Experten im Gespräch

Der 3D-Druck ist reif für den Produktionseinsatz

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Optimale Packdichte ist Key

Petrolli: In einem Bauraum nur ein einzelnes Teil zu drucken ist nicht wirtschaftlich - es sei denn, es handelt sich um eine größere Komponente mit vielen Funktionen. Man kann den Bauraum ausnutzen, um mehrere Hundert Teile zu drucken. Oder man produziert einen Mix und bearbeitet mehrere Kundenaufträge parallel.

Das Verfahren funktioniert so, dass zunächst ein flaches Pulverbett - halb so dick wie ein menschliches Haar - gestreut wird. Dann werden zwei Flüssigkeiten in das Pulverbett gedruckt: Ein Fusing Agent, der durch Wärme aktiviert wird. Überall, wo dieser Agent gedruckt ist, wird das Kunststoffpulver verschmolzen. Ein sogenannter Detailing Agent sorgt für eine saubere Oberfläche. Im langsamsten, detailliertesten Modus braucht so ein Verfahren 16 Stunden, im schnellsten Verfahren 11,5 Stunden. Dann ist der Bauraum komplett gedruckt.

Für die Effizienz ist es wichtig, eine optimale Packdichte zu bekommen. Bei den Produktionsmaschinen hat man gegenüber den klassischen Prototyp-Maschinen den Vorteil, dass sie einen effektiven 24/7-Produktionsmodus ermöglichen. Der Bauraum kann nach Fertigstellung einer Charge ausgetauscht werden. Ein neuer Bauraum kommt in die Maschine und der gedruckte Bauraum kommt zum Abkühlen in eine spezielle Processing Unit.

Arend: Wir sind immer bestrebt, den Bauraum komplett zu füllen. Das heißt also, dass Aufträge von unterschiedlichen Kunden gleichzeitig produziert werden können. Da kann durchaus eine Kleinserie von 30 Teilen mit mehreren Einzelteilen in einem Produktionsschritt entstehen. PA12 ist der Kunststoff, mit dem wir produzieren. Das Material ist in vielen Industriebereichen bekannt und akzeptiert. Das von HP bereitgestellte Material ist äußerst robust, verfügt über wichtige Zulassungen und ist deshalb gut für die Herstellung von Serien­elementen in industriellem Maßstab geeignet.

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Wie gut ist die Qualität? Kommt es zu Sollbruchstellen, wenn 3D-gedruckte Teile irgendwo eingebaut werden?

Arend: Die auf unserer 3D-Druckmaschine hergestellten Teile zeichnen sich ja gerade durch eine hohe Dichte aus, die mit der Qua­lität von konventionell produzierten Kunststoffteilen vergleichbar sind. Für mich als Produktgestalter war darüber hinaus unsere Kaufentscheidung für ein Produktionssystem von der ästhetischen Qualität der Oberflächen wesentlich abhängig. Bisher mussten wir immer eine leichte Stufenbildung im Bauprozess akzeptieren. Jeder kennt diesen Effekt, wenn er zum Beispiel mit Konzeptteilen aus FDM-Druckern arbeitet. HP stellt ein System bereit, das unserem Wunsch nach möglichst glatten, baustufenlosen Oberflächen entgegenkommt. Wir erreichen nicht in sämtlichen Fällen die Ober­flächenqualität von Spritzgussteilen. Trotzdem ist die Qualität der Bauteile sehr hoch.

Auch im Spritzguss-Verfahren gibt es ja ein weites Feld an verwendeten Kunststoff-Materialien, zum Teil identisch mit denen in der additiven Fertigung. Die Anforderungen sind eben unterschiedlich. Ein Gehäuseteil im Haushalt muss leicht und abwischbar sein, es stellt völlig andere Anforderungen als ein Maschinenteil.

Werden sich in Zukunft Unternehmen selbst 3D-Drucker hinstellen oder eher mit versierten Partnern und Lieferanten zusammenarbeiten?

Petrolli: Es gibt Unternehmen, die sich selbst so eine Maschine hinstellen, weil sie ihre Kompetenzen nicht aus dem Haus geben wollen. Automobilisten wie Volkswagen haben wie gesagt einen eigenen Betriebsmittelbau und sammeln gegenwärtig mit einer eigenen 3D-Produktion Erfahrungen.

Grundsätzlich ist es aber nicht damit getan, eine Datei an einen 3D-Drucker zu schicken, und dann geht's los. Es braucht Know-how, um die Teile optimal im Bauraum zu platzieren oder um eine saubere Oberfläche hinzubekommen. Deshalb gibt es für Partner mit diesem Wissen auf absehbare Zeit genug zu tun.

Arend: Die eigentliche Qualifikation liegt ja im Design der Druckteile. Es werden sich auch neue Geschäftsmodelle entwickeln. Ich könnte mir vorstellen, dass die nächste Druckergeneration von HP noch einfacher bedienbar sein wird. Die Geräte könnten dann beim Endnutzer aufgestellt werden und wir wären einer der Dienstleister, die ein Teil entwerfen und remote einen Druckbefehl beim Kunden auslösen.

Die Drucker werden dann dort stehen, wo die Teile gebraucht werden. Volkswagen würde zum Beispiel seinen Werkstätten dann 3D-Drucker zur Verfügung stellen. Auf diesen Druckern könnten vor Ort Ersatzeile gefertigt werden.

