Lothar Hirschbiegel

SOA - Service Ohne Akzeptanz

10.10.2008
Ex-CIO Lothar Hirschbiegel analysiert, was Unternehmen in puncto Service-Orientierung alles falsch machen können – ernüchternd.

Ja, ich bin ein SOA-Skeptiker. Allerdings kein Gegner, denn ich unterstütze alles, was uns erlaubt, wohldefinierten Problemen in der IT mit wohldefinierten Lösungen zu begegnen. Allerdings lässt sich in
Sachen SOA eine Menge falsch machen.

1. SOA bei den Anwendern

Lange Jahre hat die IT versucht, Anwender zu einer effizienteren Zusammenarbeit mit IT-Mitarbeitern zu
bewegen. Was haben wir nicht tausendfach nach Lasten- und Pflichtenheften gerufen, nach Ablaufbeschreibungen, Datenmodellen und Business-Strategien. Gekommen ist in aller Regel wenig Input – und meistens auch nur von der eng begrenzten Schar der Grenzgänger zwischen IT und Fachabteilungen.

In großen Unternehmen gibt es heute oft Prozessspezialisten, die sich etwa mit „Prozesshäusern“ beschäftigen. In solchen Fachabteilungen sitzen Mitarbeiter, die im Formulieren von Abläufen geschult sind, die zudem die Zusammenhänge zwischen den Bearbeitungsstellen im Unternehmen kennen. In kleinen und mittelständischen Unternehmen wird man solche Mitarbeiter kaum finden. Dort ist die Ablaufoptimierung Sache des Vorgesetzten. Das Gesamtbild ist in der „Regierungshoheit“ des Chefs, der gleichzeitig die sehnlichst erwünschte Business-Strategie mit einarbeitet.

Mit anderen Worten: Ein formales Business Process Management (BPM) wird in Großunternehmen eher
die Regel sein, in kleineren Unternehmen jedoch als Exot behandelt.

Es ist unstrittig, dass SOA ohne BPM nicht funktionieren kann. Das heißt, dass SOA auch nur in Großunternehmen mit vernünftigem Aufwand greifen kann, bei kleineren Unternehmen ohne BPM-Initiative aber kaum. Dort verkommt SOA schnell zur „technischen Spielwiese“ ohne mittel- bis langfristig nachweisbaren Benefits.

An einer „Vertechnisierung“ sind schon unzählige Initiativen gescheitert, wie etwa das Enterprise Architecture Management (EAM) und Enterprise Application Integration (EAI). Der Grund: Informatiker neigen
dazu, zu glauben, die (Business-)Welt sei durch eine Abfolge von Einzelszenarios und Anlagenabbildern mit klar abgegrenzten Entwicklungsstufen zu beschreiben. Weit gefehlt!

Jeder, der es als Unternehmer schafft, überraschende und effiziente Geschäftsstrategien, Produkte und Geschäftsprozesse schnell zu etablieren, gehört noch schneller zu den echten Gewinnern. Die sind oft unvorhersehbar. Auch für SOA wird das, obwohl es mit dem Anspruch antritt, schnellere Entwicklungszeiten durch die Servicefragmentierung zu bieten, wohl zur Schicksalsfrage werden. Läuft das Business wirklich schnell genug durch die Neumodellierung des Servicemodells, um die IT zu beschleunigen? Ich fürchte: eher nein.

Als Bereichs-CIO eines sehr großen deutschen Unternehmens hatten wir bei solchen Dingen den folgenden Grundsatz: erst mal einige Monate oder Jahre das Prozessmodell entwickeln und anpassen und danach über die hundertprozentige Implementierung nachdenken. Heute ist klar, dass wir mit diesem perfektionistischen Ansatz viel Geld verbrannt haben.

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