OUTSOURCING-PROJEKT „HERKULES“

Bundeswehr will zum IT-Riesen werden

Heinrich Seeger arbeitet als IT-Fachjournalist und Medienberater in Hamburg. Er hat über 30 Jahre IT-journalistische Erfahrung, unter anderem als Gründungs-Chefredakteur des CIO Magazins. Er entwickelt und moderiert neben seiner journalistischen Arbeit Programme für Konferenzen und Kongresse in den Themenbereichen Enterprise IT und Mobile Development, darunter IT-Strategietage, Open Source Meets Business, droidcon und VDZ Tech Summit. Zudem gehört er als beratendes Mitglied dem IT Executive Club an, einer Community von IT-Entscheidern in der Metropolregion Hamburg.
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit entsteht eines der größten Hightech-Unternehmen in Deutschland: Die Bundeswehr lagert 6000 Fachkräfte in ein Public-Private-Partnership aus. Die Ausschreibung hat ein Finanzvolumen von mehr als zehn Milliarden Mark.

DIE ZAHLEN dürften für Nervosität in den Vorstandsetagen der großen IT-Dienstleister sorgen: Mit einem Jahresetat von 1,3 Milliarden Mark zählt das Bundesverteidigungsministerium zu den attraktivsten Kunden von Hard- und Software-Anbietern, Telekommunikationsfirmen und Systemintegratoren. In den nächsten zehn Jahren will die Bundeswehr über zehn Milliarden Mark für die Modernisierung ihrer Informationstechnik ausgeben. Administration und Logistik, bisher in einem Wildwuchs aus 15 verschiedenen Insellösungen verstrickt, sollen künftig an allen 700 in- und ausländischen Standorten einheitlich mit dem industrieüblichen Standardsystem SAPSAP R/3 erledigt werden. Doch damit nicht genug: Auch die interne und externe Kommunikation der Bundeswehrverwaltung sowie der drei Waffengattungen (Heer, Luftwaffe, Marine) samt Auslandsdienststellen und mobiler Einheiten in den möglichen Einsatzgebieten will der IT-Stab des Ministeriums in einer homogenen Infrastruktur zusammenführen. Rund 140000 PC-Arbeitsplätze sind zu betreuen, 300000 Fernsprechteilnehmer suchen Anschluss. Wie beim Militär üblich, gibt es einen Codenamen für das Projekt: „Herkules“ lautet er treffend, denn es stehen schwere Aufgaben auf dem Plan. Die Ziele: Beschaffungszeiten verkürzen, Kosten senken, Insellösungen vermeiden. Nun werden IT-Dienstleister gesucht, die es mit diesem Riesenprojekt aufnehmen können. Am 27. Juni wurde das Rennen eröffnet: Im Bundesausschreibungsblatt veröffent- lichte die Bundeswehr unter der Nummer 074 172 den Ausschreibungstext. Nur Minderheitsbeteiligung für den Staat Dabei geht es nicht um einen einfachen Dienstleistungsauftrag mit einem Pflichtenheft, das abgearbeitet werden muss. Die Bundeswehr erwartet stattdessen ein langfristiges unternehmerisches Engagement der strategischen Partner: Die gesamte IT wird ausgelagert in eine neue Gesellschaft, an der das Ministerium 49 Prozent halten wird. Einige Firmen bezeugen bereits ihr Interesse an der Mehrheit von 51 Prozent: „ProjekteProjekte wie diese fallen in unseren Kernarbeitsbereich“, sagt etwa Peter Vorgel, Mitglied der Geschäftsleitung von Siemens Business Services. Bei Redaktionsschluss lag die Liste der zugelassenen Bieter noch nicht vor. Aber die Zahl der Kandidaten für ein Projekt dieser Größe ist ohnehin überschaubar. „Es gibt in Deutschland keinen IT-Dienstleister, der so ein Projekt allein bewerkstelligen könnte“, meint Peter Strabel, Vorstandsvorsitzender von CSC Ploenzke. Sein Unternehmen, das zu den etablierten Betreuern komplexer IT-Projekte bis hin zum kompletten Managed OutsourcingOutsourcing gehört, ist bereits als Projekt-Leader in einem Konsortium engagiert, das für die Bundeswehr ein neues Führungsinformationssystem aufsetzt. Auch mit „Herkules“ wolle man sich, so Strabel, nur im Verbund mit „starken Partnern“ anlegen. „Das IT-Jahresbudget der Bundeswehr würde achtzig Prozent unseres Gesamtgeschäfts ausmachen“, stellt Strabel die Dimensionen klar. Zu dem Konsortium müssen aus seiner Sicht nicht nur IT-, sondern auch Finanzdienstleister gehören, um die Refinanzierung sicherzustellen. „Herkules“ ist auf einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren angelegt. Klaus Hahnenfeld, IT-Direktor im Verteidigungsministerium (siehe auch das Interview), verspricht sich von der Minderheitsbeteiligung seines Hauses ein Plus an Flexibilität. Das passt ins Konzept einer neuen, kostenbewusst operierenden Bundeswehr, wie es Verteidigungsminister Rudolf Scharping im letzten Jahr angekündigt hat. Und auch die Opposition hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine selbstständig agierende IT-Firma. „Die arbeitet ja nach unseren Richtlinien“, sagt Thomas Kossendey, Mitglied des Bundestags und für die CDU im Verteidigungsausschuss. „Wir werden aber bei der Umstrukturierung darauf zu achten haben, dass wir nicht in Abhängigkeiten geraten. Das gilt genauso für EADS wie für MicrosoftMicrosoft.“ Zustimmung auch bei der Opposition Wenig Gegenwind also aus dem Parlament, das sich wahrscheinlich in den Haushaltsberatungen erstmals mit dem Thema beschäftigen wird. Bleibt alles im Zeitplan, gehen im November die Angebote aus der freien Wirtschaft ein, und im Juli 2002 werden die Verträge geschlossen. Damit wäre der Weg für ein neues Unternehmen frei, das seine Kompetenz auch Dritten anbieten will: Die Bundeswehr als SAP-Dienstleister – keine realitätsferne Vorstellung mehr, wenn es nach Klaus Hahnenfeld geht. Umsatz verspricht er sich jedoch vor allem von den Nutzungsrechten für das dichte Netz bundeswehreigener Funkstationen und –strecken für den Sprach- und Datenverkehr. Der IT-Direktor ist überzeugt davon, dass sich die Handy-Netzbetreiber danach die Finger lecken werden. Vielleicht entsteht ja auf diesem Weg ein Telefonnetz in Deutschland, bei dem die Bundeswehr die Abhörsicherheit garantiert.
Siehe dazu auch das Interview mit Klaus Hahnenfeld, dem „CIO“ der Bundeswehr. Alles zu Microsoft auf CIO.de Alles zu Outsourcing auf CIO.de Alles zu Projekte auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de

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