Scheinwerkverträge

Die Lehren aus dem Daimler-Urteil

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Daimler muss zwei externe IT-Fachleute fest anstellen, weil deren Werkverträge nur Scheincharakter gehabt hätten. Der Richterspruch zeigt CIOs, dass bei einem Ticket-System höchste Akribie unerlässlich ist.
Nach Urteil des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg verfügen zwei bisher externe IT-Profis über feste Beschäftigungsverhältnisse bei Daimler. Der Autobauer prüft eine Revision.
Nach Urteil des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg verfügen zwei bisher externe IT-Profis über feste Beschäftigungsverhältnisse bei Daimler. Der Autobauer prüft eine Revision.
Foto: Daimler AG

Zwei formal freiberuflich bei einem Dienstleister unter Vertrag stehende IT-Spezialisten haben sich für den Moment erfolgreich bei der Daimler AGDaimler AG eingeklagt. Der Fall machte vor einigen Wochen Schlagzeilen: Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wertete die Verträge der beiden IT-Profis als Scheinwerkverträge und gab ihrer Klage auf ein festes Beschäftigungsverhältnis beim Autobauer aus Stuttgart statt. Für IT-Anwender stellt sich nun die Frage, welche Folgen das Urteil über die Daimler-Werksgrenzen hinaus hat. Die Antwort scheint klar: Es drohen sicherlich auch anderswo unangenehme Konsequenzen. Top-500-Firmenprofil für Daimler AG

Man muss dazu sagen, dass der Richterspruch noch nicht rechtskräftig ist. Daimler prüft eine Revision beim Bundesarbeitsgericht, die von den baden-württembergischen Richtern wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falls zugelassen wurde. Möglicherweise kippt Erfurt also noch das jetzige Urteil. Fest steht aber auch: Es wäre naiv anzunehmen, dass vergleichbar gestrickte Beschäftigungsverhältnisse wie bei Daimler nicht bei vielen Anwendern und Dienstleistern bestehen. Erhält die äußerst schlüssig erscheinende Argumentation des Landesarbeitsgerichtes auch in letzter Instanz Bestätigung, könnte eine Flut an Klagen externer Mitarbeiter auf Festanstellung in den IT-Abteilungen drohen. Besonders kritisch ist es, wenn Firmenmitarbeiter den Externen per E-Mail direkte Weisungen erteilt haben.

E-Mails als Beweismittel

Es lohnt in jedem Fall, den Richterspruch des Landesarbeitsgerichtes genauer unter die Lupe zu nehmen. Er bestätigt zum einen altbekannte Urteile des Bundesarbeitsgerichtes zur Scheinselbständigkeit. Wie bekannt ist es riskant, freie Mitarbeiter über einen langen Zeitraum in den eigenen Firmenräumen zu festen Arbeitszeiten mit unternehmenseigenen Geräten und festen Ansprechpartnern im Unternehmen zu beschäftigen. Zum anderen gewinnt der Fall an Brisanz durch einige andere Aspekte. Er zeigt auf, dass auf elektronischem Wege erteilte Weisungen an freie Mitarbeiter von diesen gesammelt werden und – nach Lage der Dinge – als Beweisdokumente vor Gericht dazu dienen können, feste Arbeitsverträge einzuklagen. Im Daimler-Fall reichten den beiden IT-Profis dafür einige Dutzend E-Mails.

Das Beispiel zeigt bei genauer Betrachtung auch, dass sich Unternehmen vor dem Handeln der eigenen Mitarbeiter vorsehen müssen. Offenbar war eine einzelne Daimler-Mitarbeiterin für einen großen Teil der vorgelegten Weisungen verantwortlich. Eine weitere Dimension ist für die Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern anderswo von höchster Relevanz: Daimler und seine Dienstleister hatten ein Ticket-System zur Beauftragung der Externen im Einsatz – eine Maßnahme also, die dem Verdacht einer Scheinselbständigkeit vorbeugen soll. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes mit Aktenzeichen 2 Sa 6/13 zeigt auch, dass derartige Ticket-Systeme mit äußerster Penibilität und Ausschließlichkeit gelebt werden sollten, wenn man bei der Beauftragung freier Computertechniker nicht in die Bredouille kommen will.

