Digitale Lehre

Corona - was bleibt nach der Krise?

Walter Brenner ist Professor für Informationsmanagement und geschäftsführender Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Informationsmanagement, Industrielle Services, CRM, Design Thinking und Digital Consumer Business.

Digitalisiertes Privatleben

Auch das Privatleben verändert sich in der Krise. Vorausschicken will ich, dass meine Frau und ich drei erwachsende Kinder haben, drei Elternteile, die alle älter als 80 Jahre sind, und einen kleinen Freundeskreis, mit dem wir sehr eng verbunden sind.

Digitale Kommunikation mit den Kindern ist kein Problem, sei es über Telefon, WhatsApp, Zoom oder Skype. Spannend ist, dass sich die Kommunikationsfrequenz stark erhöht hat. Wir sind fast täglich mit unseren Kindern in Kontakt. Manchmal geht es nur um Belanglosigkeiten. Wir sind, zumindest aus meiner Beobachtung, enger verbunden. Mit unseren Eltern sind wir auch stärker in Kontakt, hauptsächlich über das Mobiltelefon. Sehr schwierig ist die Kommunikation mit meinem 96-jährigen Vater, der in einem Pflegeheim ist, das für alle Besucher geschlossen wurde.

Ein Effekt der grösseren Nähe stellt sich auch mit unseren engen Freunden ein. Inzwischen haben wir mehrere sogenannte "Zoom-Dinner" veranstaltet. Wir haben eine Zoom-Konferenz eingerichtet, den Laptop auf den Tisch gestellt, und dezentral gekocht, gegessen und getrunken. Allerdings wurden die Zoom-Dinner gut vorbereitet. Wir haben uns im Vorfeld über den Wein und die Anzahl der Gänge verständigt. Nach kurzer Eingewöhnungszeit hat sich - trotz der räumlichen Distanz - die gewohnte Vertrautheit eingestellt. Wir haben laut gelacht, über nicht Anwesende gespottet und uns über sehr vertrauliche Themen ausgetauscht. Eines der Zoom-Dinner ging fast vier Stunden. Auch dies hätte ich nie geglaubt: dass die Generation 55+ ohne grosse Schwierigkeit digitalen sozialen Umgang pflegt.

Allerdings gibt es auch heikle Erfahrungen. Meine Frau und ich haben spontan angeboten, dass wir in unserem Wohnblock helfen, wenn irgendjemand Hilfe nötig hat. Schon kurz nach unserem Angebot meldete sich eine Nachbarin die Computerproblemen bei der Einrichtung ihres Home-Office-Arbeitsplatzes hatte. Am Ende konnten wir nicht helfen. Das war für uns eine ziemlich deprimierende Erfahrung. Warum? Es stellte ich heraus, dass der Arbeitgeber die Dame mit einem Laptop ins Home-Office verabschiedet hat, der völlig untauglich war.

Was wird bleiben nach der Krise?

Seit mehr als 40 Jahren beschäftige ich mich mit dem Einsatz von Informatik in Unternehmen, öffentlichen Verwaltungen und privaten Umgebungen. Eine zentrale Erkenntnis aus dieser langen Zeit lautet: "Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Was die Menschen, egal ob freiwillig oder im Berufsleben, gelernt haben, vergessen sie nicht mehr". Als die CD erfunden wurde, verschwand die Vinylplatte und als MP3 kam, verschwand die CD. Als der PC und Software für Textverarbeitung kam, verschwand die Schreibmaschine. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Ähnlich wird es auch nach der Corona-Krise sein.

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