Personalabteilung spielt Roulette

Absage bei Bewerbung oft Zufall

Andrea König schreibt seit 2008 für CIO.de. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit für die CIO-Redaktion sind Themen rund um Karriere, soziale Netzwerke, die Zukunft der Arbeit und Buchtipps für Manager. Die Arbeit als freie Autorin für verschiedene Redaktionen ist mittlerweile kein Vollzeitjob mehr - hauptberuflich arbeitet sie als PR-Beraterin bei einer Hamburger Kommunikationsagentur.
Haben Personaler schon einige sehr gute Kandidaten gesehen, verteilen sie schlechtere Bewertungen für die nachfolgenden. Das gab eine wissenschaftliche Studie.
Wie ein Bewerber abschneidet, kann davon abhängen, wie viele gute Kandidaten der Personaler an diesem Tag bereits interviewt hat. Manchmal hat man einfach Pech.
Wie ein Bewerber abschneidet, kann davon abhängen, wie viele gute Kandidaten der Personaler an diesem Tag bereits interviewt hat. Manchmal hat man einfach Pech.
Foto: Tyler Olson - shutterstock.com

Eigentlich sollte man doch davon ausgehen, dass in BewerbungsverfahrenBewerbungsverfahren objektiv entschieden wird und alle Kandidaten mit den gleichen Chancen in eine Bewerbungsrunde starten. Von wegen, zeigt eine Auswertung der beiden US-Wissenschaftler Uri Simonsohn und Francesca Gino. Ihre Analyse von mehr als 9300 Einstellungsgesprächen für einen MBA-Studiengang an einer amerikanischen Business School zeigt, dass oft der Zufall entscheidet. Alles zu Jobsuche auf CIO.de

Ob man eine bessere oder schlechtere Bewertung erhält, kann schlichtweg damit zusammenhängen, wie sich die anderen Kandidaten am gleichen Tag geschlagen haben. Waren sie alle besonders gut, wird der Personaler nur ungern eine vierte oder fünfte gute Bewertung verteilen, so die Wissenschaftler.

Sie vergleichen es mit dem Spiel am Roulettetisch: Wenn mehrere Male hintereinander eine schwarze Zahl kommt, tippt man beim nächsten Mal auf rot. Bei der Bewerbungsauswahl bedeutet das: Wenn ein Personaler mehrere gute Kandidaten hintereinander gesehen hat, tippt er darauf, dass sich anschließend ein schlechterer Bewerber vorstellt. Mit dem feinen Unterschied, dass über die Farbe beim Roulette der Zufall entscheidet und über die Bewertung der Personaler.

Noten für Bewerber sanken im Tagesverlauf

Um iIhre These zu prüfen, analysierten Simonsohn und Gino Daten aus mehr als 9300 Bewerbungsgesprächen für ein MBA-Studium, die über einen Zeitraum von zehn Jahren entstanden sind. Die Personaler führten durchschnittlich 4,5 Gespräche am Tag und vergaben auf einer Skala von eins bis fünf im Schnitt eine 2,8. Die Auswertung bestätigte: Wenn ein Personaler im Laufe des Tages bereits hohe Bewertungen verteilt hatte, sanken die Noten der Bewerber, die sich im späteren Tagesverlauf vorstellten.

Wenn Kandidaten, die früh befragt wurden, 0,75 Punkte über dem Schnitt lagen, sank die Benotung bei nachfolgenden Bewerbern um 0,075 Punkte. Um dies auszugleichen, muss man 30 zusätzliche Punkte im GMAT-Test (Graduate Management Admission Test) erreichen, 23 Monate mehr BerufserfahrungBerufserfahrung mitbringen oder bei der schriftlichen Bewerbung 0,23 Extrapunkte wettmachen. Alles zu Karriere auf CIO.de

Auch berufserfahrene Personaler bewerten so

Die beiden Forscher waren selbst überrascht über ihre Ergebnisse. Denn die zeigten auch, dass das keineswegs ein Anfängerfehler war, der Entscheidern nur dann passierte, wenn sie die Aufgabe gerade frisch übernommen hatten. Auch wer in diesem Bereich über jahreslange Berufserfahrung verfügte, benotete Bewerber im Tagesverlauf schlechter.

Simonsohn und Gino glauben, dass diese Bewertungspraxis neben Bewerbungsgesprächen zum Beispiel auch bei der Kreditvergabe zu finden ist. Kandidaten könnten ihr Abschneiden im Bewerbungsverfahren verbessern, indem sie nicht am selben Tag zum Gespräch erscheinen wie ihre stärksten Konkurrenten. Das hilft jedoch nicht wirklich weiter, da man die Mitbewerber nur selten vorher kennt.

Die US-Wissenschaftler Uri Simonsohn von der Wharton School an der University of Pennsylvania und Francesca Gino von der Harvard Business School haben ihre Ergebnisse unter dem Titel Daily Horizons: Evidence of Narrow Bracketing in Judgment From 10 Years of M.B.A. Admissions Interviews in der Zeitschrift Psychological Science veröffentlicht.

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