Zugetragen hat sich im Entscheidungsfall im Kern folgendes: Daimler arbeitete seit vielen Jahren mit Computacenter als IT-Dienstleister zusammen; die Eckdaten der Zusammenarbeit regelten Rahmenverträge; Computacenter setzte zur Erfüllung des Daimler-Aufträge auch Subunternehmen ein. In diesem Konstrukt waren die beiden 56 und 52 Jahre alten Kläger bei Daimler tätig, formal ausgerüstet mit Werkverträgen bei Computacenter respektive bei vom Dienstleister beauftragten Subunternehmen. Die beiden IT-Profis erfüllten seit langer Zeit, nämlich seit 2001, Aufträge für Daimler – über die Jahre gesehen offenbar zumeist so, dass nur auf den Autohersteller zurückgehende Aufträge übernommen wurden. Seit einigen Jahren arbeiteten sie regelmäßig vor Ort in der Stuttgarter Firmenzentrale, zu festen 8 bis 17 Uhr-Arbeitszeiten und mit wechselnden, aber jeweils festen Ansprechpartnern im Unternehmen. Jenseits der formalen Verträge ergab es sich, dass Firmenmitarbeiter die beiden IT-Spezialisten kennenlernten und bei Störungen auch direkt um Hilfe baten.

Arbeitsgericht gab Daimler zunächst Recht

Das Urteil lässt durchaus den Schluss zu, dass ein Scheinarbeitsverhältnis eventuell bereits seit langer Zeit bestanden haben könnte. Beweismaterial in Form von ausgedruckten E-Mails mit Weisungen legten die Externen aber nur für die vergangenen drei Jahre vor. In dieser Phase löste das Duo vor allem Computerprobleme in der Finanzabteilung des Autobauers. In diesem Zeitraum wurden die beiden auch auf Zuruf von Mitarbeitern aus der Abteilung aktiv – man kannte sich eben – und erfüllten Aufträge mit Weisungscharakter und abseits des Ticket-Systems, die von ihren Ansprechpartnern im Unternehmen kamen.

Auslöser der Klage war dann offenbar, dass Daimler die Zusammenarbeit mit dem von Computacenter beauftragten Subunternehmen, für das sie formal tätig waren, Ende 2011 beendete. Die Klage der beiden IT-Spezialisten auf Festanstellung bei Daimler war vor dem Arbeitsgericht Stuttgart ohne Erfolg geblieben. Dieser stellte sich aber jetzt eine Instanz höher vor dem Landesarbeitsgericht ein.

„Für die rechtliche Abgrenzung des Werk- oder Dienstvertrags zur Arbeitnehmerüberlassung ist allein die tatsächliche Durchführung des Vertrages maßgebend", lautet ein Leitsatz des Urteils. Die Richter bekräftigen damit, dass juristisch nicht entscheidend sei, wie die Verträge mit freien Mitarbeitern formal aussehen. Es komme darauf an, wie sie in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Formal hatten Daimler, Dienstleister und Externe auf Basis von Werkverträgen zusammengearbeitet, an denen für sich genommen nichts auszusetzen ist. So eng, wie die IT-Profis in die Daimler-Strukturen eingebunden waren, hat es sich nach Einschätzung der Richter indes faktisch um eine Arbeitnehmerüberlassung gehandelt, die die Ansprüche auf eine Festanstellung begründen.

In einer Randnotiz des Urteils stellen die Richter fest, dass es sich bei den Werkverträgen inhaltlich auch eher um Dienstverträge denn um Werkverträge gehandelt haben dürfte. „Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag liegt darin, dass beim Dienstvertrag das bloße Wirken, die Arbeitsleistung als solche, beim Werkvertrag dagegen die Herbeiführung eines vereinbarten Arbeitsergebnisses geschuldet wird", erläutern die Richter.

Ein für Anwender aufschlussreiches Detail des Urteils ist, dass die Richter bemängeln, Daimler habe in all den Jahren nie Gewährleistungsrechte geltend gemacht. An den Arbeitsergebnissen der IT-Service-Leistungen ist also nie etwas bemängelt worden. Das deutet nach Lesart des Gerichts darauf hin, dass tendenziell eher die Arbeitsleistungen denn – wie idealerweise bei freien Mitarbeitern der Fall – ein Arbeitsresultat eingekauft worden sind. Das ist eine der vielen Facetten des Richterspruchs, aus denen IT-Anwenderfirmen in ähnlicher Lage lernen können.

