Strategien


SCHWERPUNKT: CRM

Willkommen im Club

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
Mit lautem Knall hat Klaus Hofmann, CIO der Bertelsmann Direct Group, SAP mit einer CRM-Komponente eingeführt

„SCHLANGENLINIEN“ heißt das neue Werk von Minette Walters. Im Buchclub-Katalog steht der Krimi neben „Liebe öffnet Herzen“ von Liz Mohn, Präsidiumsmitglied der Bertelsmann-Stiftung. Die wiederum steht mit ihrem Titel neben der Videokassette „Dinosaurier“; und abgerundet hat der Club sein Angebot mit der CD „Bamm, Bamm, Ballermann – der Party-Kracher 2001“. Ein solcher Themenmix eignet sich derzeit noch, um weltweit 28 Millionen Clubmitglieder bei Laune zu halten. Aber werden deren Familien auch in Zukunft in Katalogen stöbern, in denen Frau Mohn neben Britney Spears aufspielt?

Die Geschäftsführer der großen Clubs von Bertelsmann wissen, dass Töchter, Söhne oder Schwiegermütter mehr und mehr maßgeschneiderte Angebote erwarten. Allerdings haben sie bei ihrem ersten Treffen zum Thema IT auch gewusst, dass ihre veraltete Technik so etwas nicht leisten kann. Als im März 1997 die Unternehmensberater von AT Kearney ihre Definition eines Sollzustands für die Clubs vorlegen, da feiert das älteste der Bertelsmann-Systeme gerade seinen 27. Geburtstag – kein Anlass, um Sektkorken knallen zu lassen. „Es gibt nur zwei Verläufe in der IT“, kommentiert der CIO der Bertelsmann Direct Group, Klaus Hofmann, den damaligen Zustand: „Entweder IT-Manager schieben permanent Inno- vationen an und erreichen technologisch und im Business den State of the art; oder sie sagen, dass sie etwas grundsätzlich Neues brauchen, führen dann aber keine Entscheidung herbei. Damit investieren sie nicht, entwickeln keine Skills und geraten in Rückstand.“ Die Clubs hatten sich für die zweite Variante entschieden.

Hundert Mannjahre Nachholbedarf in der Entwicklung hätten die fünf größten Bertelsmann-Buchverschicker insgesamt angesammelt, sagt Hofmann heute. Hundert Mannjahre Backlog – das macht viermal lebenslänglich für den CIO, wenn er die Strafe für vernachlässigte IT allein absitzen will. Nachdem die fünf größten Clubs ihre Versäumnisse eingestanden und nachdem sie im März 1998 – also ein Jahr später – ungefähr ähnliche IT-Anforderungen festgestellt haben, legen sie endlich ein gemeinsames Rettungprogramm fest. Hollands Experten kümmern sich um Customer-Service, die USA werden Meister im Marketing, die Briten bauen das Programm für die Kataloge, die Deutschen sichern die Supply-Chain, und die Franzosen entwickeln das Finanz-Reporting. Es entsteht ein Konsens über vier Sprachräume hinweg.

Im Januar 1999 fällt schließlich die Entscheidung für SAPSAP R/3 mit BW 2.0, APO 3.0 und CRMCRM. Fünfzig Mannjahre später, im Februar 2000, ist das System einsatzbereit. „Man hätte die Prozessdefinition und Designphase bis zum Januar 1999 sicher beschleunigen können“, resümiert Hofmann. „Aber wenn wir uns von Anfang an auf SAP versteift hätten, dann wäre das in die Hose gegangen.“ Jeder Club bei Bertelsmann kann eigenständig entscheiden – und nutzt diese Autonomie auch, wie die prähistorischen, in Cobol programmierten Insel-Lösungen aus der Vergangenheit belegen. Das gemeinsame Controll-Board der Clubs lässt sich zwar gern von Hofmann überzeugen, muss sich (anders als der Bertelsmann-Verlag Gruner + Jahr, der seinen Töchtern gerade SAP vorschreibt) seinen Vorschlägen jedoch nicht anschließen. Alles zu CRM auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de

Hofmann hat diesen Umstand besonders in Holland zu spüren bekommen, wo der erste große Club im Dezember 2000 den entscheidenden Schritt in Richtung CRM wagt. In den zehn Monaten davor hatten die dortigen IT-Verantwortlichen hartnäckig argumentiert, 30000 Order täglich könne man nicht auf einen Schlag umstellen. Für die Einführung lässt Hofmann deshalb die Berater von Pricewaterhouse-Coopers einen Fünf-Stufen-Plan erstellen, bei dem als erstes SAP-Elemente, Finanz-Controlling und dann Materialwirtschaft in das bestehende System implementiert werden sollen. Hofmann: „Da haben wir die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass man an den Schnittstellen scheitert.“ Schließlich entscheidet der beherzte Geschäftsführer sich für einen Big Bang. Hofmann und seine Helfer fliegen ein letztes Mal nach Holland und tauschen auf einen Schlag das alte System aus.

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