott beschreibt die Bedeutung der sogenannten "Übergangsobjekte" für die Ablösung des Kleinkinds von der Mutter: Die Schmusedecke vermittelt zwischen Selbst und Welt, tröstet beim Alleinsein, dient der Abwehr von Ängsten beim Schlafengehen. Der Frankfurter Psychologe Tilmann Habermas betont in seiner Studie über "Geliebte Objekte" die identitätsbildende Funktion persönlicher Dinge für den Teenager: Mit der Gitarre träumt er sich in die Rolle des Rockstars, auf dem Mountainbike testet er seine Mobilität.

Erinnerungsspeicher

Stets haben persönliche Dinge eine stabilisierende Funktion, vergegenwärtigen sie als "autobiographische Souvenirs" die eigene Vergangenheit und verbinden mit anderen Personen. Rolf Haubl, Geschäftsführender Direktor des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts, spricht von "biografischen Markern", von "Erinnerungsspeichern": "Man macht eine Schachtel auf - und schon geht der Erinnerungsfilm los".

Dass die "dingliche Umwelt" immer auch ein "Träger der Identitätsentwicklung" ist, wurde, so Haubl, von der Psychologie "lange Zeit komplett übersehen". Diese dingliche Umwelt sei in "konzentrischen Kreisen" angeordnet: Es gebe den großen Bereich austauschbarer Waren und einen "Kernbereich identitätssichernder Objekte", die wir als erste aus einem brennenden Haus retten würden. Das kann ein Schreibtisch sein oder das Familiensilber, eine Armbanduhr oder ein Tagebuch. Lauter Dinge, an denen unser Herz hängt, weil wir Erinnerungen mit ihnen verbinden.

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