Papierform alleine unwichtig

Ein Kernsatz des Urteils lautet: „Das Gericht ist davon überzeugt [..], dass die vorgenannten Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind." Diesen Umstand gewichten die Richter entscheidend stärker als die schriftlichen Vereinbarungen, laut denen alle Weisungsrechte gegenüber den Klägern bei den Dienstleistern liegen. „Von der Papierform her spricht bei dem vermeintlichen Werkvertrag nichts dafür, dass es sich um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag handelt", konzedieren die Landesarbeitsrichter. Dennoch kommen sie zu dem Ergebnis, dass es sich in Wirklichkeit genau um eine solche Arbeitnehmerüberlassung – vulgo einen Scheinwerkvertrag – gehandelt hat. Und – ein weiterer inhaltlicher Schritt des Gerichts – für die daraus resultierenden Folgen, nämlich die Arbeitsvertragsansprüche der Betroffenen, hat in der Folge Daimler aufzukommen, nicht der Dienstleister.

Wie angedeutet spielen für den Tenor des Urteils eine ganze Reihe der konkreten Arbeitsumstände der externen Mitarbeiter eine wesentliche Rolle, deren Problematik aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in den IT-Abteilungen bekannt sein sollte und somit kurz abgehandelt werden kann. Gemeint ist die eingeforderte Anwesenheit zu festen Zeiten in der eigenen Firma, einhergehend mit Weisungen durch Daimler-Mitarbeiter. Im Urteil selbst kann detailliert nachgelesen werden, wie der Arbeitsalltag der – offenbar lediglich vermeintlich – Externen aussah. Die allgemeine juristische Grundlage dafür von Seiten des Bundesarbeitsgerichtes im Jahr 1994 fassen die Landearbeitsrichter so zusammen: „Die persönliche Abhängigkeit – und mit ihr die Arbeitnehmereigenschaft – ist anzunehmen, wenn statt der freien Tätigkeitsbestimmung die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation vorliegt, die sich im Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit zeigt."

Heißerer Kaffee im Vergleich dazu ist aus Anwendersicht, was die Richter zum Ticket-System und den konkreten Weisungen per E-Mail durch Daimler-Mitarbeiter feststellen. „Ein zwischen einem Werkunternehmen (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten vereinbartes Ticketsystem (EDV-spezifische Aufträge von Arbeitnehmern des Dritten werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmen bearbeitet) ist unproblematisch dem Werkvertragsrecht zuzuordnen", heißt es im Wortlaut des Urteils. Das bedeutet, dass betroffene Unternehmen tatsächlich aus dem Schneider sind und nichts zu befürchten haben, so lange Externe tatsächlich nur und sauber dokumentiert und unter Wahrung der genannten Freiheiten bei der Arbeit über ein Ticket-System beauftragt werden.

System systematisch unterlaufen

„Wenn allerdings Arbeitnehmer des Dritten außerhalb dieses Ticketsystems in größerem Umfang Beschäftigte des Werkunternehmens direkt beauftragen und unter zeitlich-örtlichen Vorgaben auch personenbezogene Anweisungen erteilen, spricht dies für Arbeitnehmerüberlassung", so das Landesarbeitsgericht weiter. Es kam nach Auswertung der vorgelegten Beweismittel zu dem Schluss, dass das im vorliegenden Fall mit Systematik geschah. Von Seiten der Kläger wurde erklärt, dass Aufträge zum Teil direkt von Daimler-Mitarbeitern erteilt wurden und erst hinterher Pro-Forma-Tickets eröffnet wurden, um die mit dem Dienstleister ausgehandelten Vorgaben zu erfüllen.

Ein Lehre aus dem Urteil lautet: Das geht so nicht. Überraschen dürfte das CIOs kaum. Aber sie dürfen sich denken: Manchmal geht es eben nicht anders. Das ist richtig, und auch dazu gibt es eine Bewertung des Gerichts: „Wenn es sich bei diesen Direktbeauftragungen nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handelt, ist von einem Scheinwerkvertrag auszugehen."

