Strategien


Cognitive Computing

Was wäre wenn IBM Watson und SAP HANA …?

22.01.2014
Von Rüdiger Spies
IBM baut mit Watson und Cognitive Computing an einer neuen Vision. Zusammen mit SAP HANA ergeben sich komplett neue Szenarien. Die Bedeutung des mittleren Managements könnte weiter sinken. Rüdiger Spies von PAC fordert CIOs zum Brainstorming auf, welche Potenziale bei einer Hochzeit von Watson und HANA frei werden könnten.
Rüdiger Spies ist Independent VP Software Markets bei PAC.
Rüdiger Spies ist Independent VP Software Markets bei PAC.
Foto: PAC

Die Rede ist vom Watson-System, kurz: Watson. Dabei handelt es sich um nicht weniger als eine neue Generation von Computing bestehend aus Hardware und Software. Der hier entscheidende technologische Aspekt ist, dass Watson nicht wie bisher mit Nullen und Einsen Ergebnisse nach dem Prinzip "wahr/falsch" beziehungsweise "Transaktion durchgeführt" oder "fehlgeschlagen" ausführt. Vielmehr wird, zwar immer noch mit Hilfe des dualen Systems, auf Grundlage teilweise unsicherer Informationen, Annahmen und auch Spekulationen basierend auf Wahrscheinlichkeiten nach Antworten auf komplexe, in natürlicher Sprache gestellte Fragen gesucht.

Watson hat seine Leistungsfähigkeit zum ersten Mal öffentlich im Jahre 2011 in der amerikanischen Quiz-Show "Jeopardy" eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Damals bestand Watson aus 90 Servern, die in zehn Racks untergebracht waren und die lange und aufwendig programmiert und trainiert wurden.

Watson passt heute in ein paar Pizzaschachteln

Heute benötigt ein vergleichbares System praktisch nur noch einen ServerServer in der Größe von ein paar Pizzaschachteln, wobei dieses auch noch über zwei 200 Mal leistungsfähiger geworden ist. Es ist leicht vorherzusehen, dass die einst so massive Hardware-Präsenz sich weiter auf die Größe eines mobilen Gerätes komprimieren lässt. Die Zeit dafür ist absehbar und liegt mit Sicherheit vor dem Jahre 2020. Alles zu Server auf CIO.de

Watson markierte damit nach allen gescheiterten Versuchen im Bereich künstliche Intelligenz am Ende des letzten Jahrhunderts einen wirklichen Wendepunkt beim "Cognitive Computing". Dies muss sicher auch im Zusammenhang mit IBMs Engagement im Bereich des "Human Brain Project" gesehen werden, welches sich zum Ziel gesetzt hat, innerhalb des nächsten Jahrzehnts einen ähnlich leistungsfähigen Computer zu entwickeln wie es das menschliche Gehirn darstellt. Es bleibt abzuwarten, ob das gelingen wird. Trotzdem erkennt man schnell, dass das Watson-Projekt und das "Human Brain Project" technologisch konvergieren werden.

Die gesellschaftliche Sprengkraft von Cognitive Computing

Klar ist, dass auf Basis von "Cognitive Computing" neue komplexe Fragestellungen mittels Computern lösbar sein werden. Es werden vor allem solche sein, die sich nicht simpel prozedural programmieren lassen, die Interpretationen und Gewichtungen erfordern und letztlich nicht linear ablaufen. Ein Gebiet, auf das diese Eigenschaften zutreffen, ist der medizinische Diagnosebereich, zum Beispiel in der Krebsforschung und Krebstherapie.

In der Tat konzentriert sich IBMIBM derzeit auf dieses Thema, welches unverfänglich ist und in der Gesellschaft positiv besetzt ist, wohl wissend, dass "Cognitive Computing" eine große gesellschaftliche Sprengkraft besitzt. Letztlich ist es der Angriff auf die Verwaltung in den Unternehmen (Stichwort "White-Collar Workers"), auf Call Center, auf Support-Organisationen jeder Art. Alles zu IBM auf CIO.de

Überall dort wo eine gewisse Gewichtung oder Auswahl aus einer größeren Menge von Tatsachen erforderlich ist, könnten Watson-Systeme zum Einsatz kommen. Insofern ist das Marketing-Phänomen Big DataBig Data nur ein blasser Abglanz dessen, was auf uns zukommt. Alles zu Big Data auf CIO.de

Memristoren - neuartige Speicherzellen

Darüber hinaus werden diese neuen Systeme mehrwertige Logik gut einsetzen können. Auch hierfür stehen bereits Alternativen zu den Flip-Flips und dynamischen RAM-Speicherzellen zur Verfügung: Memristoren, oder auch "Phase Change Memory". Es sind neuartige Speicherzellen, die pro Zelle mehr als nur zwei Zustände einnehmen können, beispielsweise 8 oder 12 oder 16 Zustände. Grundsätzlich lassen sich Memristoren auch als CPU-Elemente einsetzen. Auch aus dieser Perspektive gibt es also neue Ansätze, um "Cognitive Computing" Realität werden zu lassen.