Partner kennen die Kniffe

Petrolli: Viele Kunden haben im Zusammenhang mit 3D-Druck gedacht, sie haben eine Datei, laden diese auf einen Drucker und auf Knopfdruck kommt ein Produkt oder Ersatzteil heraus, wie man es sich vorgestellt hat. Das ist heute nicht der Fall, übrigens auch nicht bei Spritzgussmaschinen. Es steckt eben sehr viel Kompetenz in der Konstruktion, im spezifischen Know-how. Und es gibt immer noch ein paar Parameter und Kniffe, die unsere Partner kennen, um ein Teil noch besser zu drucken.

Als HP sehen wir uns in der Rolle, die Technologie bereitzustellen, die offen und konfigurierbar ist, um Parameter möglichst genau einzustellen. Auf dieser Basis haben unsere Partner die Möglichkeit, sich zu differenzieren und ihr spezifisches Know-how einfließen zu lassen. Es stärkt die Servicebüros und macht sie unersetzlich, dass sie spezielles Know-how in bestimmten Nischen aufgebaut haben, für vertikale Märkte etwa. Sie können bestimmte Software für bessere Texturen entwickeln oder herunterladen.

Wohin will HP den 3D-Druck weiterentwickeln?

Petrolli: Unser Ziel ist es, den Kunden eine Plattform anzubieten. Dann haben wir einen Drucker, Cloud-basierte Software, eine OpenAPI, um sich beispielsweise mit NX-Maschinen zu connecten oder mit anderen 3D-Druckern. Dann kann der Kunde entscheiden, ob er Software von HP oder seine Lieblingssoftware eines anderen Anbieters nutzen möchte - oder eben eine ganz bestimmte Applikation, um bessere Texturen auf ein Material aufzubringen.

Wichtig wird sein, dass sich unsere 3D-Drucker in existierende IT-Strukturen des Kunden einbinden lassen. Der Kunde möchte ein Teil in bestimmten Mengen an bestimmten Orten zur Verfügung haben - hier in Blau, dort in Grün, hier individualisiert, dort mit einer bestimmten Struktur. Diese Bestellung gibt er irgendwo ein - bei HP oder einem Partner. Dahinter steht dann genau die Kombination aus Software Tools, Hardware und Druckern, die das möglich macht. Das muss in einer immer wiederkehrenden gleichen Qualität, einer hohen Verfügbarkeit und in einem redundanten System von Hardware und Software möglich sein.

Mir als Kunde ist ja ganz egal, wo das Teil produziert wird. Ich möchte es in der richtigen Qualität und Ausprägung zeitnah und hochwertig am richtigen Ort nutzen können. Und natürlich in einer hohen Flexibilität, wenn sich eben an dem Teil etwas ändert.

Arend: Die Frage ist ja, warum müssen wir eigentlich noch hier bei uns drucken? Vielleicht hat ja der Kunde einen solch großen Bedarf, dass es sich lohnt, den Drucker in seinen Räumen aufzustellen. Darüber denken wir nach: Müssen wir wirklich hier Hallen auf­bauen, drucken und dann einen Paketdienst losschicken? Den Drucker könnten wir binnen zwei bis drei Tagen vor Ort installieren, dann bräuchte man noch jemanden für Nachbear­beitung und Reinigung, that's it. Das wäre ein Riesenvorteil gegenüber aufwendigen Spritzgussmaschinen.

Der 3D-Druck kommt zwar voran, aber doch eher in kleinen Schritten. Warum ist das so?

Petrolli: Wir haben seit unserer Markteinführung der ersten Drucker vor drei Jahren beachtliche Erfolge aufzuweisen. Und trotzdem: Wir arbeiten gegen eine große Lobby an. Jeder weiß seit Jahren, wie eine optimale Produk­tion aussehen muss, die Aufstellung der Maschinen, die Arbeitswege, die MES etc.

So entsteht der Eindruck, es gebe keine Verbesserungspotenziale mehr. Hier ist Umdenken gefragt. Diese Leute sind oft nicht bereit, ihre Arbeitswelt in Frage zu stellen. Da haben wir noch viele Herausforderungen. Die hybride Fertigung bietet viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die noch bei Weitem nicht ausgeschöpft sind. Erste Unternehmen - speziell in der Automobilindustrie - haben den Schritt bereits erfolgreich getan.

Eine Möglichkeit ist sicher das Betreiber­modell: Als Autobauer stelle ich meinem Lieferanten Fläche auf meinem Gelände zur Verfügung und lade ihn ein, darin zu produzieren. Ich sage ihm genau, was er produzieren soll in welcher Qualität und Quantität. Da sehe ich eine große Chance. Die Spritzgussmaschine kann in solchen Szenarien nicht auf flexible Produktionsanforderungen reagieren.

Arend: Wenn man das weiterdenkt, sieht man auch die Potenziale, die additive Fertigung für den deutschen Industriestandort hat. Viele Produktionsaufgaben, die nach China oder in andere Länder ausgelagert wurden, ließen sich wieder zurückholen, weil wir mit 3D-Druck-Maschinen schnell, preiswert und flexibel Kleinserien drucken könnten, die hier billiger sind als in China. Schließlich sind auch dort die Ingenieure teuer geworden.

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