Strategien


Klassisches BI reicht nicht mehr aus

Analytics-Projekte lavieren zwischen Zukunftsvision und Hausaufgaben

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Audi: Komplexität beherrschen

Detailliertere Einsichten erlaubt auch Dieter Joenssen, Data Scientist bei Audi. Das System "Vera" bildet für die Ingenieure des Autobauers in einem Variantenbaum sämtliche möglichen Konfigurationen der Fahrzeuge ab und zeigt an, wie beliebt bestimmte Zusammenstellungen sind. Damit könnten wenig nachgefragte Variationen aus dem Programm genommen werden – das spart Geld. „Varianz beherrschen, Komplexität beherrschen“, lautet dabei das Motto von Joenssen.

Der Sieger des BARC Best Practice Award 2016 in der Kategorie Konzernlösung: Dr. Dieter W. Joenssen, Data Scientist, Audi AG (Mitte); links Dr. Carsten Bange, Geschäftsfüher BARC, und rechts: Sebastian Herbst, Prozess- und Systemintegrator, Audi AG.
Der Sieger des BARC Best Practice Award 2016 in der Kategorie Konzernlösung: Dr. Dieter W. Joenssen, Data Scientist, Audi AG (Mitte); links Dr. Carsten Bange, Geschäftsfüher BARC, und rechts: Sebastian Herbst, Prozess- und Systemintegrator, Audi AG.
Foto: BARC

Dass in den Unternehmen rund um Daten und Analytics einiges in Bewegung gekommen ist, spiegelt sich auch in der Organisation wider. BI-Vorhaben sind längst nicht mehr isolierte IT-Angelegenheit. Jankes Analytics-Team gehört zur Finance-Abteilung im Cern, Lufthansa-Mann Merten zählt zum Vertrieb. Wobei natürlich alles in enger Abstimmung mit den eigenen IT-Organisationen laufe, wie die Manager beteuern. Auch die Geschäftsführungen nähmen schärfer wahr, wie wichtig Analytics für die künftigen Geschäfte sei. Die Lufthansa habe in der Vergangenheit eher technik- und weniger datengetrieben agiert, erzählt Merten. Das habe sich in den zurückliegenden Monaten grundlegend gewandelt.

Training und Management of Change nicht vergessen

Das bringt allerdings auch neue Herausforderungen mit sich. Aspekte wie das Training und Management of Change seien nicht zu unterschätzen, warnt Merten. Es gelte den Know-how-Austausch zu organisieren und zu kommunizieren – damit nicht wieder neue Inseln entstehen. Auch Schütz von den Casinos Austria betont die Bedeutung der menschlichen Komponente: "So ein Projekt funktioniert nicht nur mit Bits und Bytes." Es gehe darum, auch die Menschen mitzunehmen.

Barc-Analyst Bange mahnt ebenfalls die BI-Abteilungen, sich für Veränderungen zu öffnen und sich von althergebrachten Gewohnheiten zu verabschieden. Habe man mit einem zentralen Data Warehouse noch die Kontrolle über Daten und Datenanalysen gehabt, müsse man sich in Zukunft damit abfinden, dass es eine solche zentrale Kontrolle nicht mehr geben wird.

Big-Data-Technik ist reif, den Nutzen zu ernten

All diese aktuellen Entwicklungen machen deutlich, dass es für die Unternehmen jetzt darum geht, konkreten Nutzen aus neuen Analytics- und Big-Data-Szenarien zu ziehen. Die Zeit dafür scheint reif, wie Holm Landrock, Analyst der Experton Group, feststellt: "Die Big- Data-Technologien haben jetzt die Reife, um einen wirklichen Nutzen zu schaffen." Aber: "Was derzeit noch fehlt, ist die Verknüpfung mit einem tatsächlichen Anwenderbedarf." Nur wenige Anbieter schafften es, ihre Technologie mit einem konkreten Nutzenversprechen zu verknüpfen. "Dabei wird genau dies in den kommenden Jahren den Erfolg von Big-Data-Technologien bestimmen", prognostiziert Landrock.

Auch Gartner sieht diesen Wendepunkt erreicht. "Wenn es um Big Data geht, finden sich viele Unternehmen derzeit in einer Art Herstellungsphase", sagt Jim Hare, Research Director bei Gartner. Das belegen auch aktuelle Zahlen. Knapp die Hälfte von rund 200 befragten Unternehmen hat bereits in Big Data investiert. Das sind drei Prozentpunkte mehr als in einer vergleichbaren Umfrage aus dem Jahr 2015. Allerdings sehen die Gartner-Analysten die Marktprognose nicht ganz so positiv wie ihre Kollegen von IDC. So werde der Anteil der Firmen, die in den kommenden Jahren weiter investieren wollen, von 31 auf 25 Prozent fallen.

Das Problem liege darin, wie Big Data umgesetzt werden soll, konstatiert Nick Heudecker, Research Director von Gartner. Die Unternehmen hätten verstanden, dass es bei Big Data nicht um eine spezifische Technik geht. Allerdings dürften sie Big Data auch nicht als isolierte Initiative betrachten. "Der Erfolg hängt an einer ganzheitlichen Strategie, die den Business-Nutzen, die Skills der Mitarbeiter, die Daten und die Infrastruktur einbezieht."

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