Gewöhnungsbedürftig

Lernen am Tablet

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Bank-Azubis in der Schweiz bekommen Tablets zur Verfügung gestellt. Dass sie keine schweren Bücher mehr schleppen müssen und auch unterwegs lernen können, schätzen die jungen Leute. Mancher sagt aber auch, als visueller Lerntyp habe er mit dem Tablet Schwierigkeiten – und druckt sich die Unterlagen aus.

Papier ist geduldig. Stefan F. auch. Der junge Mann lässt sich am Schweizer Center for Young Professionals in Banking (CYP) zum Bankkaufmann ausbilden – und vertraut auf alte MedienMedien. Das CYP stellt ihm ein Tablet zur Verfügung, der Lernstoff bleibt in der Cloud. Stefan F. sagt: „Da man in den E-Books nur eine Funktion zum Scrollen hat, entstehen keine konstanten Seitenbilder. Für einen visuellen Lerntypen wie mich stellt dies ein Problem dar.“ Die Konsequenz: der junge Mann druckt sich Mind-Maps aus. Top-Firmen der Branche Medien

„Bei einem herkömmlichen Lernmittel lerne ich die Struktur der Seite mit und dies hilft mir, den Inhalt besser zu merken“, schildert Stefan F. sein Problem. Er gewinnt dem Handheld aber auch Positives ab: „Wir haben immer alle Lerninhalte zur Hand und brauchen keinen Ordner herumzutragen.“

Insgesamt 1.200 Android-Tablets sind bei den Auszubildenden des CYP im Einsatz. Über die App MyCYP sollen die jungen Leute alle Unterlagen, Übungen, Arbeitsaufträge und Präsentationen digital abrufen können. Die TabletsTablets vom Typ Samsung Galaxy 10.1 2 verfügen über DataSIM-Karten von 500 Megabyte pro Monat. Das CYP hat bei der Implementierung mit Swisscom zusammengearbeitet, die Plattform kommt vom US-amerikanischen Anbieter Mobilelron. Dazu Thomas Fahrni, Leiter Verwaltung und FinanzenFinanzen in der Geschäftsleitung von CYP: „Wir wollten Geräte, mit denen unabhängig von Raum und Zeit in unserer Cloud gearbeitet werden kann, deshalb auch der Einsatz der 3G-Karte“. Alles zu Tablets auf CIO.de Top-Firmen der Branche Finanzen

Umstellung war „gewaltig“

Das weiß der Nachwuchs zu schätzen. „Man kann jederzeit und an jedem Ort problemlos lernen oder ein E-Book lesen“, sagt Lara W. Allerdings ist Stefan F. nicht der Einzige, der sich mit dem Tablet schwer anfreunden konnte. So sagt Philipp L.: „Für mich persönlich war die Umstellung auf ‚das elektronische Lernen‘ gewaltig. Seit meiner Schulzeit bin ich es gewohnt, mit Büchern zu lernen und mit der Zeit habe ich meine ganz eigene Lernstrategie entwickelt, vom Durchlesen über das Anstreichen bis hin zu den Notizen.“

Gut findet Philipp L., dass er Unterrichtsstoff auch als Video oder Spiel durchnehmen kann. In einem Punkt sind sich fast alle Azubis einig: sie bekommen „die Ausrüstung für zukünftige Arbeitsinstrumente“ mit auf den Weg. Die Bankkaufleute in spe gehen davon aus, Kundenberatungen und Tagesgeschäft in ihrem künftigen Beruf mit dem Tablet zu erledigen. Antony H. sagt, davon profitiere er schon jetzt: „Die auf dem Tablet enthaltenen Anwendungen helfen mir bei der Planung, Organisation und Umsetzung meiner Arbeiten.“

Der laufende Betrieb kostet 200.000 Euro pro Jahr

Die Nutzung kostet die jungen Leute nichts. Das CYP hat nach eigenen Angaben folgende Summen ausgegeben: 730.000 Euro für das Learning-Management-System und die zentrale Inhouse-App MyCYP und 570.000 Euro für das Entwickeln der Lerninhalte. Der laufende Betrieb schlägt mit 200.000 Euro pro Jahr zu Buche.

2012 hat das CYP die Tablets eingeführt, seit Anfang 2014 dürfen die Azubis die Handhelds auch privat nutzen. Laut Fahrni gelten dabei keine Einschränkungen. Bei Prüfungen allerdings schaltet das CYP Kontrollen ein. Konkret: Bei Prüfungen werden die Bewegungsdaten auf dem Tablet gemessen. So überwacht das Center, ob jemand die Prüfungs-Apps verlässt, einen Browser öffnet oder wie lang er andere Apps nutzt.

Die Gefahr des Geräteverlustes kalkuliert Ronny Wallnöfer, Projektleiter "Future Learning" beim CYP, ein. Falls ein Azubi sein Gerät verliert oder es ihm gestohlen wird, können Daten und Dokumente per Fernzugriff gelöscht werden. Der Projektleiter zeigt sich insgesamt zufrieden mit dem Tablet-Einsatz. Ihm ist aber bewusst: „Verbesserungen bezüglich Aufbereitung und Anwenderfreundlichkeit sind noch möglich.“ Dabei stellt sich Wallnöfer auf mehr Arbeit ein. Die Lerninhalte auf den Tablets müssen ständig aktualisiert und gegebenenfalls erweitert werden. Der Projektleiter rechnet damit, in den nächsten Jahren „sicher deutlich“ mehr Apps auf den Tablets verwalten zu müssen als derzeit.

Zur Startseite