Aufstand im Büro

Chef-Mobbing

26.03.2019
Von Helene Endres und Klaus Werle

Dabei ist das Wesen der Chefexistenz simpel: Er muss Chef sein. Das heißt: die Mitarbeiter motivieren und führen. Umgekehrt heißt das, Rebellion von unten ist da kein lästiges Ärgernis, sondern ein Angriff auf die eigene Existenz. "Werden Führungskräfte gemobbt, geraten sie psychisch unter solchen Druck, dass extreme Selbstzweifel entstehen, auch bei hartgesottenen Typen", sagt Sabine Dembkowski, Coach in Köln.

Markus Hall etwa ist kein Mann, der sich mit Sentimentalitäten aufhält. Als er Bereichsleiter eines IT-Unternehmens wurde, musste die Abteilung ordentlich ranklotzen. Die Effizienz stieg, die Stimmung sank. Plötzlich kursierten vertrauliche Mails von Hall in der Firma, Mitarbeiter schwänzten Kundentermine und sagten hinterher, Hall habe sie nicht informiert. Als Hall dringend eine Präsentation vor dem Vorstand fertig machen musste, lieferten ihm einige Mitarbeiter absichtlich falsche Zahlen. Der Vorstand merkte es, Hall bekam erst einen Rüffel und wurde dann versetzt.

Der Mitarbeiter, den die härtere Gangart genervt und der ein Grüppchen Gleichgesinnter um sich geschart hatte, siegte im Rachefeldzug. Auch weil Hall die ersten Signale zu lange ignoriert hatte. "Vorgesetzte nehmen solche Vorfälle zunächst nicht wahr, dann verdrängen sie - und dann kommt die große Hilflosigkeit", sagt Dembkowski.

Rache-Aktionen

Was also tun? Zuerst einmal muss der Chef verstehen lernen, warum Mitarbeiter ihn mobben wollen: Auslöser ist deren eigene Hilflosigkeit. Die Rachelogik ist überraschend schlicht: Fühlt sich ein Mitarbeiter unfair behandelt und hat keine Möglichkeit, sich beispielsweise beim Betriebsrat zu beschweren, sucht er seinen Ausgleich auf anderem Weg. Sein Ziel: am Ende subjektiv quitt zu sein. Er rächt sich, indem er nimmt, was ihm in seinen Augen ohnehin zusteht. Diese Form der Sozialhygiene schafft Befreiung und stellt die eigene Ehre wieder her, zumindest auf den ersten Blick.

Am grössten ist die Gefahr von Rache-Aktionen für börsennotierte Konzerne: Sie sind primär auf den Shareholder-Value ausgerichtet, und ihre Größe begünstigt den Verlust persönlicher Bindungen an die Firma. Bekommt etwa ein Mitarbeiter keine Gehaltserhöhung, muss aber aus der Zeitung von den fetten Boni der Vorstände erfahren, fühlt er sich unfair behandelt. Mit der Folge, dass er sich selbst immer weniger loyal der Firma gegenüber verhält.

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