Cloud Computing


Wette im Reality Check

90 Prozent aus der Cloud? Eher nicht

Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Technische Komplexität kapseln

Rüdiger Zarnekow Wirtschaftsinformatiker, TU Berlin: "Ich bin skeptisch, dass wir in zehn Jahren den Umfang von 90 Prozent erreichen werden."
Rüdiger Zarnekow Wirtschaftsinformatiker, TU Berlin: "Ich bin skeptisch, dass wir in zehn Jahren den Umfang von 90 Prozent erreichen werden."
Foto: TU Berlin

Zudem biete auch die Private Cloud noch direkte Vorteile für IT-Verantwortliche, sagt Niemann. "Durch vorgefertigte Private-Cloud-Systeme werden sie in die Lage versetzt, die technische Komplexität von StorageStorage, Netzwerken, Servern oder Datenbanken zu kapseln und als kompletten 'Technologieblock' zu steuern." Ähnlich wie der Wartungstechniker, der seinen Rechner ans Auto anschließt und diagnostiziert, ohne die einzelnen Komponenten zu kontrollieren. "Das IT-Management wird deutlich einfacher", sagt PAC-Analyst Niemann, "und IT-Manager haben die Chance, sich auf Themen zu konzentrieren, die ihr Unternehmen voranbringen." Alles zu Storage auf CIO.de

Der ehemalige IBM-CTO Dueck unterstützt die Aussage, auch wenn er nicht daran glaubt, dass IT-Verantwortliche jemals dauerhaft Ruhe haben werden. "Alles driftet auseinander, wird eingefangen, und schließlich zerfließt es wieder." Neue Technologien würden ausbrechen und sich in mehrere Wettbewerbssysteme aufteilen, die eine Weile gleichzeitig vorgehalten werden. Letztlich folge die KonsolidierungKonsolidierung, bevor es an anderer Stelle wieder von vorne losgeht. "Zur New Economy war ein Web-Shop noch ein gewaltiger Aufwand - heute gibt es ihn als Softwarepaket inklusive Paypal gratis zur Domain dazu", sagt Dueck. Diese "Großbausteine" würden immer mächtiger, und viele stets wiederkehrende Fragen - "die grauenhaften Routinen" - seien in ihnen bereits geklärt. Handlungsbedarf entstehe dann an anderer Stelle. Alles zu Konsolidierung auf CIO.de

Auch August-Wilhelm Scheer warnt vor der Hoffnung, durch die StandardisierungStandardisierung und die Cloud als IT insgesamt weniger leisten zu müssen. Zwar werde die Standardisierung an der Schnittstelle zwischen den Services zunehmen, sodass die Services beliebig miteinander kombinierbar werden können. "Weil die Services kleinteiliger werden und ich die Leistungen zum Geschäftsprozess montieren kann, wird die Individualisierung zunehmen", argumentiert Scheer. Den Standard weiterzutreiben sei der falsche Ansatz, denn die meisten Benutzer seien hinterher doch unzufrieden: Entweder ist der Einzelfall zu kompliziert, oder sein Anwendungsfall ist nicht implementiert. "Erfolge erzielen wir künftig durch zunehmende Individualisierung", sagt Scheer. Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Druck der Anwender auf die IT nimmt zu

So lässt sich zur Wette bilanzieren, dass kaum jemand mit dem Allianz-CIO Schneider wetten will (wegen der 90 Prozent) und kaum jemand dagegen (wegen des unverkennbaren Trends zur Cloud). "Ich bin überzeugt von den ökonomischen Vorteilen dieser netzbasierten Dienstleistungen", sagt der Berliner Wissenschaftler Zarnekow. Diese seien für Kunden wie für Anbieter von IT-Leistungen interessant. "Auch interne IT-Organisationen haben das Potenzial dazu, sofern sie eine kritische Masse erreichen." Ein flexibler Bezug, die Skalierbarkeit und die verbrauchsorientierte Abrechnung seien schlagkräftige Argumente, folgert Zarnekow: "Der Druck auf die IT-Organisationen vonseiten der Anwender wird kommen."

Und wenn die IT den Druck nicht aushalten kann oder will, wird die Fachabteilung einfach selbst im Netz aktiv. "Früher mussten Sie zum IT-Chef gehen und um einen Server betteln", sagt der Saarbrücker Unternehmer Scheer. "Heute müssen Sie nur an die richtigen Daten rankommen, dann können Sie sich alle Services selbst besorgen." Die Aufgabe der IT-Organisation in zehn Jahren - "sie wird schon noch da sein" - sei dann voraussichtlich, sich auf die rechtliche und architektonische Steuerung zu konzentrieren. "Damit die Individualisierung nicht zu einem fürchterlichen Wildwuchs wird", sagt Scheer. "Einatmen und Ausatmen", sagt Dueck, "das ist der Gang der Welt."

Zur Startseite