Denkanstöße aus dem Silicon Valley

Auf der Spur dieser "disruptiven Energie"

27.07.2016
Von Winfried Gertz
Im Silicon Valley möchte man durch die rasch fortschreitende Digitalisierung die Welt besser machen.
Im Silicon Valley möchte man durch die rasch fortschreitende Digitalisierung die Welt besser machen.
Foto: Family Business - shutterstock.com

Freilich lassen die Soziologen nicht außer Acht, wie sehr sie die Euphorie beeindruckt, mit der IT-Spezialisten sich für ihre Projekte und Visionen verwenden. "Als Vorreiter der digitalen Gesellschaft entwickeln sie nicht nur neue Lösungen", beobachtete Kämpf. "Sie erproben sie auch konsequent selbst als Lead User." Was alle Akteure eint, sei ein "fast religiöser Eifer", durch die Digitalisierung die Welt besser zu machen. Unterhalte man sich mit Gründern, gehe es ausschließlich um diese Vision.

Deutschland kann Digitalisierung

Lässt sich die deutsche Wirtschaft von diesem Gründergeist und solcher Aufbruchstimmung überhaupt "infizieren"? Stefan Hartung, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, ist optimistisch. "Zwar können wir das hier in Deutschland nicht so abbilden", sagt Hartung mit Blick auf die hierzulande geltenden Rahmenbedingungen. "Aber ein Stück weit müssen wir so denken." Die Begeisterung, mit der junge IT-Experten im Silicon Valley an der Zukunft arbeiten, sei keinen Deut größer als unter den gleichaltrigen Beschäftigten bei Bosch. "Viele sind so fasziniert von der Zukunft, dass sie sich in spannende Aufgaben für das vernetzte Auto oder das vernetzte Eigenheim voll reinhängen", schwärmt Hartung von der "Startup-Mentalität" in den eigenen Reihen.

Ein traditionsreiches deutsches Unternehmen, das sich in der digitalen Transformation fortschrittlich gibt, das ist sicher noch keine Selbstverständlichkeit. Meist hinken die Betriebe doch hinterher, heißt es. Wie aus dem Mittelstandsbarometer von Ernst & Young hervorgeht, können drei von fünf Firmen ihre Stellen nicht besetzen. Und dass heftig umworbene IT-Kräfte, wie etwa die laut Linkedin besonders begehrten Cloud- und Datenexperten, sich ausgerechnet für ein unbekannten Arbeitgeber in der Provinz erwärmen, ist wohl kaum anzunehmen.

Bosch mit seinen weltweit rund 375.000 Beschäftigten definiert sich mittlerweile auch als Softwareunternehmen. Laut Firmenangaben arbeitet bereits ein Drittel der 45.000 Mitarbeiter, die in Forschung und Entwicklung tätig sind, im Software- und IT-Umfeld - allein 3000 erarbeiten Lösungen für das Internet der Dinge. Von 12.000 Akademikern, die im laufenden Jahr eingestellt werden sollen, besitzt gut jeder dritte Softwarekompetenz.

Dass man auf der Digitalisierungswelle ganz vorn mitschwimmt, zeigt der neue Bosch-Standort in Renningen. In dem Innovations-Labor treiben rund 1700 hochqualifizierte Informatiker und Softwareingenieure ihre Projekte unter "Campus"-Bedingungen voran. Ein schwieriges Klientel für jeden Betriebsrat, sagt Hartung augenzwinkernd. Wie bringt man den Wunsch nach Autonomie und mitbestimmungsorientierte Fürsorge in Einklang? Die agil operierenden Teams kooperierten über Zeitzonen hinweg, auch mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen. "Käme nun jemand auf die Idee, die Stechuhr zu verteidigen", so der Bosch-Boss, "würden diese Leute uns sofort den Rücken zuwenden."

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