Kommt es also nur in Ausnahmefällen zu direkten Weisungen respektive Beauftragungen, ist erst einmal noch alles im Lot. Die Landesarbeitsrichter haben im Beispielfall aber eine sehr konkrete Richtschnur gespannt, um die Grenze zu ziehen. Und zwar legten die Kläger im ersten Verfahren vor dem Arbeitsgericht rund 20 E-Mails mit Weisungen durch Daimler-Mitarbeiter vor; für das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht konnten sie noch einmal mehr als die die doppelte Menge draufsatteln. Demgegenüber steht die dokumentierte Zahl von rund 9000 zweifelsfrei ausschließlich über das Ticket-System vergebenen Aufträgen. Die Richter setzen diese beiden Größen so ins Verhältnis, dass sie von systematischer Vergabe am Ticket-System vorbei ausgingen und nicht von untypischen Einzelfällen. Gleichzeitig dienten wie angedeutet auch die ausgebliebenen Beanstandungen angesichts der Fülle von Aufträgen dazu, Scheinselbständigkeit festzustellen.

Lehrreich für andere Anwender sind am Daimler-Urteil einige weitere Einzelheiten des Verfahrens. Man kann konstatieren, dass die beiden IT-Spezialisten ihre Klage alles in allem nachvollziehbar und überzeugend begründeten, so dass die Landesarbeitsrichter ihrer Sichtweise am Ende Geltung verschafften. Mitnichten ist es aber so, dass Daimler dem nicht ebenfalls plausible Argumente entgegenzusetzen hatte – nicht zufällig hatte der Autobauer vor dem Arbeitsgericht ja zunächst einen Erfolg eingefahren. Wichtig ist nämlich unter anderem auch die Frage, inwieweit das Unternehmen als solches für gegebenenfalls vorhandene Missstände am Ende verantwortlich ist. Gerade in dieser Beziehung dürfte der Richterspruch aus Baden-Württemberg mancherorts die Alarmglocken läuten lassen.

Praktikantenführung verlangt

Zum Hintergrund: Viele der von den Klägern vorgelegten 70 E-Mails gingen auf ihre ehemalige Ansprechpartnerin in der Daimler-IT zurück. Die Frau wies die Externen unter anderem an zu prüfen, ob ein bestimmter Raum frei ist, verlangte, Mitarbeiter in neue Aufgaben einzuweisen, forderte ein, sich zu bestimmten Zeiten bereitzuhalten. Auch von anderen Daimler-Mitarbeitern, insbesondere aus der Finanzabteilung, gab es direkte Beauftragungen, zum Beispiel auch dahingehend, einem Praktikanten die Firmenräume zu zeigen.

Das rechtliche Problem daran ist ein doppeltes, wie die Richter feststellen: „Diese Direktbeauftragungen der Kläger widersprechen zum einen dem vertraglich festgelegten Ticketsystem, zum anderen aber auch der Tatsache, dass [Daimler] nicht mit den Klägern (als Solounternehmern) Werkverträge geschlossen gehabt hat, sondern mit [Computacenter]", heißt es im Urteil. „Richtigerweise hätte deshalb [Computacenter] an sie gerichtete Aufträge an ihre Erfüllungsgehilfen im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit weiterleiten müssen."

Aus Sicht von IT-Anwendern, die externe Mitarbeiter eines Dienstleisters beauftragen, stellt sich nun die Frage, inwieweit sie etwa eine direkte Beauftragung am Ticket-System vorbei verhindern können – auch wenn sie durch möglicherweise ungewollte Initiative einzelner Mitarbeiter geschieht. Daimler versicherte in dem Verfahren, dass im Unternehmen nur eine Auftragserteilung über das Ticket-System zulässig sei. „Ein Ticket, welches den Auftrag und die Auftragserteilung enthalte, könne jeder Beschäftigte von seinem Laptop über das System beantragen und erstellen oder werde von der EDV-Hotline-Stelle auf einen Anruf hin erstellt und versandt", fasst das Landesarbeitsgericht die Daimler-Argumentation zusammen. „Bei diesem Versand sei nicht bekannt, wer von den zuständigen Beschäftigten einer Fremdfirma den Auftrag bearbeite. Diese seien in der Frage der internen Zuständigkeit und Aufteilung der Arbeit vollständig frei."

