Strategien


Innovationsmanagement

Warum Unternehmen Angst vor Kunden haben

05.07.2018
Von Ulrich Groothuis

Was bei MTU gilt, genießt auch in der Automobilbranche einen hohen Stellenwert. Daimler zum Beispiel bezieht die Kunden aktiv in die Fahrzeugentwicklung mit ein. Dazu dienen nicht nur Zukunfts- und Akzeptanzstudien renommierter Forschungsinstitute. In Böblingen bei Stuttgart hat Daimler sogar ein eigenes Kundenforschungszentrum, das sogenannte Customer Research Center. Ein 20-köpfiges Team aus Psychologen und Ingenieuren schaut den Kunden dort auf die Finger und versucht, sie psychologisch zu durchleuchten, ihre Sinnesreize zu analysieren.

Der Kunde wird zum Forscher

"Alles aus einem Guss", nennt Laborleiter Götz Renner die Testprogramme, bei denen alles aufgenommen und protokolliert wird, was der Mensch wahrnimmt und worüber er sich ein Urteil bilden kann. "Bei uns wird der Kunde selbst zum Forscher", beschreibt Renner den vielschichtigen Testparcours. Die Reise für die Kunden beginnt im Haptiklabor, geht über das Akustik- und das Lichtlabor bis hin zu Fahrversuchen über lange Strecken.

Hören, Sehen, Fühlen - bei Daimler kommt es auf das Zusammenspiel der Sinne an. Spiegelt die Windschutzscheibe? Wie klicken die Schalter? Nichts wird außer Acht gelassen, alles wird von den Testern hinterfragt. Stimmt der Klang beim Zuschlagen der Tür? Wie fühlt sich das Lenkrad an? Ist der Fußraum optimal ausgeleuchtet? 1.000 Fragen mit einem Ziel: Perfektion.

Das Customer Research Center von Mercedes-Benz ist in der Automobilindustrie weltweit einmalig. Die Ergebnisse der psychologischen Studien dienen den Ingenieuren der Fahrzeugentwicklung als Grundlage. Bei den Analysen verbinden die Forscher qualitative Methoden wie Beobachtungen und Interviews mit der sogenannten Real-Life-Analyse. Bei diesen Langzeittests sind Kunden mit einem Fahrzeug bis zu einer Woche unterwegs und können jederzeit via Callcenter direkten Kontakt zu Daimler aufnehmen, um unmittelbar über ihre Erfahrungen zu berichten.

Wie echte Muskeln

Auf direkten Kundenkontakt schwört auch Peter Vanacker. Der Bereichsleiter für industrielles Marketing und Innovation bei Bayer MaterialScience in Leverkusen, einem der weltweit führenden Hersteller von Kunststoffen, weiß, dass der Erfolg eines Produktes manchmal "nur eine Frage des Fingerspitzengefühls ist". Sein jüngstes Beispiel nennt sich Vivitouch, ein Produkt, das nach Gesprächen mit Kunden unter anderem auf Messen entstanden ist. Den Verbrauchern reichte es nicht mehr, auf dem Bildschirm ihres Handys zu sehen, wie ein bestimmtes Computerspiel abläuft - sie wollten es fühlen.

Zur Startseite