Und natürlich hat bereits auch schon das erste Watson-System Unmengen eine Unmenge an Daten im Hauptspeicher gehalten. In-Memory Computing lässt grüßen.

IBM und SAP arbeiten schon zusammen

Hier wird es nun spannend: Auch SAP propagiert In-Memory Computing als Priorität 1, Priorität 2 und auch Priorität 3. HANA bildet bekanntermaßen die Basis für SAPs In-Memory-Computing-Ansatz. Auch hier geht es um große Datenmengen im Hauptspeicher und im Zweifel auch um "Cognitive Computing".

So verwundert es nicht, dass auch SAPSAP beim "Human Brain Project" engagiert ist. Genauso wenig ist es verwunderlich, dass auch SAP auf das Thema GesundheitGesundheit/Medizin sowie Krebsforschung und -therapie setzt. Das Thema ist positiv besetzt und fordert wenig Widerspruch. Ganz anders, als wenn die Systeme für militärische Planspiele eingesetzt werden würden. Alles zu SAP auf CIO.de Top-Firmen der Branche Gesundheit

Heirat von SAP und IBM?

Ins Bild passt auch, dass IBM einer der großen Hardware-Lieferanten für SAP-HANA-Systeme ist. Die Dinge fangen an zusammenzuspielen. Provokativ könnte man fragen: "Was wäre das Ergebnis, wenn HANA und Watson heiraten würden?" Über eine Fusion von IBM und SAP ist ja bereits vielfach diskutiert und spekuliert worden. Das ist aber nicht die Frage - es würde wohl mindestens an kartellrechtlichen Problem scheitern. Dennoch ist die Frage sehr relevant.

Das oben schemenhaft skizzierte Potenzial von "Cognitive Computing" könnte im Zusammenhang mit den transaktionsorientierten Business-Backbone-Systemen von SAP der Unternehmens-IT einen völlig neuen Stellenwert geben. Predictive Analytics wäre ein Sandkastenspiel gegen die Möglichkeiten, die sich aus einer Kombination von Watson-Technik, HANA-Technik und den großen Datenmengen in den Unternehmen ergäben. Strategische und taktische Entscheidungen der Unternehmen könnten durch "Cognitive-Systeme" massive Unterstützung erfahren.

Rolle des mittleren Managements sinkt

Die Bedeutung des mittleren Managements könnte weiter sinken. Komplexe Entscheidungsprozesse, die bisher viel "Bauchgefühl" erforderten, könnten rationalisiert werden. Zunächst würden einfache Entscheidungen an "Cognitive-Systeme" übertragen werden.

Ansätze davon sind heute schon zu spüren: Ob Kredite an einen Neukunden vergeben werden, wird in erster Linie automatisch auf Basis von verfügbaren Daten entschieden. Das gleiche gilt für Bezahlmöglichkeiten im Internet - selektiv, basierend auf Erfahrungsdaten - wird entschieden, ob ein Kunde auf Rechnung kaufen kann oder nur per Vorkasse. Entscheidend ist, dass der Übergang fließend und das Potenzial riesig ist.

Was CIOs tun sollten

Für CIOs bedeutet dieses Planspiel, dass sie sich ein weiteres Mal mit einem neuen Phänomen und der Bedeutung für Ihr Unternehmen auseinandersetzen müssen. Die Finanzbrache hat vielfach das Potenzial erkannt. Aber auch Patentämter sind interessiert. Interesse gibt es bei zukunftsorientierten Unternehmen sowohl für Watson als auch für HANA.

Unternehmen, die in der Vergangenheit auf Data Warehouse und Business Analytics setzten, waren nachgewiesenermaßen wirtschaftlich erfolgreicher als solche, die das in einem geringeren Maße taten. Genauso wird es beim "Cognitive Computing" sein.

Brainstorming starten

Ein Brainstorming unter dem Titel "Was könnte eine Heirat von Watson und HANA für unser Unternehmen bedeuten?" kann das kreative Potential freisetzen, Szenarien für zukünftige Einsatzgebiete aufzuzeigen, die eher früher als später in den Unternehmen Einzug halten werden. Clevere CIOs beginnen heute mit dem Planspiel.

Rüdiger Spies ist Independent VP Software Markets bei PAC.

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