CIO des Jahres


CIO des Jahres 2022 – Großunternehmen – Platz 1

CIO Michael Müller-Wünsch macht Otto zur Digitalplattform

Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Der CIO von Otto beweist eindrucksvoll, wie sich ein klassischer Handelskonzern Schritt für Schritt transformieren lässt, ohne die alten Stärken aufzugeben.
"Tech ist im Erlösmodell angekommen", freut sich Otto-CIO Michael Müller-Wünsch, der mit seinem Team den traditionellen Handelskonzern aus Hamburg grundlegend transformiert hat und dafür den 1. Platz beim CIO des Jahres (Großunternehmen) erhält.
"Tech ist im Erlösmodell angekommen", freut sich Otto-CIO Michael Müller-Wünsch, der mit seinem Team den traditionellen Handelskonzern aus Hamburg grundlegend transformiert hat und dafür den 1. Platz beim CIO des Jahres (Großunternehmen) erhält.
Foto: Andreas Sibler

Im laufenden Betrieb ein Milliardengeschäft transformieren - wie soll das gehen? Michael Müller-WünschMichael Müller-Wünsch, Bereichsvorstand Technology, beschreibt in seiner Bewerbung zum "CIO des Jahres 2022", wie sich OttoOtto vom HändlerHändler zu einer digitalen Plattform mit neuen Erlösquellen weiterentwickelt. Top-500-Firmenprofil für OTTO GmbH & Co. KG Profil von Michael Müller-Wünsch im CIO-Netzwerk Top-Firmen der Branche Handel

Die Firmengeschichte beginnt im August 1949 mit einem Katalog und ein paar Schuhen. Im Hamburger Stadtteil Schnelsen legt der 40-jährige Werner Otto den Grundstein für ein Handels- und Dienstleistungsunternehmen, das heute mehr als 53.000 Menschen beschäftigt und zu den erfolgreichsten E-Commerce-PlattformenE-Commerce-Plattformen in Deutschland gehört. Alles zu eCommerce auf CIO.de

Doch das über Jahrzehnte erfolgreiche Handelsmodell stieß im Zeitalter des Onlinebusiness und mächtiger US-Konkurrenten wie Amazon an seine Grenzen. Das neue Etappenziel der Hanseaten lautete deshalb: Otto wird eine digitale Plattform, deren Wertschöpfungsmodell sich an einer verbesserten User Experience orientiert - aus Sicht von Kundinnen und Kunden ebenso wie für Partner, Lieferanten und die Mitarbeitenden.

Tech ist ein Vorstandsthema

Um dorthin zu gelangen, braucht es ein erweitertes digitales Angebot, Technologie zum Erschließen neuer Erlösmodelle und die klare Vision, "den Menschen ins Zen­trum eines werteorientierten wirtschaftlichen Handelns zu stellen", sagt Müller-Wünsch. Für die "Transforma­tionsreise" definierte er drei kritische Erfolgsfaktoren: eine nachhaltige Veränderung des Mindsets und der Unternehmenskultur, die Erneuerung der Batch-orientierten Prozess- und Technologielandschaft sowie den Ausbau von Digitalkompetenz im gesamten Unternehmen.

Schon seit 2015 ist Müller-Wünsch Vorstandsmitglied bei Otto, die Funktion ist auf der obersten Führungs­ebene fest verankert. "Unsere Tech-Strategie bietet den nötigen Raum, damit sich alle ganz auf das digitale Plattformgeschäft konzentrieren können", erläutert der promovierte Informatiker. "Strategische Leitplanken" gäben die nötige Orientierung: "Cloud first, but not Cloud only" ist so eine Maxime, auch das Wieder­verwenden von Anwen­dungen und die Vorgabe, Kernaufgaben und -kompetenzen wann immer möglich mit internem Personal abzudecken.

Herzensthemen Talent-Management und Diversity

Auch deshalb liegt Müller-Wünsch das Thema Talent Management am Herzen. Er sieht darin eine Pflicht­aufgabe, ebenso in klaren Diversity-Zielen. Mindestens die Hälfte aller neuen Stellen im Tech-Bereich soll mit diversen und weiblichen Kandidatinnen besetzt werden. Zu den strategischen Anforderungen gehören auch eine Feedback- und Change-Kultur, produktorientierte Design Patterns in der Softwareentwicklung und nicht zuletzt der verstärkte Einsatz künstlicher Intelligenz in den Business-Applikationen. Die traditionell in "Plan-Build-Run" strukturierte und auf Effizienz getrimmte IT brach der CIO mit crossfunktionalen Teams auf. Die Devise lautet nun: "You built it, you run it".

