COMPUTERWOCHE-Roundtable Cloud-Migration

Cloud Computing: Anwendungen modernisieren - aber wie?

Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Anwender, die ihre IT mit der Cloud und in die Cloud modernisieren wollen, Plattformbetreiber, Berater und Dienstleister: Cloud Computing stellt allen anspruchsvolle Aufgaben. Über falsche Ziele und richtige Wege diskutierten erfahrene Vertreter der IT-Branche.

Wenn sein Unternehmen bei einem Kunden ein Cloud-Projekt beginne, sei die IT dort anfangs oft der Gegner, sagte ein Teilnehmer des Cloud-Computing-Roundtable der COMPUTERWOCHE. Mit Cloud Computing lässt sich die digitale Transformation vorantreiben, ohne die kaum ein Unternehmen auskommen wird. Besonders Private Clouds entwickelten sich mehr und mehr zu Anwendungs- und Modernisierungsplattformen. Trotzdem erreichen viele Anwender mit ihren Cloud-Projekten weniger, als sie sich erhofft hatten, und sind entsprechend unzufrieden mit ihren Dienstleistern, Beratern und Plattformen.

Über den richtigen Weg in die Cloud diskutierten (v.li.n.re.): Wolfgang Kröner (all4cloud), Michael Schweizer (freier Autor), Jürgen Hamm (NetApp), Konstantin Agouros (matrix technology), Oliver Villwock (cbs), Mark Borgmann (Oracle), Heiko Mauersberg (SAP), Carl Winter (SNP) und Martin Bayer (COMPUTERWOCHE)
Über den richtigen Weg in die Cloud diskutierten (v.li.n.re.): Wolfgang Kröner (all4cloud), Michael Schweizer (freier Autor), Jürgen Hamm (NetApp), Konstantin Agouros (matrix technology), Oliver Villwock (cbs), Mark Borgmann (Oracle), Heiko Mauersberg (SAP), Carl Winter (SNP) und Martin Bayer (COMPUTERWOCHE)

Woran liegt das, und wie kann man es besser machen? Darüber diskutierten sieben Vertreter wichtiger Hersteller, Plattformbetreiber und Beratungsunternehmen: Konstantin Agouros (matrix technology), Mark Borgmann (Oracle), Jürgen Hamm (Netapp), Wolfgang Kröner (all4cloud), Heiko Mauersberg (SAP), Oliver Villwock (cbs Coporate Business Solutions) und Carl Winter (SNP). Der Roundtable war Teil einer Auftaktveranstaltung zu einer Cloud-Migration-Studie, die die COMPUTERWOCHE zusammen mit ihren Schwestermedien CIO, ChannelPartner und TecChannel erarbeitet.

Infos zu Partner-Paketen der Cloud-Migration-Studie

Wenn Vorstände Unmögliches fordern

Die Cloud-gestützte IT-Transformation beginnt in vielen Unternehmen damit, dass der Vorstand, nicht selten nach dem Besuch eines gehobenen Anwenderkongresses oder der Lektüre eines Fachartikels, ein Ziel vorgibt wie: "Wir wechseln komplett in die Cloud." Er erwartet dann, dass alles, was im Unternehmen mit IT zu tun hat, schneller und fehlerfreier läuft und weniger kostet.

Vor allem in der Public Cloud ist das unmöglich. Entsprechend verschreckt reagieren die IT-Abteilungen und ihre Leiter. In der Regel kennen sie Beispiele von umfangreichen Cloud-Projekten, die mit einem bösen Erwachen geendet haben, weil niemand sie im Vorfeld kaufmännisch durchgerechnet hat. Zudem haben viele IT-Experten ihre interne Karriere auf On-Premise-Software aufgebaut und fühlen sich nun bedroht.

Berater, Hersteller und Dienstleister sollten sich hier zunächst einmal als Realismusbeauftragte verstehen. Sie müssen ihren Kunden erklären, inwieweit sich ihre Anwendungen, Architekturen und Prozesse, kurz: ihre Legacy, mittels der Cloud überhaupt sinnvoll modernisieren lassen und was die Konsequenzen wären. Was den Anwendern im Einzelnen zu raten ist, darüber diskutierten die Roundtable-Teilnehmer, entsprechend ihren jeweiligen Geschäftsmodellen, lebhaft und kontrovers.

On-Premise-Software für Zentrales und Geheimes

Beispielsweise zwingt eine Cloud-orientierte Transformation dazu, durch Standardisierung den Wildwuchs der Individualanwendungen kräftig zu beschneiden. Aber wollen die Anwenderunternehmen das überhaupt, und ist es das Richtige für sie? Am ausgeprägtesten ist die Standardisierungsbereitschaft, wenn es um nicht wettbewerbskritische, rein intern genutzte Anwendungen geht. Für den Kundenkontakt akzeptieren die meisten Anwender dagegen nichts Provisorisches. In ihrem Kerngeschäft möchten sie sich in kein Standardisierungkorsett zwängen.

Ein Beispiel dafür sind wissenschaftliche Formeln für die Produktion. Auch Datenschutzbedenken tragen dazu bei, dass Unternehmen solche Anwendungen on Premise selbst behalten wollen. Mehrere Diskutanten verglichen die Cloud mit einem Fertighaus: Es baut sich einfacher als ein Architektenhaus und man kann schneller einziehen. In welchem Ausmaß Kunden bereit sind, das zu tun, und unter welchen Umständen sie gut daran tun, war dann allerdings in der weiteren Diskussion durchaus umstritten.

Berater, Dienstleister und Hersteller haben viele Jahre gut davon gelebt, dass Anwender ausgefeilte Anforderungshefte erarbeitet haben, die langwierig umgesetzt wurden. Manche Roundtable-Teilnehmer halten solche detaillierten Planungen auch unter Cloud-Bedingungen für nötig und für das Thema einer wertvollen Beratung. Unter anderem lasse sich so einer ungebremsten Konsumhaltung der Fachbereiche gegensteuern. Andere argumentieren, eine weitreichende Standardisierung sei das bessere Mittel, allzu spezielle Wünsche gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Langfristig planen oder vorantasten?

Was das Anforderungsheft im Kleinen ist, ist im Großen die Langzeitstrategie. Berater müssten mit dem Anwenderunternehmen präzise erarbeiten, wo es in zehn Jahren stehen wolle, sonst könne die Cloud-orientierte Transformation schmerzhaft fehlschlagen, mahnten mehrere Teilnehmer. Andere halten bereits Fünfjahrespläne für zu gefährlich. Die Gefahr, von wendigen Startups, zum Beispiel Fintechs, überholt zu werden, sei zu groß. Als Mittelweg empfahl ein Teilnehmer den hybriden Ansatz, Anwendungen in der Cloud erst einmal auszuprobieren und bei Gefallen zu migrieren.

Infos zu Partner-Paketen der Cloud-Migration-Studie

Kunden in ihrem Interesse zu beraten, ist wegen der oft überzogenen, manchmal übertrieben ängstlichen Erwartungen, die sich mit der Cloud verbinden, anstrengend. Mehrmals fiel in der Diskussion das Wort "Härte". Die braucht man etwa, um einem Kunden klarzumachen, dass er, wenn er in die Public Cloud wolle, viele Eigenentwicklungen nur noch abschalten könne. Für Berater, Hersteller und Dienstleister ist es nicht leicht, Mitarbeiter zu finden, die in dieser Weise diskutieren können, ohne den Kunden zu verschrecken.

Zur Startseite