Daimler verwies darauf, die eigenen IT-Mitarbeiter „mehrfach und regelmäßig" auf diese Regelungen hingewiesen zu haben. Am 29. Juli 2009 sei auch die Mitarbeiterin, die besonders viele der E-Mail-Weisungen schrieb, dahingehend geschult worden. Man habe das System der Auftragsvergabe auch in wöchentlichen Erörterungen mit dem Dienstleister kontrolliert. Neben anderen Dingen erwies sich im Verfahren auch als Problem, dass das Unternehmen die angesprochene Schulung eben jener IT-Mitarbeiterin nicht sauber dokumentiert hatte.

„Als Beweis hat die Beklagte ein zusammenhangloses Blatt aus einer angeblichen Schulungsunterlage vorgelegt", bemerken die Richter hierzu. Auf dieser Seite stehe, dass eine Beauftragung außerhalb des Ticketsystems und Gespräche mit den Beschäftigten von Computacenter nicht zulässig sind. „Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Darlegungslast jedoch nicht substanziiert vorgetragen und unter Beweisantritt gestellt, wer, wen und wann über dieses Ticketsystem instruiert hat, dass irgendwelche Verpflichtungsermächtigungen unterschrieben worden sind, dass Konsequenzen bei Verstößen angedroht worden sind und es überhaupt Sanktionen gegeben hat", so die Richter weiter. Offenkundig hätte es vor Gericht eines Beweises bedurft, dass die Mitarbeiter „deutlich und nachhaltig darauf hingewiesen" wurden, dass das Ticketsystem strikt einzuhalten ist, Direktbeauftragungen der Externen untersagt und bei Verstößen gegen das Ticketsystem Sanktionen zu befürchten sind.

Schulungen unerlässlich

Zusammenfassend muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass ein Urteil von höchster Instanz noch aussteht, vom Bundesarbeitsgericht aber in absehbarer Zeit zu erwarten ist, falls Daimler sich zur Revision entschließen sollte. Ansonsten fußt das Urteil aus Baden-Württemberg auf einer Gemengelage von Punkten, die in drei Kategorien fallen.

  • Erstens sind einige tatsächlich so zu werten, dass sie vor allem für diesen Einzelfall eine Rolle spielen. Ein Beispiel dafür ist etwa, dass eine temporäre Arbeitszeitverkürzung bei Daimler direkt auf die Auftragsvergabe beim IT-Dienstleister übertragen worden zu sein scheint, was den Richtern als sachlich ungerechtfertigt erschien.

  • Zweitens kommen die typischen Abgrenzungsfragen von Werk- und Dienstverträgen sowie Arbeitnehmerüberlassung zum Tragen, wie sie beim Verdacht einer Scheinselbständigkeit klassisch sind. Das Urteil beinhaltet in dieser Beziehung nachvollziehbarerweise keine neuen Erkenntnisse, sondern stützt sich auf die bekannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes dazu. IT-Anwendern ist diesbezüglich zu raten, diese Fragen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und im Unternehmensleben ernst zu nehmen. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu deutlich gemacht, dass im Zweifelsfall wichtiger als eine lupenreine Papierform ist, wie die Zusammenarbeit tatsächlich gelebt wird.

  • Drittens und aus Sicht von IT-Abteilung besonders spannend sind die Entscheidungen und Ausführungen der Richter zu den dokumentierten Weisungen per E-Mail und zur Auftragsvergabe im Ticket-System und daran vorbei. Zur Einordnung dessen ist zu sagen, dass es dazu bisher kaum Gerichtsurteile gibt und dem Entscheidungsfall insofern eine besondere rechtliche Relevanz zuzusprechen ist. In vergleichbaren Fällen konnten sich die Streitparteien in der Vergangenheit zumeist in einem Vergleich einigen. Als Lehre für die Anwender bleibt in jedem Fall, mit aller Macht dafür zu sorgen, dass Vorgaben zur Auftragserteilung ausschließlich über ein Ticket-System konsequent eingehalten werden. Offensichtlich bedarf es dahingehend einer wasserdicht dokumentierten Schulung der eigenen Mitarbeiter sowie auch Kontrollen und Sanktionen, damit die Regelung nicht durch zu ausgeprägte persönliche Nähe zwischen Mitarbeitern und Externen unterlaufen wird.

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