Digitalisierung einer Hilfsorganisation

Rotes Kreuz nutzt Virtualisierung und IoT

23.09.2019 von Marcel Weber
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz setzt seine digitale Agenda um. Im ersten Schritt sorgt die Organisation für eine sichere weltweite Vernetzung.
Von der zentrale in Genf aus nutzt das Internationale Komitee des Roten Kreuz die Möglichkeiten der Digitalisierung.
Foto: Hector Christiaen - shutterstock.com

"Wir sind von Syrien bis auf die Fiji-Inseln überall auf der Welt vertreten", so Daniel Curty, CTO und Co-Head der ICT Division beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). "Da ist es durchaus eine Herausforderung, alle Mitarbeiter miteinander zu vernetzen. Schnelligkeit und Agilität sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Kommunikation." Große Herausforderungen der IKRK bestehen deshalb zum Beispiel darin, die Mitarbeiter auf der ganzen Welt an die IT anzubinden und einen sicheren, globalen Datenverkehr zu ermöglichen. Wie das erreicht werden soll, legte die Organisation in einer digitalen Roadmap 2018-2022 fest.

Digitales Arbeiten und IoT in Krisengebieten

Um Mitarbeiter mit dem Headquarter in Genf zu vernetzen, setzt die Organisation die intelligente Plattform VMware Workspace ONE für digitale Arbeitsplätze ein, die nahtloses und ortsunabhängiges, digitales Arbeiten auf Geräten aller Art und auf der ganzen Welt ermöglichen soll. Diese informationsgesteuerte Plattform stellt auf Endgeräten integrierte Tools für E-Mails, Kalender, Dateien und die Zusammenarbeit über soziale Netzwerke bereit. So lässt sich zum Beispiel schnell ein digitaler Arbeitsplatz errichten. Denn die Kommunikation - gerade in Kriegsgebieten - muss immer, überall und sofort funktionieren, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten.

Zudem bietet das Internet of Things (IoT) dem IKRK eine neue Möglichkeit, Informationen über den Verbleib von Menschen zu sammeln. Zukünftig könnten beispielsweise die bekannten weißen Land Rover des IKRK trackbar gemacht werden, um die Passagiere zu lokalisieren oder häufig auftretendem Diebstahl vorzubeugen. Diese Funktion ist zurzeit noch über GPS geregelt, die Zukunft sieht Technik-Chef Curty aber im IoT-Bereich: "Unsere Land Rover sind buchstäblich das T in IoT. Hier gilt es, alle verfügbaren Technologien zu nutzen, um die Sicherheit unserer Kollegen zu gewährleisten."

Virtualisierung als technologische Basis

In Krisengebieten beschafft sich das Komitee auch in Gesprächen vor Ort oder Umfragen so viele Daten wie möglich über die dort betroffenen Menschen. So kann sie sich einen besseren Überblick über die Lage und die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung verschaffen. Damit die Daten nicht in die falschen Hände geraten, müssen sie mit großer Vorsicht gesichert werden. "Die Daten, die wir über Individuen sammeln, können Leben retten - oder aber in Gefahr bringen, wenn wir unserer Pflicht nicht nachkommen, sie sicher zu speichern," sagt Charlotte Lindsey-Curtet, Director of Digital Transformation and Data beim IKRK.

Im ersten Schritt der digitalen Strategie wurde daher mit der Virtualisierung der Infrastruktur die technologische Basis geschaffen. Bereits 2006 begann das IKRK mit der Virtualisierung des Rechenzentrums in Genf, das mit 100 Servern platzmäßig ausgelastet war, während die Organisation weiterwuchs. Im Jahr 2017 wurde die Netzwerkvirtualisierungsplattform NSX von VMware implementiert, um das Rechenzentrum durch Segmentierung auf virtueller Ebene abzusichern. Nach einem erfolgreichen Proof of Concept war die Implementierung innerhalb kurzer Zeit abgeschlossen.

Dadurch ist das IKRK heute in der Lage, neue Services auf der ganzen Welt problemlos und schnell bereitzustellen und somit der Komplexität der eigenen Infrastruktur mit Niederlassungen und Camps in vielen verschiedenen Ländern gerecht zu werden. Mitarbeiter sind in Krisensituationen sofort erreichbar und können Hilfe holen. Zudem werden keine Ressourcen unnötig gebündelt, um umständlich und zeitaufwändig Niederlassungen an die IT anzubinden oder Netzwerk-Probleme zu lösen. "Technologie ist ein wahrer Game-Changer für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz", bestätigt Lindsey-Curtet.

Sicherheit als Voraussetzung für die Finanzierung

Von der virtuellen Absicherung hat die Organisation auch indirekt auf finanzieller Ebene profitiert. Denn für die Finanzierung der Einsätze ist das IKRK auf Spenden angewiesen. Ein positives Image sowie das Vertrauen der Geldgeber in die Grundsätze der Organisation sind essentiell, um weiter Hilfe leisten zu können. "Wir haben als humanitäre Organisation eine große Verantwortung. Wir erfassen die Daten ausschließlich zu gemeinnützigen Zwecken, ein Datenleck würde Menschenleben gefährden und den Ruf des Roten Kreuzes erheblich schädigen", führt Lindsey-Curtet aus.

Doch auch für die Arbeit mit den Hilfsbedürftigen ist die Sicherheit der sensiblen persönlichen Informationen von allergrößter Wichtigkeit. "Wenn die betroffene Bevölkerung uns nicht mehr vertraut, dann können wir unsere Arbeit nicht tun", so CTO Curty. "Vertrauen ist die essentielle Grundlage unserer Einsätze."

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist eine unabhängige und neutrale Organisation, die weltweit Hilfe und humanitären Schutz für Menschen leistet, die von Konflikten und bewaffneter Gewalt betroffen sind. Sie wurde 1863 gegründet, überwacht die Einhaltung des internationalen humanitären Völkerrechts und versorgt Verwundete und Kriegsgefangene.

Weitere Schwerpunkte der Arbeit des IKRK sind Familienzusammenführung, die Suche nach vermissten Personen, Schutz und Versorgung der Zivilbevölkerung sowie die Wiederherstellung grundlegender Dienste wie Wasser-, Sanitär- und Stromversorgung. Die Organisation hat ihren Hauptsitz in Genf in der Schweiz und beschäftigt mehr als 19.000 Mitarbeiter in über 80 Ländern. Das IKRK finanziert sich hauptsächlich durch freiwillige Zuwendungen von Regierungen, Unternehmen, den nationalen Gesellschaften sowie weiteren Organisationen.