ERP-Trends

Anwender wollen ERP-Bremse lösen

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Sorgen um Pflege und Support

ERP-Kunden, egal von welchem Anbieter, geht es in erster Linie darum, dass die bestehenden Geschäftsanwendungen laufen und gepflegt werden. Beispielsweise sorgen sich die Nutzer von Oracles Business-Applikationen, dass der Hersteller das Interesse verlieren könnte, bestimmte Produkte für den deutschen Markt zu unterstützen, weil die installierte Basis zu klein ist, berichtet Fried Saacke, Geschäftsführer der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag). Das müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass Oracle Produkte einstellt. Es könne jedoch sein, dass der Softwarehersteller die Unterstützung einzelner Produkte etwas zurückfahre. "Es gibt zwar noch keine konkreten Signale, aber die Sorge ist einfach da."

Doag-Geschäftsführer Fried Saacke befürchtet, Oracle könnte die Unterstützung einzelner Softwareprodukte zurückfahren.
Doag-Geschäftsführer Fried Saacke befürchtet, Oracle könnte die Unterstützung einzelner Softwareprodukte zurückfahren.
Foto: DOAG e.V.

Daran ändert auch Oracles Versprechen nichts, im Rahmen des "Applications-Unlimited"-Programms alle Produktlinien unbegrenzt weiterzuentwickeln und zu pflegen. Der Konzern hatte in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Softwareanbieter übernommen und in der Folge sein Supportversprechen gegeben, um verunsicherte Anwender der akquirierten Produktlinien zu beruhigen und zu halten. Saacke zufolge stellt sich jedoch die Frage, wie Oracle diese Zusage interpretiert. "Weltweit mag der Support da sein. Das garantiert mir als Kunde jedoch noch lange nicht, dass alle Anforderungen bezüglich des deutschen Marktes auch erfüllt werden."

Zukunftssicher

Zumal es durchaus Zeichen gibt, dass das Applications-Unlimited-Programm aufgeweicht werden könnte. Sprachen die Oracle-Verantwortlichen in den vergangenen Jahren immer von einer zeitlich nicht befristeten Initiative, nannte Konzernchef Lawrence Ellison in seiner Keynote zur Kundenkonferenz Open World im Herbst vergangenen Jahres erstmals ein Zeitlimit. Die betroffenen Anwendungen würden mindestens zehn Jahre unterstützt. "Wer genau hinhört, hat hier feststellen können, dass sich die Wortwahl ändert", meint Saacke. Erstmals gab Oracle eine Jahreszahl und damit eine Einschränkung an. "Vielleicht fällt bei der nächsten Open World das 'mindestens' weg", unkt der Anwendervertreter.

Saacke würde sich nach eigenem Bekunden nicht wundern, wenn Oracle versuche, das Programm einzuschränken. Ein Unternehmen, das eine operative Marge von 50 Prozent anstrebe, werde immer darauf achten, an welcher Stelle sich das Portfolio straffen lasse. Es sei nicht rentabel, ein Produkt für eine geringe Zahl von Kunden anzupassen. "Da schwindet sicher die Motivation des Herstellers."

Was die Entwicklungspläne ihres Lieferanten angeht, sind Oracle-Kunden weniger interessiert. Das Management hatte bereits vor Jahren unter dem Namen "Fusion" eine komplett neue Suite an Business-Applikationen angekündigt. Darin sollten die besten Funktionen der eigenen E-Business-Suite sowie der zugekauften Softwarepakete wie beispielsweise Peoplesoft, J.D. Edwards und Siebel zu einem neuen ERP-Paket "fusioniert" werden. Ursprünglich wollte der US-Konzern bereits 2008 mit den Fusion Applications starten. Doch bis auf einzelne Softwaremodule für das Kunden-Management ist bis heute wenig davon im Markt zu sehen.

Fusion ist für Oracle wichtig, aber nicht für die Anwender

"Oracle hat sich sicher keinen Gefallen getan, Fusion groß anzukündigen, dann aber nicht zu liefern", sagt Anwendervertreter Saacke. Die Verzögerung sei den Kunden aber gar nicht unrecht: "Fusion ist für Oracle wichtig, aber nicht für die Anwender." Zwar sei wenig transparent, was im Umfeld von Fusion geschehe und wo es hier hingehe, aber das sei für die Kunden auch nicht entscheidend.

Kein Anwender wolle gezwungen werden, auf eine neue Produktlinie zu wechseln, stellt Saacke klar. Entgegen allen Ankündigungen von Oracle werde der Umstieg auf Fusion aus Sicht der Anwender wohl einen Wechsel auf ein völlig neues Produkt bedeuten. Das sei für die Anwenderunternehmen jedoch immer mit erheblichen Aufwänden und Kosten verbunden. Wenn die Fusion Applications auf den Markt kommen, werden sich die Kunden das System ansehen und überlegen, ob sie wechseln sollen, prognostiziert der Doag-Geschäftsführer. Momentan warte aber niemand auf die Software.

Zur Startseite