Schwieriger Jahresbeginn

Amazon und Software-Ärger quälen Deutsche Post

07.03.2016
Ungelöste Software-Probleme und der eigenwillige Großkunde Amazon halten die Deutsche Post DHL zum Jahresstart in Atem.

Nachdem das Software-Desaster in der Frachtsparte den Dax-Konzern 2015 sein Gewinnziel gekostet hat, schickt sich Amazon an, dem Gelben Riesen mit eigenen Zustelldiensten Konkurrenz zu machen. Die Post will ihre Jahreszahlen am Mittwoch (9. März) vorlegen. Trotz des erwarteten Gewinneinbruchs schätzen Analysten, dass Konzernchef Frank Appel die Dividende von 85 auf 88 Cent je Aktie anhebt.

Für das abgelaufene Jahr erwarten die von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Branchenexperten auch wegen des starken US-Dollar ein Umsatzplus von knapp sechs Prozent auf 59,9 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) dürfte im Vergleich zum Vorjahr jedoch um 19 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro eingebrochen sein. Damit hätte die Post gerade die Marke erreicht, die Appel bei der Gewinnwarnung im Oktober als neues Minimum ausgegeben hatte. Der Überschuss dürfte um ein Viertel auf 1,55 Milliarden Euro in die Knie gegangen sein.

Dafür verantwortlich ist vor allem die gescheiterte Umstellung der IT-Systeme in der Frachtsparte. Dort hatte die Post im Oktober die Reißleine gezogen. Statt eines neuen Komplettsystems von SAP und IBM will der Vorstand jetzt bestehende Teilsysteme integrieren und weitere fertige Software kaufen. Appel hatte eine Fehleinschätzung bei der Umstellung eingeräumt. Seit dem Abgang des früheren Spartenchefs Roger Crook führt der Manager den Bereich übergangsweise selbst.

Die Gewinnwarnung vom Herbst nutzte die Post zum Aufräumen in der Bilanz: Wegen der "Neubeurteilung rechtlicher und regulatorischer Sachverhalte" verbuchte der Konzern Belastungen von rund 200 Millionen Euro. Der Großteil der gesamten Sonderkosten von 545 Millionen Euro fiel im dritten Quartal an, der Rest sollte zum Jahresende verbucht werden. Ein Verkauf der Frachtsparte ist laut Appel kein Thema. Einen anderslautenden Medienbericht wies er zurück.

Unterdessen muss sich die Post auf ihrem Heimatmarkt auf Konkurrenz ihrer Großkundin Amazon einstellen. So testet das Unternehmen in einem Verteilzentrum in der Nähe von München die Zustellung in Eigenregie. Auch in anderen Metropolen sollen Verteilzentren in Stadtnähe aufgebaut werden. Laut der "Süddeutschen Zeitung" plant der Onlinehändler mit eigenen Packstationen einen weiteren Angriff. Vor allem in Deutschland und Frankreich wolle Amazon die Automaten aufbauen, schrieb die Zeitung.

Analyst Jochen Rothenbacher von der Investmentbank Equinet erwartet nicht, dass Amazon der Post viel Geschäft wegnehmen könnte. Der Versandhändler trage schätzungsweise rund 600 Millionen Euro zum Jahresumsatz der Post und rund 50 Millionen Euro zu deren Ebit bei. Laut Rothenbacher könnte nur ein kleiner Anteil davon in Gefahr geraten, weil sich Amazon auf größere Städte konzentrieren werde. Die Analysten der Credit Suisse schätzen die Gefahr größer ein: Infolge der Amazon-Direktzustellung könnte das Ebit der Post-Kernsparte PeP bis zum Jahr 2020 um 300 Millionen Euro sinken, schreiben Neil Glynn und Julia Pennington.

Appel hat seine Gewinnziele für diesen Zeitraum längst festgelegt. Im laufenden Jahr soll das Ebit 3,4 bis 3,7 Milliarden Euro erreichen, bis 2020 sollen es rund 5 Milliarden sein. Analysten gehen für 2016 bislang von knapp 3,5 Milliarden Euro aus. (dpa/ad)

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