Marketing-Tricks

So ziehen Hersteller Sie aufs Glatteis



Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Verkäufer von Enterprise-Software und -Services verstehen sich immer besser als hochbegabte Betrüger. Neben ihren leeren Marketing-Versprechungen haben sie nicht viel auf dem Kasten - zum Nachteil der Kunden.

Es fängt alles ganz harmlos an - mit einer Produktdemo, die reibungslos funktioniert und gut aussieht. Der Hersteller kommuniziert einen Preis, der zu gut klingt, um wahr zu sein - der Fehlbetrag wird später über die Gebühren für Änderungsaufträge oder Wartung und Support ausgeglichen. Wenn der Verkäufer Sie erst einmal im Fangnetz hat, kommen Sie dort nicht mehr allzu schnell heraus. Prüfen Sie nun lieber regelmäßig Ihre Rechnungen, da Sie häufig für Dinge zur Kasse gebeten werden, die Sie eigentlich gar nicht haben wollten. Und später dann, wenn alles problemlos läuft, steht bestimmt schon das nächste Upgrade an - ob Sie es brauchen oder nicht, Sie werden es kaufen. Wetten? Dazu sechs Fälle aus der Praxis.

1. Viel versprechen, wenig halten

Man glaubt es kaum, aber oft reicht eine imposante Sammlung von nichtssagenden Power-Point-Folien aus, um einem Unternehmen ein neues Software-Paket aufzuschwatzen. Selbst große Konzerne machen da keine Ausnahme, wie Forrester-Analystin Natalie Petouhoff feststellt. "Die Software-Industrie ist verdorben", so Petouhoff gegenüber der CW-Schwesterpublikation InfoWorld. "Die Manager, die die Kaufentscheidung treffen, sehen die Präsentation höchstens zweimal im Leben und haben keine Ahnung, dass alles erlogen ist. Sie denken tatsächlich, dass die Applikation genau so funktioniert, wie sie ihnen präsentiert wird." Dabei sei es gar nicht einmal die ursprüngliche Absicht der Hersteller, ihre Kunden vorsätzlich zu täuschen, gibt die Analystin zu bedenken. Da die wenigen Unternehmen mit unlauteren Geschäftspraktiken aber kurzfristig erfolgreicher seien, beuge sich die Mehrzahl der übrigen eben dem Wettbewerbsdruck, um im Markt nicht abgehängt zu werden. Die Kunden treffe überdies eine Mitschuld: Viele Entscheidungsträger in den Unternehmen hätten nicht die nötige Fachkompetenz, um Lügen von Wahrheit zu unterscheiden, meint Petouhoff.

Ein Beispiel: Im März 2008 verklagte Waste Management, der größte Müllentsorgungsbetrieb der USA, den deutschen Hersteller SAPSAP über 100 Millionen Dollar wegen einer fehlgeschlagenen ERP-Software-Implementierung. Waste Management warf der SAP vor, die Produktdemonstration während der Verkaufsgespräche gefälscht zu haben. Fünf Monate später ging der Walldorfer Konzern seinerseits in die Offensive und behauptete, dass das US-Unternehmen ihr noch mehrere Millionen Dollar an Wartungs- und Servicegebühren schuldete. Im Mai dieses Jahres verschwand die angesprochene Produktdemo auf mysteriöse Weise - mit der Folge, dass beide Parteien sich gegenseitig des vorsätzliche Beiseiteschaffens des Beweisstückes beschuldigten. Damit nicht genug: Waste Management büßte nach eigenen Angaben rund 30 Millionen Dollar Umsatz im ersten Geschäftsquartal 2009 ein, weil die ERP-Software nicht richtig funktionierte. Alles zu SAP auf CIO.de

"Ich möchte SAP nicht als schlechtes Beispiel hervorheben", sagt Petouhoff. "Die gesamte Softwarebranche muss sich neu erfinden. Wenn Unternehmen Millionen für Ihre Produkte zahlen, damit sie halten, was Sie zuvor versprochen haben, ist ein Bruch dieser Versprechen finanziell unverantwortlich." Wirtschaftliche Ehrlichkeit nach dem Motto "Unsere Software unterstützt dieses Feature noch nicht, aber wir arbeiten daran" würde den Anwendern wenigstens zeigen, woran sie wirklich sind. Aber das werde wohl Wunschdenken bleiben.

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