Strategien


Planung

Der Letzte räumt die Erde auf

06.06.2014
Von Andreas Zeuch
Produktionszyklen beschleunigen sich enorm. Wie sinnvoll ist das eigentlich? Und wie stichhaltig sind Wetten auf die Zukunft? Andreas Zeuch über Planung als Lernen.
Andreas Zeuch ist freiberuflicher Berater, Trainer, Coach und Speaker.
Andreas Zeuch ist freiberuflicher Berater, Trainer, Coach und Speaker.
Foto: Dr. Andreas Zeuch

Planung - eine zentrale Aufgabe der Unternehmenssteuerung. Vermutlich werden Sie dieser Aussage zustimmen, schließlich liegt die Grundlage dafür bereits in der Trennung von Planung und Ausführung. Oder anders formuliert: von Denken und Handeln. Dies ist das Fundament des Managements wie es im Jahr 1911 von Frederick Taylor für die Unternehmensführung geltend gemacht wurde.

Zunächst ein kurzer Ausflug: Die Zeiten haben sich seit Taylor gewaltig geändert. Die Produktions- und Arbeitszyklen haben sich enorm beschleunigt, die Halbwertszeiten von Produkten und häufig auch Dienstleistungen sind rapide gefallen. Wenn ein Unternehmen weiterhin erfolgreich bleiben will oder künftig mitmischen oder gar noch erfolgreicher werden will, muss es zunehmend schneller Produkte weiterentwickeln oder besser noch neue erfolgreich auf den Markt bringen.

Da stellt sich natürlich schon grundsätzlich eine wichtige Frage: Kann das auf Dauer so überhaupt weitergehen? Irgendwann überholt dann das Smartphone von morgen das aktuelle Modell von heute und wird vor letzterem produziert - was natürlich Unsinn ist. Also wird irgendwann das Ende der Fahnenstange der Beschleunigung erreicht sein.

Die zweite Frage, die aus dieser Beschleunigung folgt: Ist das aus gesamtgesellschaftlicher Sicht überhaupt sinnvoll? Wohl kaum, denn wieso sollten wir unsere Produkte immer schneller als veraltet verschrotten, um dann für noch kürzere Zeit endlich wieder auf dem Stand der Dinge zu sein?

Wenn ich an die Müllberge von Elektroschrott und deren teils illegale Entsorgung denke, wird mir schlecht (vgl. FAZ Online). Nun gibt es auch noch genügend andere Produkte, aber das Prinzip bleibt das Gleiche. Unsere Müllberge wachsen immer schneller. Am Ende bleibt nur Wall-E, der emsige kleine Roboter, der als letzter die Erde aufräumt, während wir Menschen längst in den Weiten des Weltraums verschwunden sind weil unser Planet nur noch eine gewaltige Müllkippe ist (vgl. Disney).

Wette auf die Zukunft

Aber lassen wir mal diese Grundsatzfragen außer Acht. Tun wir einfach so, als ob die Beschleunigung an sich völlig problemlos wäre und glauben wir guten Mutes daran, dass wir das Müll- und Ressourcenproblem sicherlich in den Griff bekommen. Wenn sich die Wirtschaftswelt immer schneller dreht, brauchen wir auch immer bessere Planung. Logisch. Auch deshalb, weil die zu steuernden Prozesse heute wesentlich komplexer und dynamischer sind als noch vor 100 Jahren.

Planung ist eine Wette auf die Zukunft - nicht mehr, und nicht weniger. Wer plant, geht von bestimmten Rahmenbedingungen aus. Wer gut plant, zieht dabei noch in Betracht, dass sich diese Bedingungen ändern können und plant eine gewisse Bandbreite an Veränderung der Rahmenbedingungen mit ein. Wenn sich dann die Zukunft so zeigt, wie geplant, können wir Erfolge feiern. Aber was, wenn dem nicht so ist? Wenn sich die Rahmenbedingungen anders ändern, als eingeschätzt? Dann beginnen die Probleme.

  • Banal aber wichtig: Die geplanten Arbeitsschritte und Meilensteine werden nicht erreicht. Im Endeffekt bedeutet das immer, Kunden nicht zufrieden zu stellen.

  • Häufig werden die Probleme nicht sofort kommuniziert, sondern verschleiert. Das bekannte Ampel-Syndrom: Alle Ampeln sind auf grün, alle Projekte, Planungen laufen offiziell wie gewünscht. Kurz vor Ladenschluss springen viele der Ampeln gleichzeitig magisch auf Rot - ohne orange Vorwarnung.

  • Wenn Planungsziele im Rahmen von Zielvereinbarungen mit leistungsabhängigen Vergütungen verknüpft sind, entsteht eine neue Problemkategorie: Dann werden Mitarbeiter und Führungskräfte ziemlich kreativ, selbst dann, wenn sie es ansonsten schon längst nicht mehr sind. Schließlich betrachten die Betroffenen die variablen Vergütungsanteile emotional als Lohnbestandteile, auf die sie ein Anrecht haben. Dann werden Kunden unter der Hand gebeten, zum Ende des laufenden Jahres noch eine Maschine einzukaufen, mit der Absicht, die Bestellung im Folgejahr schnell wieder zu stornieren. Plansoll erfüllt, variable Vergütung eingestrichen.

  • Deutlich schlimmer wird es, wenn auf kriminelle Weise Zahlen gefälscht werden, um den Plan zu erfüllen. Leider beileibe auch kein exotischer Einzelfall.

  • Wenn eine starre Planungskultur auf eine rigide Fehlerkultur trifft, folgt ein weiteres Problem. Ist das Ergebnis einer Entwicklungsplanung nicht ausreichend gut, wird die Idee verworfen und der Schuldige ermahnt. Beides ändert nichts daran, dass die bis dahin getätigten Investitionen verloren sind.

Planung als Lernen

im Jahr 1983 veröffentlichte Arie de Geus, ehemaliger Planungschef der Royal Dutch/Shell-Gruppe, seinen folgenreichen Artikel Planning as Learning in der Harvard Business Review. Aufgrund seiner Erfahrungen begann de Geus zu verstehen, dass Planung als Lernen äußerst wertvoll sein kann, solange es nicht darum geht, die Pläne am Ende möglichst detailgetreu zu realisieren.

Wer plant, setzt sich mit möglichen Zukünften auseinander. Das ist eine notwendige Bedingung, um auch in der Zukunft erfolgreich zu werden, bleiben oder die Erfolge noch zu verbessern. Allerdings sollte dabei der Lernprozess im Zentrum stehen, nicht der fertige Plan und seine möglichst perfekte Umsetzung. Wenn das gelingt, wird ein Unternehmen zu einer lernenden Organisation, die Veränderungen des Umfelds erfolgreich meistern kann.

Andreas Zeuch promovierte in Erwachsenenbildung über das Training professioneller Intuition. Er arbeitet seit dem Jahr 2003 als freiberuflicher Berater, Trainer, Coach und Speaker mit dem Schwerpunkt unternehmerischer Entscheidungen und Managementinnovation.

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