Zu den ersten Großprojekten gehörte der Aufbau eines digitalen Marktplatzes mit zusätzlichen Serviceangeboten. Auf der Plattform können Unternehmen ihre Produkte auf eigene Rechnung verkaufen und konkurrieren damit teilweise direkt mit dem Otto-eigenen Angebot. Der Effekt: Das Produkt- und Leistungsangebot verzehnfachte sich innerhalb von 18 Monaten. Otto baute sich damit ein neues Geschäftsmodell auf, das eine zusätzliche Nachfrage im Umfang von mehr als einer Milliarde Euro pro Geschäftsjahr generiert.

Für die Plattform kombinierte das IT-Team alte Softwarearchitekturen mit neuen Systemlandschaften auf Basis einer "nativen Greenfield-Cloud-Applikations­architektur", wie Müller-Wünsch es bezeichnet. "Das war auch der Beweis, dass ein inkrementeller Archi­tektur­umbau in der laufenden Transformation und bei laufendem operativen Geschäft möglich ist." Unterm Strich, so der CIO, habe die Initiative das hergebrachte Handelsmodell klar in Richtung "Technologie-induzierter Wertschöpfung" verschoben: "Tech ist im Erlösmodell angekommen."

Knackpunkt kultureller Wandel

Müller-Wünsch erwähnt auch die Knackpunkte im noch andauernden Transformationsprozess. Der umfassende kulturelle Wandel stelle die Organisation vor Herausforderungen, manchmal seien die Mitarbeitenden zu stark gefordert. Die gesamte Transformation als ein Minimum Viable Product (MVP) zu denken und Fehler zuzulassen habe sich als erfolgsfördernd erwiesen.

Otto unterstützt Frauen dabei, sich Technologie zu nähern und einen IT-Werdegang ins Auge zu fassen - wie etwas mit dem Event-Format "develop<HER>".
Otto unterstützt Frauen dabei, sich Technologie zu nähern und einen IT-Werdegang ins Auge zu fassen - wie etwas mit dem Event-Format "develop<HER>".
Foto: Otto/develop<HER>

Zum kulturellen Wandel gehören etliche weitere Projekte, die Müller-Wünsch seit seinem Einstieg bei Otto im August 2015 angestoßen hat. Sein Ziel: "Ich habe mir fest vorgenommen, mehr Frauen für meine Tech-Bereiche zu gewinnen und einen noch größeren Beitrag zur Nachwuchsförderung zu leisten." Diese Ziele seien auch in der Tech-Strategie verankert. Mit verschiedenen Bildungsformaten unterstützt Otto Frauen und Kinder dabei, sich technischen Themen anzunähern und einen Werdegang in der IT ins Auge zu fassen. Dazu gehört etwa das hauptsächlich an Frauen gerichtete Weiterbildungs­angebot "develop<HER>" samt einer "Kids-Edition", für Lehrkräfte gibt es das Format "TechUcation@School". Auf den Events der "MAIN-Session"-Reihe können sich Interessierte in Sachen KI weiterbilden.

Frederike Fritzsche ist Tech Ambassador bei Otto und macht sich für mehr Frauen in der IT stark.
Frederike Fritzsche ist Tech Ambassador bei Otto und macht sich für mehr Frauen in der IT stark.
Foto: Otto GmbH & Co. KG

Mit Frederike Fritzsche gibt es bei Otto zudem erstmals die Position "Tech-Ambassador", um Frauen für IT zu begeistern und Kolleginnen eine Bühne zu geben. Weitere Impulse soll das Frauennetzwerk "Plan F" geben. Darüber hinaus unterstützt der CIO mit seinem Team diverse externe Initiativen, darunter die Non-Profit-Organisa­tionen Hacker School und ReDI School of Digital Integration sowie den bundesweit ausgerichteten Digitaltag.

Mutmacher für andere Unternehmen

Die Jury zum "CIO des Jahres 2022" lobt insbesondere das Changemanagement von Müller-Wünsch und verleiht ihm den 1. Platz in der Kategorie Großunternehmen. Ihm sei es gelungen, "ein Umfeld zu etablieren, in dem solche Veränderungsprozesse erfolgreich umgesetzt werden können", kommentiert Juror Martin PeukerMartin Peuker, CIO der Berliner Charité. Das Vorgehen sollte anderen Unternehmen und IT-­Bereichen Mut machen, überkommene Modelle und Denkweisen aufzubrechen. Webasto-CIO und Jurymitglied Thomas MannmeuselThomas Mannmeusel urteilt: "Ein außerordentlich innovatives und ambitioniertes Projekt, mit dem Anspruch, den amerikanischen Platzhirschen Paroli zu bieten. Ich wünschte, wir hätten mehr Otto-ITs in Europa." Profil von Martin Peuker im CIO-Netzwerk Profil von Thomas Mannmeusel im CIO-Netzwerk

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