Jürgen Schmidhuber

Der ideale Wissenschaftler

Der Mathe- und Informatik-Professor vom Dalle Molle Institute for Artificial Intelligence in Lugano im Schweizer Tessin rechnet damit, dass Forscher spätestens 2040 durch Künstliche Intelligenz ersetzbar sind. Irgendwann sei es dann auch möglich, den idealen Wissenschaftler zu bauen.

Jürgen Schmidhuber hat bei der Bundeswehr in einem Etagenbett direkt über Rudi Völler geschlafen. Doch als jemand zu ihm auf die Stube kam und nach dem Fußballer fragte, konnte Schmidhuber ihm nicht helfen. Er wusste nicht, dass der Kamerad bei München 1860 spielte. Schmidhuber hatte schon damals anderes im Sinn. Er las Science Fiction, "aber nur, wenn sie wissenschaftlich fundiert war". Er dachte seit dem Teenageralter darüber nach, wie er den optimalen künstlichen Wissenschaftler bauen könnte. Und er schwärmte seinem Bruder so lange von schwarzen Löchern vor, bis der schließlich Physik studierte.

Heute stapeln sich Fachbücher mit Titeln wie "New Ideas of Optimization", "Artificial Intelligence - A Modern Appraoch" oder "Ant Algorithms" in seinem Regal. Die abstrakte Welt der Formeln hat ihn nicht mehr losgelassen. Ein kurzer Algorithmus für das Universum schwebt dem Wissenschaftler vor. Ähnlich wie einige Bilder von Picasso: "Weil sie sowohl simpel als auch treffend sind, extrahieren sie das Wesentliche." Für alles hat Schmidhuber eine Formel - frei nach Konrad Zuse, der einst fragte: "Ist die Welt letzten Endes nur ein Computerprogramm?" - ein Mensch also eine Menge Nuller und Einser?

Der Tessiner Wissenschaftler ist mit seinen Gedanken ein paar Jahre in der Zukunft unterwegs. Er möchte eine Maschine bauen, die sich selbst ändern kann, also lernen kann. Das Maß aller Dinge für den schon mit 30 Jahren habilitierten Wissenschaftler ("Das ist gar nix, Werner Heisenberg wurde mit 23 Jahren Professor") ist (noch) der Mensch: "Wenn Sie Hunger haben, müssen Sie sehr komplexe Probleme lösen, um ihre Körperzellen zufrieden zu stellen. Sie müssen Muster und Objekte erkennen, StrategienStrategien entwickeln, einkaufen, um den Kühlschrank zu füllen. Hier sind alle kognitiven Fähigkeiten nötig." Alles zu Strategien auf CIO.de

Noch hat der Computer nicht die Rechenkapazität und Komplexität des menschlichen Gehirns. Doch das könnte sich bald ändern. "Schauen Sie sich die Geschichte der Informatik an", sagt Schmidhuber, dessen Computer-Zeitrechnung 1623 mit Wilhelm Schickard beginnt, dem Konstrukteur des ersten Rechenautomaten. "Zweihundert Jahre später entwarf Charles Babbage erstmals eine programmierbare Maschine, hundert weitere Jahre später baute Konrad Zuse die erste, 50 Jahre später kam das Internet. Die Zeiträume halbieren sich jeweils", sagt er und schreibt "1/2 c" zwischen die einzelnen Schritte.

Seine für ihn logische Schlussfolgerung: "Die Reihe konvergiert gegen 2040, obwohl schon zwei Jahrzehnte vorher erschwingliche Maschinen schneller rechnen werden als das menschliche Hirn." Sein Problem mit dem optimalen künstlichen Wissenschaftler wäre damit in absehbaren Jahrzehnten gelöst. Abgehoben sei diese Ansicht nicht, meint der Ko-Direktor des Instituts, der seine Habilitation zum Thema "Netzwerkarchitekturen, Zielfunktionen und Kettenregel" an der Technischen Universität in München schrieb und nach ein paar Jahren an der Universität Boulder bei Denver in Colorado ins Schweizer Dalle Molle Institut ging.

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