Streit um "indirekte Nutzung" eskaliert

Anwenderunternehmen stinksauer auf SAP

Peter Marwan lotet kontinuierlich aus, welche Chancen neue Technologien in den Bereichen IT-Security, Cloud, Netzwerk und Rechenzentren dem ITK-Channel bieten. Themen rund um Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen bei der Nutzung der neuen Angebote durch Reseller oder Kunden greift er ebenfalls gerne auf. Da durch die Entwicklung der vergangenen Jahre lukrative Nischen für europäische Anbieter entstanden sind, die im IT-Channel noch wenig bekannt sind, gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Der Anwenderverband VOICE hatte im Herbst 2018 Kartellbeschwerde gegen SAP eingereicht, parallel aber mit dem Walldorfer Konzern Verhandlungen über eine klare Regelung der sogenannten "indirekten Nutzung" geführt. Diese Gespräche hat er jetzt abgebrochen.
Laut VOICE-Geschäftsführer Wolfgang Storck bleibt dem gut 400 Mitglieder starken Anwenderverband "nichts anderes übrig, als die Gespräche aktuell für gescheitert zu erklären."
Laut VOICE-Geschäftsführer Wolfgang Storck bleibt dem gut 400 Mitglieder starken Anwenderverband "nichts anderes übrig, als die Gespräche aktuell für gescheitert zu erklären."
Foto: VOICE

Der IT-Anwenderverband VOICE hat die Gespräche mit SAPSAP über die Lizenzbedingungen des Unternehmens - insbesondere die sogenannte "indirekte Nutzung" - für gescheitert erklärt. Die Schuld dafür gibt er SAP. Der Konzern sei nicht bereit gewesen, auf die VOICE-Forderungen "angemessen" einzugehen. "Uns bleibt deshalb nichts anderes übrig, als die Gespräche aktuell für gescheitert zu erklären und den Fortgang des Kartellverfahrens abzuwarten", so VOICEVOICE-Geschäftsführer Wolfgang StorckWolfgang Storck. Wenn SAP erneut Gesprächsbereitschaft signalisiere und "tragfähige Kompromissvorschläge" unterbreite, könnten die Gespräche wieder aufgenommen werden. Profil von Wolfgang Storck im CIO-Netzwerk Alles zu SAP auf CIO.de Alles zu Voice auf CIO.de

Update, 19. Februar 2020, 20 Uhr 55: Auf Anfrage von ChannelPartner hat SAP erklärt: "Dem Bundeskartellamt liegt seit Oktober 2018 eine Beschwerde zum SAP-Lizenzmodell vor. Wir wissen jedoch nicht, ob und in welcher Form das Bundeskartellamt aufgrund der Beschwerde ein Verfahren einleiten wird. In jedem Fall stehen die Lizenzbedingungen der SAP zu indirekter Nutzung und Digital Access sowohl mit den urheberrechtlichen als auch mit den kartellrechtlichen Vorschriften im Einklang."

Außerdem erklärte das Unternehmen, die bestehende Interoperabilität mit Angeboten von Drittanbietern werde durch seine Lizenzbedingungen nicht beeinträchtigt. "Gespräche mit SAP hat Voice e.V. erstmals nach Einreichung der Beschwerde gesucht. Da es sich um einen laufenden Vorgang handelt, möchten wir derzeit nicht weiter kommentieren“, so das Unternehmen weiter.

Worum es beim Streit um "indirekte Nutzung" geht

Die von SAP in seinen Lizenzbedingungen als "indirekte Nutzung" bezeichnete Verwendung von SAP-Software ist schon seit Jahren ein Streitpunkt mit den Kunden. Es wurde bereits 2017 von der DSAG, der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe, ungewohnt deutlich kritisiert. Während die SAP-nahe DSAG aber immer darauf setzte, die Situation durch Gespräche und Verhandlungen für die Anwender schrittweise erträglicher zu gestalten, riss den im immerhin über 400 im VOICE weniger SAP-zentrierten Bundesverband der IT-Anwender organisierten Unternehmen, schon früher der Geduldsfaden. Sie legten 2018 Kartellbeschwerde gegen SAP ein.

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Dennoch wurden weiterhin Gespräche geführt. Die DSAG wertet es im Mai 2019 als wichtigen Teilerfolg, dass SAP seinen Kunden künftig mehrere Optionen anbietet, um den Zugriff von Drittsystemen auf SAP-Anwendungen "adäquat abzubilden und zu verrechnen". Auch der Anwenderverband VOICE bemühte sich parallel zur Kartellbeschwerde um Gespräche mit SAP.

Sein Ziel war es weiterhin, die "indirekte Nutzung" klarer zu regeln und SAP zur Interoperabilität mit Systemen anderer Softwareanbieter zu bewegen. Seiner Auffassung nach schreibt das Urheberrecht dies auch so vor. Zudem sieht er "für die Anwenderunternehmen unkalkulierbare Risiken, wenn Berechnungsergebnisse aus SAP-Systemen in der Nutzung durch Dritt-Anwendungen Lizenzkosten nach sich ziehen."

Die Forderungen des Anwenderverbandes VOICE

Der VOICE fordert daher im Wesentlichen mehr Transparenz und Berechenbarkeit von SAP. Erstens müsse der Konzern das geltende Urheberrecht in Bezug auf den sogenannten "digital Access", also den Zugriff anderer Anwendungen auf SAP-Software, anerkennen. Sofern dadurch eine lizenzpflichtige Nutzung gegeben sei, müsse SAP ein Verfahren anbieten, mit dem Nutzer die Kosten selbst berechnen können.

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Schließlich fordert VOICE von SAP ein "belastbares gemeinsames Verfahren zwischen SAP und dem jeweiligen Anwender", mit dem sich bei möglichen, künftigen neuen Nutzungsszenarien im Bereich der indirekten Nutzung innerhalb von drei Monaten feststellen lässt, ob der neue Use Case lizenzpflichtig ist und welche Kosten dadurch entstehen.

SAP will Aktionären Gutes tun

Nahezu gleichzeitig mit der wütenden Geste der Anwender hat SAP bekannt gegeben, dass sich Aufsichtsrat und Vorstand darauf geeinigt haben, den Aktionären für das Geschäftsjahr 2019 eine Dividende von 1,58 Euro je Aktie vorzuschlagen - also 5,3 Prozent mehr als die Vorjahresdividende. "Vorbehaltlich der Zustimmung der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung am 20. Mai 2020 und unter Berücksichtigung der aktuellen Anzahl der dividendenberechtigten Aktien beträgt damit die Gesamtausschüttung an die Aktionäre etwa 1,89 Milliarden Euro", teilt der Konzern mit. "Unsere Ausschüttungspolitik stellt sicher, dass unsere Aktionäre an unserem Erfolg teilhaben", kommentiert Luka Mucic, Finanzvorstand der SAP, die Entscheidung.

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