Aufstand im Büro

Chef-Mobbing

26.03.2019
Von Helene Endres und Klaus Werle

Müller arbeitet für die Sicherheitsakademie des österreichischen Innenministeriums und gilt als einer der führenden Profiler in Europa. Im Laufe seiner Karriere hat er die seelischen Abgründe Dutzender Serienkiller erkundet, wie die des österreichischen Prostituiertenmörders Jack Unterweger oder des Hamburgers Lutz Reinstrom, der Frauen in einem Bunker in seinem Garten gefangenhielt und sie, nachdem sie verstorben waren, in Salzsäure auflöste.

Seit einigen Jahren gilt Müllers Interesse dem Phänomen der "Workplace Violence". Jeder zweite deutsche Betrieb ist davon betroffen, schätzt er. In seinem neuen Bestseller ("Gierige Bestie") geht er der Frage nach, wie es zu extremen Rache-Akten am "Tatort Arbeitsplatz" kommen kann. Warum etwa erschien ein Abteilungsleiter in Niederösterreich eines Tages mit einem geladenen Revolver zum Meeting?

Prävention gegen Wirtschaftskriminalität

"Niemand wacht eines Morgens auf und sagt: Heute bringe ich meinen Chef um", sagt Müller. "Die Demütigungen, der Frust und der Hass stauen sich über Monate, oft Jahre auf. Es gibt viele Warnsignale, aber die Führungskräfte ignorieren sie meistens."

So werden potenzielle Rache-Engel anfangs sehr häufig beim Chef vorstellig - sie betteln um Aufmerksamkeit. Dann schotten sie sich ab, weichen in Randarbeitszeiten aus, schließen ihre Unterlagen weg und machen den Mund nur noch auf, um über die Firma herzuziehen. Typischer Satz von Kollegen in dieser Phase: "So kennen wir den Werner gar nicht." Es folgen anonyme Mails (meist zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens), schließlich gezielte Rache-Akte. So entsteht aus persönlicher Kränkung erst Frust, dann Isolation, schließlich Angst und Aggression.

"Wenn in der unausgesprochenen Übereinkunft zwischen Chef und Angestelltem immer wieder Erwartungen enttäuscht werden, dann ist es für die subjektive Selbsthygiene wichtig, jemanden dafür verantwortlich zu machen. Der Weg zur Rache ist dann nicht mehr weit", sagt Thorsten Mehles, Chef der Münchener Prevent AG. Die Beratungsfirma entwirft Präventionsprogramme gegen Wirtschaftskriminalität, etwa für Firmen in Fusionsprozessen, um rechtzeitig Mitarbeiter zu identifizieren, bei denen Frustration in strafbares Handeln umschlagen kann. Ein Frühwarnsystem, das Chefs und Kollegen helfen soll zu erkennen, "wann jemand aus dem Loyalitätsruder läuft".

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