IT in Logistikunternehmen

Tohuwabohu ohne OBU

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
Nicht nur das endlose politische Gerangel um die wegen fehlender Bordcomputer verspätete Lkw-Maut raubt Logistikdienstleistern den Schlaf. Auch intern haben sie massive Probleme, ihre IT auf die neuen Erfordernisse einzustellen.

Automechaniker können schwierige Dinge einfach erklären: "Kaufen Sie jetzt ordentlich bei Aldi ein. Die Gefriertruhen werden bald leer sein", riet der Meister der MAN-Werkstatt Hamburg-Harburg, als er Anfang Juli die Folgen der Maut abschätzen sollte. Bis dahin hatte er keine der On Board Units (OBUs) gesehen, mit denen Lkw-Fahrer ihre Autobahnnutzung abrechnen können. Allein an den Terminals der Tankstellen oder im Internet kann die Masse der Fahrer ihre Maut jedoch nicht anmelden - so viel stand schon vor drei Monaten fest.

Zwar hat Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe die Einfuhr der Maut unter wachsendem Druck auf den 2. November verschoben. Aber selbst dieser Termin kann möglicherweise nicht gehalten werden: Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe lag noch keine Betriebserlaubnis für das Gesamtsystem vor, und Insider berichten weiterhin von technischen Problemen.

Den Spediteuren ist jede weitere Verzögerung erst mal willkommen, schont sie doch ihre Kassen. Schon in den Jahren 2001 und 2002 haben sie Einkommen eingebüßt. Die Gütermenge ist allein vergangenes Jahr um fünf Prozent gesunken, die Zahl der Pleiten um 17 Prozent gestiegen; mehr als 1000 Transportunternehmen meldeten Insolvenz an. Auch Speditionen ohne eigenen Fuhrpark leiden: Bei ihnen stieg die Zahl der Pleiten 2002 um zehn Prozent auf insgesamt 607.

12,4 Cent pro Kilometer - mehr als der Ertrag

Entsprechend gereizt reagieren Trucker und Logistiker auf die Maut. Zwar hätten ihre Kunden mehrheitlich akzeptiert, dass sie durchschnittlich 12,4 Cent pro Kilometer übernehmen müssen. "So viel Ertrag bringt ein Lkw gar nicht", erklärt Dierk Hochgesang, Sprecher im Bundesverband Möbelspeditionen (AMÖ). Die Folgekosten der Maut bleiben trotzdem an Frachtführern und Speditionen hängen. Vor allem über Wartezeiten an den Tankstellen-Terminals klagt Rolf-Dieter van Alst, Geschäftsführer der Hamburger Hoyer-Gruppe: "Bei der Distribution zählt jede Minute. Da kann ich mich nicht in irgendeine Schlange stellen."

Etwas anderes wird einem Teil seiner Lkw-Fahrer jedoch nicht übrig bleiben. Selbst das dreiköpfige Maut-Projektteam bei Hoyer hat in neun Monaten einen Fall nur schwer vorbereiten können: Was tun, wenn die OBUs nicht rechtzeitig geliefert und eingebaut werden? Hoyer hat seinen Bedarf früh angemeldet; das Betreiberkonsortium Toll Collect habe sich auch sehr bemüht, den Rückstau bei den OBUs abzubauen, erklärte van Alst. Einige der Hoyer-Fahrer werden sich ab November trotzdem in die Schlangen vor den Tankstellen-Terminals einreihen und im Regen an die Chipkartenlesegeräte springen, um ihre Route anzugeben. Alles andere ist unpraktikabel. Zwar besteht neben den OBUs und den Terminals noch die Möglichkeit, vor Antritt einer Fahrt im Internet die geplante Route anzumelden. "Ich fahre aber nie die Tour, die ich morgens geplant habe", erzählt ein Lkw-Pilot bei Westfalengas. Staus und stetig neue Dispositionen würden jede Tour unvorhersehbar machen. Wer da ohne OBU fährt, wird schnell zum Maut-Preller - es sei denn, er verlässt die Autobahn. "Wir werden noch viele Lkw neben den Strecken sehen", meint der Fahrer.

Neben diesen augenscheinlichen Anfangsproblemen ärgern sich Frachtführer und Speditionen vor allem über die Verwaltungskosten, die ihnen durch die Maut entstehen. Bis zu 20 Prozent müssten die Betroffenen für die Anpassung ihrer Software und für das Controlling auf die Maut-Gebühren aufschlagen, rechnet Speditions-lobbyist Hochgesang. Das Beispiel London zeige, dass Unternehmen auf keinen Fall das Controlling vergessen dürften. 20 Prozent Fehlbuchungen hätte es bei der dortigen Maut-Einführung gegeben, sagt Hochgesang: "Da brauchen Sie jemanden extra, der das nachrechnet."

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