Von UI-Design bis Six Sigma

6 Werkzeuge für die Plattform-Ökonomie

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Sieben von zehn Unternehmen befürchten, von einem Plattformbetreiber abhängig zu werden. Die Plattform-Ökonomie braucht sechs Werkzeuge, erklärt die Unternehmensberatung Sopra Steria Consulting.
  • Die sechs Merkmale sind Change Management, Netzwerk-Analyse, Experteninterviews, Business-Modell Canvas, UI/UX-Design und Lean Six Sigma
  • Der traditionsreiche Versandhändler Otto will otto.de bis 2020 für rund 3.000 Partner öffnen und entwickelt sich zum Service-Ökosystem rund um den Online-Handel

"In der digitalen Welt lassen sich gemeinsame Angebote in der Regel wesentlich einfacher gestalten als innerhalb klassischer Vertriebswege", schreiben die Unternehmensberater von Sopra Steria in einer Analyse. So können Unternehmen über eine Plattform Prozesse miteinander verknüpfen und automatisieren. Ziel ist, dem Endkunden Services "wie aus einem Guss" zu bieten.

Die Beteiligung an einer Plattform löst bei Entscheidern Ängste aus.
Die Beteiligung an einer Plattform löst bei Entscheidern Ängste aus.
Foto: Sopra Steria

Doch deutsche Manager verbinden mit dem Schlagwort von der Plattform-Ökonomie mögliche Nachteile. 71 Prozent von 355 Entscheidern befürchten, sich vom Plattform-Anbieter abhängig zu machen. 57 Prozent haben Angst, von der Kundenschnittstelle verdrängt zu werden und 47 Prozent sehen die Gefahr von Geschäftsverlust.

Thomas Spahn, Experte für Digital Process Engineering bei Sopra Steria Next, nennt sechs Werkzeuge, die eine Plattform-Ökonomie erfordert. "Voraussetzung ist eine offene und partizipative Unternehmenskultur", erklärt Spahn. Im Einzelnen zählt er auf:

1. Change Management: Die Abkehr von traditionellen Methoden der Wertschöpfung kann Unverständnis bis hin zu Angst auslösen. Hier müssen Entscheider mit Change Management gegensteuern: jeder Schritt der Transformation und sein Nutzen für das Unternehmen müssen erklärt und kommuniziert werden. Die Belegschaft muss verstehen, warum und wie sich nicht nur das Geschäftsmodell, sondern auch ihr Arbeitsalltag ändert.

Verstehen, wie die Verflechtungen auf der Plattform aussehen

2. Netzwerk-Analyse: Unternehmen müssen verstehen, wie die Verflechtungen auf der Plattform aussehen. Welche Player sind vertreten, wer dominiert? Solche Faktoren lassen sich mittels Methoden und Algorithmen der Netzwerk-Analyse feststellen. Laut Sopra Steria-Experte Spahn gibt es Open-Source-Programme, die die Struktur des Ökosystems visualisieren.

3. Experteninterviews: Nicht immer haben Entscheider die nötigen Daten vorliegen, um digitale Ökosysteme zu analysieren. Namensgeneratoren unterstützen dabei, die relevanten Akteure auf der Plattform zu identifizieren. Namensinterpretatoren bewerten die Verbindung zwischen diesen Akteuren.

4. Das Business-Modell Canvas: Wer sich auf einer Plattform engagiert, muss deren Ansätze in die bisherigen Geschäftsmodelle integrieren. Das Business Modell Canvas (BMC) unterstützt bei solchen Anpassungen generell. Mittlerweile ist bereits das Platform Business Model Canvas verfügbar. Es soll speziell auf die Skalierung von Geschäftsmodellen abzielen.

5. User Experience-Design: Wie agieren Nutzer über die Plattform mit dem digitalen Ökosystem? Diese Frage leitet das Design von intuitiven Benutzeroberflächen (User Interface). Die Erfahrung des Anwenders (UX = User Experience) steht im Fokus, und zwar fortwährend. Denn Plattform und Nutzererfahrung ändern sich ständig, so dass UI- und UX-Design von zentrale Bedeutung bleiben.

Vorgehen nach der DMAIC-Formel

6. Das Prinzip Lean Six Sigma: Lean Six Sigma soll Unternehmensprozesse an den Anforderungen digitaler Ökosysteme ausrichten, und zwar von der Planung bis zur Gestaltung. Typisch ist ein Vorgehen nach der DMAIC-Formel: Definieren, Messen, Analysieren, Verbessern ("Improve") und Kontrollieren ("Control").

Spahn betont: "Management und Mitarbeiter sollten von dem Nutzen der Plattform überzeugt und mit agilen Arbeitsweisen vertraut sein." Außerdem sind automatisierte digitale Geschäftsprozesse Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung einer Plattform.

Für Sopra Steria liefert das Hamburger Versandhaus Otto ein positives Beispiel. Seit 2017 transformiert sich das Unternehmen mit der Öffnung von otto.de zum Plattformanbieter. Bis 2020 will der Händler rund 3.000 neue Partner (beziehungsweise deren Produkte) an Bord haben. Anders als beispielsweise Amazon - das Unternehmen fungiert als offener Marktplatz - sucht Otto die Händler und Hersteller selbst aus.

Die Otto-Tochter EOS tritt als Finanzdienstleister auf, der Zustell-Service Hermes, der ebenfalls zum Otto-Konzern gehört, soll für Same Day Delivery und Zustellungen nach Wunsch sorgen. Damit entwickle sich das Traditionshaus Otto zum Service-Ökosystem rund um den Online-Handel, kommentiert Sopra Steria.

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